Sanicare mit neuem Chef

„Versandapotheken sind heute Logistiker"

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Berlin -

Bei Sanicare stehen die Zeichen auf Neustart. Die beiden OHG-Partner Christoph Bertram und Heinrich Meyer haben sich Marcus Diekmann als Chief Strategy, Digital & eCommerce Officer an Bord geholt. Der frühere Geschäftsführer von Rose Bikes soll dem Versender zum Comeback verhelfen – und einen strategischen Investor finden.

Diekmann ist neuer CSO bei Sanicare.Foto: Anna Voelske

Sanicare gehört zur BS-Apotheken OHG, die von Bertram und Meyer geführt wird. Wie bei anderen Versendern hierzulande ist der eigentliche Apothekenbetrieb eingebettet in ein Netzwerk verschiedener Kapitalgesellschaften, über die beispielsweise der Einkauf abgewickelt wird oder die etwa die Markenrechte oder die Domain gehalten wird.

Hier war bei Sanicare lange Zeit der frühere kaufmännische Leiter Detlef Dusel an Bord, doch Bertram und Meyer ist es offenbar gelungen, ihren früheren Partner abzulösen. Jedenfalls ist mit Diekmann jetzt ein neuer Partner an Bord, der nicht nur die betriebswirtschaftliche und strategische Leitung übernimmt, sondern auch mit einem kleinen Paket zum Mitgesellschafter gemacht wurde.

Als Geschäftsführer hatte er ab 2019 den Fahrradversand „Rose Bikes“ groß gemacht, sein Zwischenstopp bei Peek & Cloppenburg währte dagegen 2022 nur einige Monate. Danach war er für Shopware tätig. Außerdem ist er als Berater und Beirat aktiv, etwa bei Armedangels und Vonmählen. Und er betreut eine Reihe kleinerer eigener Investments.

Auch der Kontakt zur Apothekenbranche kam über ein Beratermandat zustande: Gemeinsam mit Bertram ist Diekmann im Beirat von Dr. Loges. Kurz nach Weihnachten wurde man sich handelseinig. Seit Jahresbeginn hat sich der aus Coesfeld kommende Manager – hier ist seine Frau Bürgermeisterin – die Strukturen und Prozesse in Bad Laer angesehen und ein Bild gemacht.

Geld vs. Innovationskraft

Das E-Rezept führe im Apothekenmarkt zu einem fundamentalen Umbruch, von dem die Versender in besonderem Maße betroffen seien, so seine Analyse. Einerseits eröffne sich hier ein neues Segment, andererseits investierten Anbieter wie Shop Apotheke und DocMorris Millionen in Werbung, auf diesem Niveau könnten kleinere Player gar nicht mitspielen. „Man braucht entweder Geld oder Innovationskraft“, so sein Schluss.

Daher ist eine seiner Aufgaben auch, einen strategischen Investor an Bord zu holen. Hier hatte Sanicare in der Vergangenheit bereits mehrere Anläufe unternommen, unter anderem waren Arvato und Marcol im Gespräch. Einen Ausverkauf soll es diesmal nicht geben, man suche auch keinen Partner, der auf schnellen Profit schiele. „Wir wollen ein deutsches Familienunternehmen bleiben“, so Diekmann.

Einstweilen soll der 45-Jährige Maßnahmen umsetzen, um Sanicare erfolgreich am Markt zu positionieren. In diesem Jahr soll der Umsatz von aktuell knapp 90 auf mehr als 100 Millionen Euro steigen. Dabei setzt er auf smarte Lösungen, Nähe zu den rund 400.000 aktiven Kundinnen und Kunden sowie einen Social-First-Marketingansatz. Ein besonderer Fokus wird auf die App gelegt, die erst im Herbst um die CardLink-Funktion erweitert wurde und in diesem Zusammenhang bislang keine große Rolle spielt. Sie soll für Nutzerinnen und Nutzer zur zentralen Anlaufstelle für Gesundheitsberatung, Medikamentenbestellung und smarte Empfehlungen werden. Auch KI soll eine Schlüsselrolle spielen.

Versender liegen Jahre zurück

„Die Versandapotheken machen alle einen guten Job, aber sie liegen zehn Jahre hinter anderen Branchen.“ Google-Ads etwa spielten heute in diesen Bereichen nicht mehr die Rolle, die sie im Apothekenmarkt noch hätten. „Versandapotheken sind heute reine Logistiker. Aber wir müssen sie in den sozialen Medien als echte Berater und Begleiter positionieren.“ Das Stichwort lautet „Love Brand“. Diekmann bringt mit Paula Greulich als Lead Brand & UX und PR-Beraterin Vera Vaubel zwei Bekannte mit.

Kooperation mit Apotheken

Und auch eine Verzahnung mit stationären Apotheken will er aufbauen, um so eine optimale Kundenversorgung zu gewährleisten. Selbst Zalando kooperiere mit dem stationären Handel; im Apothekenmarkt gebe es ebenfalls genügend Platz für alle. Deshalb will er aus seinen Plänen auch gar kein Geheimnis machen: Wer Interesse habe, sei herzlich eingeladen mitzumachen. Er glaubt, dass dieser Ansatz funktionieren kann: Schon bei seinem Konzept „Händler helfen Händler“ während der Pandemie hätten rund 100 Kolleginnen und Kollegen mitgemacht.

Sanicare will in diesem Jahr mehr als 100 Millionen Euro Umsatz erzielen.Foto: Sanicare

Dass bislang nur so wenig Apotheken auf der Plattform von Sanicare mitmachten, sei eher dem Umstand geschuldet, dass man zu früh dran gewesen sei. „Ich setze immer auf Zusammenarbeit mit dem Handel. Deshalb werden wir Apotheken nicht als Konkurrenz sehen, sondern als Partner. Gemeinsam können wir den Menschen die beste Gesundheitsversorgung bieten. Kooperationen mit stationären Apotheken und deren smarte Integration in unsere digitale Strategie sind daher zentrale Bausteine unseres Erfolgsplans.“

Diekmann ist voller Tatendrang; dass er die Chance auch für sich persönlich nutzen will, merkt man ihm an: „Das ist mit Abstand die spannendste, aber auch herausforderndste Aufgabe meiner Karriere“, sagt er. „Unsere Herausforderung ist groß, aber unsere Chancen sind es auch. Wir werden zeigen, dass Innovation, Geschwindigkeit und Nähe zu den Kund:innen entscheidende Faktoren sind, um in einem sich wandelnden Markt nicht nur zu bestehen, sondern ihn aktiv mitzugestalten.“

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