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Sanicare: „Verrat und Intrige“

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Berlin -

Im Streit um Sanicare kommen Details über die Abhängigkeiten ans Licht, in die der frühere Inhaber Dr. Volkmar Schein offenbar geraten war. Ingrid Schein, die Witwe des im Juli 2016 verstorbenen Apothekers, streitet mit den Protagonisten aus Bad Laer vor Gericht. Ihre Anwälte werfen der Gegenseite vor, bei Sanicare intrigiert und Schein in den Ruin getrieben zu haben. Im Zentrum steht der kaufmännische Leiter, Detlef Dusel.

Schein hatte Sanicare 2013 nach dem Tod des Gründers Johannes Mönter aus dem Nachlassinsolvenzverfahren zu einem Preis von 5,1 Millionen Euro erworben. Am 30. Juni 2014 wurde Sanicare überraschend in eine offene Handelsgesellschaft (OHG) umgewandelt. Schein übertrug 50 Prozent der Anteile an der BS-Apotheken OHG an Apotheker Christoph Bertram – ohne Gegenleistung.

Am 4. November 2015 wechselten weitere 45 Prozent den Besitzer, wiederum unentgeltlich. Zwischen den beiden Apothekern sei es in der Folgezeit zu erheblichen Diskrepanzen gekommen, sagt Roya Comtesse, Anwältin von Scheins Witwe. Bertram sei dazu übergegangen, eigenmächtig über Vermögenswerte zu verfügen und vollendete Tatsachen zu schaffen – dies alles mit dem Ziel, einen neuen Gesellschafter aufzunehmen.

Letzten Endes sollte Schein aus der Apotheke gedrängt werden, sagt Comtesse. Bertram habe sich auf die Vereinbarung aus dem November 2015 berufen, in der er sich laut Anwältin eine Option zur Übernahme der letzten 5 Prozent hatte einräumen lassen. Schein zog sich aus dem operativen Geschäft zurück und kehrte an seinen alten Wohnsitz ins saarländische Losheim zurück. Am 28. Juli 2016 verstarb er im Alter von 56 Jahren durch Suizid.

Seine Witwe will die geschlossenen Verträge für ungültig erklären lassen. Ihr Mann habe sich spätestens ab Juni 2014 in einem Zustand der Geschäftsunfähigkeit befunden wegen einer psychischen Störung. Über Monate hinweg sei er krank geschrieben und zum Großteil auch stationär psychiatrisch betreut worden. Jedenfalls hätte er nicht ohne ihre Zustimmung über das gemeinsame Vermögen verfügen dürfen; die unentgeltlichen Übertragungen der Anteile seien damit unwirksam. Die Sache liegt noch vor dem Familiengericht.

Die Auseinandersetzung wird mit zunehmender Härte geführt. „Verrat und Intrige“, heißt es aus dem Umfeld der Witwe. Nicht nur, dass ihr Mann um die Vermögenswerte gebracht wurde – mittlerweile sieht sie sich mit hohen Forderungen der Gegenseite konfrontiert. Bertram, die OHG sowie verschiedene Firmen aus dem Umfeld von Sanicare fordern Geld. Diese Unternehmen gehören direkt oder indirekt Dusel und verfügen über Genussrechtskapital, das offenbar zur Finanzierung von Sanicare genutzt wurde.

Durch diese Konstruktion könnte Schein in eine Abhängigkeit geraten sein. Noch zu seinen Lebzeiten erwirkte laut Comtesse eines jener Unternehmen im Mai 2016 bei Gericht einen Titel über einen Betrag von 325.000 Euro, der angeblich aus dem Negativkapitalkonto des Apothekers bei der BS-Apotheken OHG resultierte. Die genaue Höhe der vermeintlichen Schulden sei nicht bekannt, da die OHG sich trotz mehrfacher Aufforderung weigere, konkrete und nachvollziehbare Auskunft zu erteilen.

Dafür machte im Dezember eine weitere Firma Dusels 700.000 Euro zuzüglich 145.000 Euro Zinsen geltend, die mit einem angeblichen Darlehen aus dem Jahr 2013 begründet werden. Von zwei anderen Unternehmen werden noch einmal mehr als 1,2 Millionen Euro gefordert. Parallel hat Bertram ein Darlehen aus dem Jahr 2013 über 100.000 Euro zuzüglich 20.000 Euro Zinsen fällig gestellt. Die OHG fordert schließlich 1,5 Millionen Euro.

Scheins Witwe hat ihrerseits auf Rückzahlung von Inhaberschuldverschreibungen gegen zwei von Dusels Firmen geklagt; die Beträge entsprechen aber nur einem Bruchteil der Forderungen der Gegenseite. Außerdem hat sie die Zustimmung zur Eintragung von Heinrich Meyer als zweitem Apotheker bei Sanicare beim Handelsregister verweigert; auch dieser Fall liegt mittlerweile vor Gericht. Die Apothekerkammer hat Meyer gerade die Betriebserlaubnis erteilt.

Doch nicht nur mit den ehemaligen Kompagnons ihres Mannes hat die Witwe Probleme, sondern auch mit der Sparkasse Osnabrück. Obwohl ihre Mandantin als Alleinerbin in die Rechtsnachfolge ihres Mannes eingetreten sei, würden ihr Auskünfte über die Kontenstände der OHG sowie offene Forderungen verweigert, so Comtesse. Konkret geht es um einen sechsstelligen Betrag, der aus einer Lebensversicherung ausgezahlt und durch die Sparkasse zur Verrechnung eingezogen wurde.

Selbst von der Apothekerkammer fühlt sich Scheins Witwe im Stich gelassen. Ein Antrag, einen Vertreter für ihren verstorbenen Mann zu bestellen, sei abgewiesen worden mit dem Hinweis, dass die OHG über einen aktiven Apotheker als geschäftsführenden Gesellschafter verfüge.

Dabei habe man genügend Material zusammengestellt um zu beweisen, dass die Apothekenführung bei Sanicare maßgeblich durch Dritte beeinflusst werde, so Comtesse. In diesem Zusammenhang könnte auch eine Rolle spielen, dass Markenrechte und Domain seit vergangenem Jahr nicht mehr der OHG, sondern einen weiteren Firma ihres kaufmännischen Leiters gehören. In den verschiedenen Verfahren rund um Sanicare könnte noch viel brisantes Material ans Licht gespült werden.

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