Verlinkte Onlineshops

Sanicares Plattförmchen

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Berlin -

Versender suchen die Nähe zur Apotheke vor Ort: DocMorris will die Partner auf den Marktplatz locken, Konkurrent Shop-Apotheke arbeitet mit Brückenkopf-Apotheken für Expresslieferungen. Hierzulande gibt es bereits seit einigen Jahren ein allerdings wenig beachtetes Projekt von Sanicare. Die Versandapotheke aus dem niedersächsischen Bad Laer wickelt über die Plattform Versandvernetzt.de Bestellungen für kooperierende Apotheken ab. Ein Provisionsgeschäft mit etwas unscharfen Grenzen.

Die Apotheke in der MED aus Mainz verfügt wie viele Apotheken über einen Onlineshop. Zumindest entsteht dieser Eindruck auf der Internetseite der Apotheke von Inhaberin Josefine Kros. Über das entsprechende Feld gelangt man allerdings in den Shop von Versandvernetzt. Auf der Startseite prangt prominent das Logo der Partnerapotheke.

Doch die Seite sieht dem Onlineauftritt von Sanicare nicht nur zum Verwechseln ähnlich, die Versandapotheke steht auch im Impressum. Und wer über das Kontaktfeld „pharmazeutische Beratung zu einem Produkt“ wünscht oder „Fragen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen, Kontraindikationen oder Wechselwirkungen“ hat, wird an „unsere pharmazeutischen Fachkräfte“ verwiesen, per Mail an [email protected].

Im Bestellprozess ist von Sanicare dagegen nichts zu sehen. Es bleibt das Logo der Partnerapotheke eingeblendet, während der Kunde den AGB des Versenders zustimmt. Auch die Bestellbestätigung schickt das „Team der Sanicare-Apotheke“ von der Mail-Adresse der Versandapotheke. In der Lieferung gibt es schließlich überhaupt keinen Hinweis mehr auf die Apotheke vor Ort, die Rechnung kommt von Sanicare. Dafür kann man sich mit dem angelegten Login über jede Versandvernetzt-Apotheke anmelden und bei Sanicare bestellen.

Dieses Verwirrspiel für den Kunden wird bewusst in Kauf genommen, damit den kooperierenden Apotheken eine eigene Online-Lösung angeboten werden kann: „Es wird vom Kunden als Shop der Apotheke wahrgenommen und ist nicht als Sanicare erkennbar“, erklärt Andreas Jeske, Vorstand bei Pharm-Net. Die Gruppe steht zwischen Sanicare und den teilnehmenden Apotheken. Vorstand ist der ehemalige kaufmännische Leiter von Sanicare, Detlef Dusel.

Für die Teilnahme zahlen Apotheken eine monatliche Gebühr von 150 Euro. Dafür erhält sie 6 Prozent der vermittelten OTC-Umsätze. Auf diese Weise sollen beide Seiten profitieren: Die Apotheke spart sich den Aufwand, einen eigenen Onlineshop aufzubauen und zu pflegen und haftet nicht für die Inhalte. Sanicare kassiert nicht nur die Monatsgebühr, sondern macht auch mit der Provision keinen Verlust: 6 Prozent des Umsatzes geben Versender durchschnittlich auch mit anderen Maßnahmen für die Kundengewinnung aus. Das Rx-Geschäft ist derzeit bei Versandvernetzt noch ausgeklammert, laut Jeske wird aber mit Einführung des E-Rezepts an einer Lösung gebastelt.

Den teilnehmenden Apotheken wird versprochen, dass ihnen über Versandvernetzt keine Kunden weggenommen werden. Dem Kundenkonto wird die Apotheke zugewiesen, auf diese Weise sollen auch alle künftigen Umsätze mit der Provision bedacht werden, auch wenn der Kunde direkt auf die Sanicare-Homepage kommt. Aus datenschutzrechtlichen Gründen erfährt die Apotheke aber nicht die Details der Bestellung, sondern muss auf die Korrektheit der gemeldeten Umsätze vertrauen. Es stimmt also nur zum Teil, dass „es zu jeder Zeit ‚Ihr‘ Kunde“ bleibt, wie es in einer Präsentation des Konzepts heißt.

Verwirrt werden auch interessierte Apotheken im B2B-Bereich. Denn „Ingeborg Schneider, Apothekerin“, die auf der Versandvernetzt-Homepage mit „Jetzt bin ich auch über meinen eigenen Onlineshop für meine Kunden erreichbar“ zitiert wird, gibt es in Wirklichkeit gar nicht. Das Foto stammt aus einer Bilddatenbank, Titel: „Happy russian female pharmacist posing in drugstore.“ Und die vermeintliche Kundin Christina W. ist das Stockfoto „Young woman with laptop at home.“ Eine Randnotiz, aber nicht eben vertrauensbildend.

Zur Kooperation mitbringen müssen die Apotheken nur eine eigene Homepage – und auch dabei hilft der Versender bei Bedarf. Binnen zwei Wochen wird dann der individualisierte Onlineshop freigeschaltet. Flyer und Gutscheine sollen bei der Akquise am HV-Tisch helfen. Im vergangenen April – mitten im ersten Corona-Lockdown – wurde Versandvernetzt von Pharm-Net noch beworben: Es werde zu einer „dauerhaften Verschiebung im Markt zugunsten des Versandhandels“ kommen. Dieser Trend werde sich kaum wieder umkehren, so die Prognose.

Jeske gibt zu, dass das Modell in den ersten Jahren noch nicht aus seinem Dornröschenschlaf erwacht ist. Nach seinen Angaben haben sich bundesweit 40 Apotheken bei Versandvernetzt angeschlossen, zu den Umsätzen wollte er auf Nachfrage keine Angaben machen. Natürlich verlinkt die Linden-Apotheke von Caroline Bertram auf Versandvernetzt – Christoph Bertram ist Chef des Versenders.

Eine Handvoll weiterer Apotheken werden auf der Versandvernetzt-Homepage als „Auswahl“ angezeigt: Kros‘ Apotheke in Mainz, die Gartenfeld Apotheke von Kristina Gand (geb. Kros) sowie zwei Apotheken von Anne Moeckel. Deren Hirsch-Apotheke – ehemals im Besitz des 2016 verstorbenen Sanicare-Chefs Dr. Volkmar Schein – verlinkt aber gar nicht erst auf Versandvernetzt, sondern direkt zu Sanicare. Die Stadtapotheke in Ingolstadt ist nach Angaben des Inhabers schon vor Jahren ausgestiegen, weil sich das Modell trotz Gratisjahr überhaupt nicht rentiert habe.

 

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