Hamburg

Warnung: PTA bestiehlt „Danke“-Apotheker

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Berlin -

Für die TV-Kampagne „Danke Apotheke!“ lieh der Hamburger Apotheker Egbert Waschulewski dem Wort & Bild Verlag sein Gesicht. Im Spot spielte er einen fürsorglichen Apotheker, der einen Teddybären verarztet und einem kleinen Jungen erklärt, was er macht und warum. Dass das Leben nicht immer so harmonisch ist, musste Waschulewski jetzt in seiner Apotheke am Paulinenplatz schmerzlich erfahren. Eine erst kürzlich eingestellte PTA beklaute und betrog den Apotheker. Zwei Tage vor Ablauf der Probezeit fiel die Gaunerei auf. Waschulewski: „So etwas habe ich in meinen 30 Jahren Berufserfahrung noch nicht erlebt.“

Die Mitarbeiterin hat er inzwischen fristlos entlassen und den Kündigungsbrief persönlich überbracht. „Ich will meine Kollegen warnen“, begründet Waschulewski seinen Schritt in die Öffentlichkeit. „Gehört habe ich von der PTA seitdem nichts mehr.“ Der Apotheker vermutet, dass die über 40-Jährige nicht nur bei ihm zuschlug. Abgesehen hatte sie es nämlich auf starke Beruhigungsmittel. Circa 30 Packungen Zopiclon und Fluoxetin fehlen aus seinem Warenlager. Damit das nicht auffiel, habe die PTA selbst „Phantom-Rezepte“ ausgestellt.

Waschulewski vermutet, das die Ex-Mitarbeiterin die Beruhigungsmittel nicht nur für den Eigenbedarf entwendet hat. Dass sie aber selbst offenbar ein Suchtproblem hat, ist ihm lange nicht aufgefallen. „Sie hat sich viermal während der Probezeit krank gemeldet“, so der Apotheker, „einmal mit lallender Stimme.“ Aber das hat noch keinen Verdacht aufkommen lassen. Erst als die PTA auch andere Produkte aus der Apotheke stahl und es zu Unregelmäßigkeiten bei der Rezeptabrechnung kam, fiel sie auf. Auch ihr zunehmend suchtgeprägtes Verhalten erregte zuletzt Aufmerksamkeit.

Mindestens acht Packungen Diabetes-Teststreifen im Wert von 40 Euro pro Packung verschwanden, dazu Nyda-Läusemittel und hochwertige Kosmetik. Diese Artikel tauchten kurz darauf bei Ebay unter dem Klarnamen der PTA wieder auf. Waschulewski setzte sich mit der Apothekerkammer in Verbindung. Die riet zur fristlosen Kündigung während der Probezeit. Auf die Einschaltung der Polizei verzichtete der Apotheker.

„Da habe ich wohl nicht genau genug hin geschaut“, fühlt sich der Apotheker irgendwie mitverantwortlich für die unschöne Entwicklung. Andererseits hatte er zunächst keinen Anlass, an der Integrität der PTA zu zweifeln. „Sie hatte ein exzellentes Zeugnis eines anderen Kollegen, bei dem sie zuvor gearbeitet hat“, so der Apotheker.

„Hohe Fachkompetenz, fundierte Beratung; stets zuverlässig, selbstständig, gewissenhaft; mit ihrer Herzlichkeit hat sie schnell das Vertrauen und die Anerkennung der Kunden und des Teams gewonnen; Verhalten war immer einwandfrei; bedanke mich bei ihr herzlich für die gute Zusammenarbeit“, stand darin zu lesen. Die anschließende halbjährige Arbeitspause konnte sie mit einer Verletzung nachvollziehbar erklären. „Ich hatte keinen Anlass, ihre Angaben in Zweifel zu ziehen“.

Außerdem: Weil der Arbeitsmarkt für PTA in Hamburg leer gefegt ist, war er froh, überhaupt eine Mitarbeiterin zu finden: „Auf meine Anzeige haben sich nur zwei PTA gemeldet.“ Jetzt ärgert sich Waschulewski umso mehr, dass er nicht vorab seinen Kollegen angerufen und Erkundigungen eingezogen hat.

In den Formulierungen des Zeugnisses seien keine versteckten Hinweise zu entdecken gewesen. Die Aufgabe der früheren Stelle sei mit betrieblicher Umgestaltung begründet worden. „Da hätte ich eigentlich hellhörig werden können“, ärgert sich der Apotheker. Jetzt hofft Waschulewski, dass die PTA bei dem möglichen Versuch bei anderen Kollegen anzuheuern, keinen Erfolg haben wird.

900 Millionen Euro verlieren die Einzelhandelsunternehmen Schätzungen zufolge jedes Jahr durch die eigenen Mitarbeiter. Die Angestellten sind somit für fast ein Viertel der Inventurdifferenzen verantwortlich. Das EHI Retail Institute beziffert die durchschnittliche Inventurdifferenz mit 0,61 Prozent; bezogen auf die Verkaufspreise liegt der Schaden sogar bei 1 Prozent. In absoluten Zahlen gehen Waren im Bruttowert von 3,9 Milliarden Euro verloren. Das EHI geht von einer Dunkelziffer von mehr als 98 Prozent aus.

Laut Handelsverband Deutschland (HDE) werden Inventurdifferenzen in 56 Prozent der Fälle durch Kunden verursacht. Die eigenen Mitarbeiter sind in 19 Prozent der Fälle schuld, Lieferanten und Servicekräfte in 8 Prozent der Fälle. Bei 18 Prozent lassen sich die Verluste auf die Organisation zurückführen, also beispielsweise Erfassungs-, Buchungs- und Bewertungsfehler.

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