HIV-Prophylaxe

Spahn: PrEP soll Kassenleistung werden

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Berlin -

Die HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) soll schon bald in den Leitungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden. Das hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigt. Risikogruppen sollen neben der medikamentösen Versorgung auch Anspruch auf ärztliche Beratung und Untersuchung erhalten. Von der Aids-Hilfe, dem Koalitionspartner und der Opposition kommt Zustimmung, die Kassen hingegen dürften mauern.

Noch in diesem Monat wolle er das Vorhaben auf den Weg bringen, kündigte Spahn im Vorfeld des Aidskongresses an. Der Deutschen Ärzte-Zeitung sagte er, er wolle dafür sorgen, „dass Menschen mit einem erhöhten Infektionsrisiko einen gesetzlichen Anspruch auf ärztliche Beratung, Untersuchung und Arzneimittel“ erhalten.

Laut Deutscher Aids-Hilfe lassen sich bisher rund 5000 Menschen in Deutschland die Wirkstoffkombination Emtricitabin/Tenofovir verschreiben. Die Uni-Klinik Essen spricht von 4500. Bisher müssen Betroffene die Kosten von 50 bis 70 Euro im Monat für das Medikament und die zusätzlichen Beratungen und Untersuchungen in der Regel selbst übernehmen – einer Studie der Universität Essen zufolge handelt es sich dabei überwiegend um Besserverdienende.

„Menschen mit geringem Einkommen sind praktisch ausgeschlossen“, schreibt die Aids-Hilfe. „Schutz vor HIV darf nie am Geldbeutel scheitern“, betont Vorstand Winfried Holz. „Es ist dringend an der Zeit, diese Lücke in der HIV-Prävention zu schließen.“

Bisher bezögen „nicht wenige Menschen“ die PrEP-Medikamente kostengünstig aus dem Ausland, teilweise ohne die dazugehörige ärztliche Begleitung, so die Aids-Hilfe. Diesem „bestehenden Wildwuchs“, so Spahn, wolle er „ein strukturiertes Angebot entgegensetzen“. „Denn nur richtig genommen, wirkt es. Falsch gemacht, steigt im Gegenteil eher das Risiko von Resistenzen und Ansteckungen“, zitiert die Ärzte-Zeitung den Minister.

Der Koalitionspartner lobt die Initiative: „Um fair zu sein: Jens Spahns Initiative zum Einsatz und Bezahlung von Medikamenten zur Vorbeugung von HIV-Infektionen durch Ärzte und Krankenkassen ist richtig, und wir werden das voll mittragen“, kündigte SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach an.

Auch Kordula Schulz-Asche, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, sprach ein „großes Lob an Minister Spahn“ aus. Seine Initiative sei „der richtige Weg, um die Zahl der HIV-Infektionen zu senken“. Die liegt in Deutschland stabil bei rund 3100 pro Jahr. Schulz-Asche gab aber auch zu bedenken, PrEP bleibe „jedoch ein Medikament mit Nebenwirkungen, welches nur für einen kleinen Kreis von Patienten sinnvoll sein kann“.

Zustimmung kommt ebenfalls von Seiten der Linken: „Die heutige Ankündigung von Gesundheitsminister Jens Spahn, dass zukünftig Kosten für die HIV-Prophylaxe PrEP und für Menschen mit einem erhöhten Infektionsrisiko von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden sollen, ist ein wichtiger Meilenstein im Kampf für den selbstbestimmten Umgang mit dem Krankheitsrisiko Aids. Ein kostenfreier Zugang unter medizinischer Begleitung ist entscheidend für die Angleichung der Gesundheitschancen auch derjenigen, deren niedriges Einkommen sie bisher von einem Zugang zu PrEP ausgeschlossen hat“, so Achim Kessler, Sprecher für Gesundheitsökonomie der Fraktion und Obmann im Ausschuss für Gesundheit.

Wer zu diesem Kreis gehört und wer nicht, sollen Spahn zufolge der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) aushandeln. Die wichtigste Zielgruppe sind Männer, die Sex mit Männern haben. Allerdings wäre auch medizinisches Personal als anspruchsberechtigte Gruppe denkbar. Innerhalb von drei Monaten soll nun der Bewertungsausschuss eine Vergütung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab festlegen. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) schätzt, dass etwa 10.000 Menschen PrEP als Kassenleistung in Anspruch nehmen können.

Der GKV-Spitzenverband hat sich noch nicht zu den aktuellen Plänen geäußert. Bisher stießen dahingehende Forderungen bei den Kassen jedoch immer auf Widerstand. Zur Senkung des Infektionsrisikos seien andere Schutzmaßnahmen verfügbar, insbesondere Kondome, „die der Eigenverantwortung für eine gesundheitsbewusste Lebensführung zuzurechnen sind“, so ein GKV-Sprecher 2016.

Arzneimittel, die der Ermöglichung sexueller Aktivitäten dienen, oblägen in der Arzneimittelversorgung der Eigenverantwortung der Versicherten, argumentieren die Kassen. PrEP ist demnach rechtlich zu behandeln wie Potenzmittel.

Das sieht Kordula Schulz-Asche anders: „Prävention ist gerade bei HIV kostengünstiger als die Therapie und entlastet damit auch die Krankenkassen“, so die Grünen-Politikerin. Wichtig sei vielmehr, „dass nun auch die privaten Krankenversicherungen nachziehen und die Behandlungskosten der PrEP übernehmen – hier werden im Vergleich zur gesetzlichen Krankenversicherung überproportional viele Neuinfektionen gemeldet.“

Tatsächlich verweist auch das BMG auf Daten aus anderen Ländern, die eine hohe Effektivität bei der Reduktion von HIV-Infektionen durch PrEP belegen. So seien beispielsweise in San Francisco, England und dem australischen New South Wales die Zahlen der Neuinfektionen um bis zu 40 Prozent zurückgegangen, seitdem das Medikament dort in ein ärztliches Beratungs- und Versorgungssystem eingebunden wurde.

In Deutschland ist PrEP seit einem knappen Dreivierteljahr für Normalverdiener erschwinglich. Zuerst hatte der Kölner Apotheker Erik Tenberken gemeinsam mit Generikahersteller Hexal ein Blisterprojekt gestartet, um das Präparat zu vertretbaren Preisen abgeben zu können. Ende November 2017 hatte Ratiopharm dann die Preise drastisch gesenkt: Statt 556,33 Euro kostet die 30er-Packung seit Dezember nur noch 69,90 Euro. Mehrere Hersteller zogen seitdem nach.

Tenberken ist Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft HIV- und Hepatitis-kompetente Apotheken (DAHKA) und begrüßt die Entscheidung: „Gesundheitsminister Spahn setzt das richtige Signal: Die PrEP ist eine große Chance für die HIV-Prävention in Deutschland. Sie gehört bei Ärzten und Apothekern konsequenterweise in Spezialistenhände.“ Dr. Axel Baumgarten, Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (dagnä), sagte: „Wichtig für die PrEP sind Qualität und Beratung. Eine Lösung über Bundesmantelvertrag und EBM ist deshalb sinnvoll – nicht nur bei HIV, auch bei anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI).“

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