Nachtdienstgedanken

Esoterik an der Notdienstklappe: „Bitte nicht abscannen!“

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Berlin -

Zwieback, Antibiotikum, Schnuller oder nur telefonische pharmazeutische Beratung: Jeder Kunde definiert den „Notfall“ anders. Vor allem an Feiertagen kristallisiert sich das immer wieder heraus. Jeder Notdienst ist etwas Besonderes – vor allem wenn Esoteriker vor der Tür stehen.

Endlich Sommerzeit, aber wo bleibt das gute Wetter? Ich habe die Sonnenstrahlen vermisst, noch muss ich in meiner dicken Strickjacke in der Apotheke verweilen. Ich mache es mir gemütlich, hole meine Süßigkeiten und Kekse aus meiner mitgebrachten Box und bereite mir einen Schwarztee zu. Max, mein treuer Begleiter, ist auch an Ostersonntag an meiner Seite.

Max: Hast du schon gelesen? Heute treten die neuen Festbeträge in Kraft!
Ich: Nein habe ich nicht. Das kann ja wieder was werden. Neue Beträge bedeuten Lagerwertverluste, aber auch Diskussionen mit Kunden.
Max: Ein kleines Warmup für dich: „Ich habe bis jetzt nur 3,68 Euro Differenz bezahlt, warum soll ich jetzt 15 Euro bezahlen?”
Ich: Danke für die gute Laune… Ich darf dann wieder erklären, warum das so ist, was sich die Hersteller dabei denken und so ein Kram! Das ist ja pharmazeutische Beratung auf hohem Niveau…

Die Notdienstklingel läutet: Dingdong! Jemand unterbricht unser Gespräch. Ich laufe zur Tür und sehe eine Frau, Anfang 40.

Kundin: Ich brauche einen Hustensaft, am besten mit Thymian und zweimal wenn Sie haben. Einen für meinen Mann. Das hilft uns immer ganz gut.

Ihren Angaben nach spricht nichts gegen die Anwendung des Arzneimittels. Sie ergänzt: Aber bitte nicht abscannen!

Esoteriker – meine Lieblingskunden. Ich drehe mich um und gehe mit einem Grinsen im Gesicht zu den Schubladen. So macht Pharmazie Spaß! Ich sehe, dass wir zwei Präparate desselben Herstellers haben. Beide haben aber wohl während der Großhandelslieferung einen minimalen Knick abbekommen, abverkaufen kann man es in jedem Fall. Ist ja nur die Sekundärverpackung... Das kann auch in der Handtasche passieren, denke ich mir. Ich halte mich natürlich nicht an den Wunsch der Dame, scanne das Mittel ab und laufe zurück zur Klappe.

Ich: Also, da bin ich wieder! Wir haben diesen Saft da, kostet 5,59 Euro.
Sie: Darf ich mir den mal kurz anschauen?

Ich sehe ich, wie sie in ihrer Jackentasche kramt. Sie holt ein Pendel heraus.

Sie: Diesen Saft kann ich nicht nehmen.

Ich denke zuerst, sie wird wegen des Knicks meckern. Falsch gedacht! Der Saft hat eine schlechte Energie! Muss man doch als erfahrene Apothekerin wissen...

Saft 1 ist zwar bei ihren Test durchgefallen, Saft 2 möchte sie aber kaufen – trotz Knick. Anscheinend war alles positiv. „Reklamier den Saft doch beim Großhändler“, kommentiert Max. „Wegen ihm hast du jetzt Umsatzverluste.”

Früher war alles besser, da gab es noch keinen Barcode-Scanner.

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