ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Einen Glühwein, zwei Masken bitte

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Berlin -

Liebe Leserinnen und Leser, treue ApoRetrO-Fans, jede Woche versuche ich an dieser Stelle, Sie mit ein bisschen Satire zu kitzeln, dem Alltäglichen das Groteske abzulauschen und den wechselnden und wiederkehrenden Beschwernissen Ihres Berufsalltags etwas Lustiges abzugewinnen durch Überspitzung. Nun, zum Ende des Jahres muss ich die Waffen strecken. Gegen diese Realsatire kommt keiner an.

Der beste Gesundheitsminister seit Beginn der Pandemie bemerkt nach knapp einem Jahr Pandemie und zwei schlanke Wochen vor Weihnachten, dass FFP2-Masken ihre Träger schützen. Die sollen jetzt schnell unters Volk. Verordnung folgt (und gilt dann rückwirkend). Alles gut bis hierhin, jeder will Risikopatienten schützen. Die Bummelei packen wir auf die Liste der Dinge, die wir einander später werden vergeben müssen (Google-Deal).

Was den Apothekern das Vergeben in diesem Fall trotz Stress erleichtern wird, ist die durchaus anständige Honorierung. Kann sich auch keiner ausdenken: Vier Jahre strampeln die Apotheker, damit sie mit den Kassen über pharmazeutische Dienstleistungen im Wert von 150 Millionen Euro streiten dürfen und jetzt werden in wenigen Monaten 2,5 Milliarden Euro für Masken ausgegeben, woran die Apotheken vermutlich mehr verdienen können als am GKV-zertifizierten Medikationscheck. Viel Arbeit ist es trotzdem, auch weil nur mit Anleitung ausgeeinzelt werden darf und jede Strichliste aufbewahrungspflichtig ist. Die erste Kohle ist unterwegs.

Das nächste Paradoxon: Jeder Inhaber kann theoretisch über seinen eigenen Verdienst selbst bestimmen. Einige Dumpfbacken entwickeln eine plötzliche Leidenschaft für die Bonpflicht und verschenken Masken nur widerwillig bis höchstens 10 Uhr vormittags, dann sind die Lager erstmal wieder leer. Man soll auch nicht ungerecht sein, es warten wirklich Apotheken auf Ware. Aber auch wenn die Nachfrage gerade verrückt hoch ist: Ich höre von zu vielen Apotheken, die spontan große Mengen nachgeliefert bekommen, um an echte Engpässe glauben zu können.

Trotzdem werden die „Berechtigten“ offenbar vielerorts an die Kollegen verwiesen, wie es sonst auch nur bei kniffligen Rezepturen oder Astrohochpreisern passiert. Dort wundert man sich zwar über die vielen neuen Gesichter, darf aber niemals nie das Wort Stammkunden in den Mund nehmen, weil sonst die Kammer mahnend an den Wortlaut der Verordnung erinnert. Also werden die Masken herausgegeben wie nichts Gutes: „Und ich bin verrückt, ich pack‘ auch noch `n Aal dazu.“

Von mir aus, bis dahin wäre ich ja noch irgendwie mitgekommen. Aber als dann bekannt wurde, dass eine Apotheke schon einen Tag früher mit dem Maskenverschenken angefangen hat und deswegen auch noch von einer anderen Apotheke abgemahnt wurde, war mir klar, dass es keine weitere Satire mehr braucht in dieser Woche.

Eine ganz wunderbare Apothekerin sagte mir verwundert: „Wenn man sich überlegt, was die Menschen sonst an Geld auf den Weihnachtsmärkten lassen – und jetzt stehen die hier Schlange für drei Masken.“ Andererseits: Wenn man den Leuten Coupons für drei Glühweine ausstellen würde, gäbe es vermutlich ein ähnliches Gedränge. Können wir ja nächstes Jahr versuchen, wenn die Pandemie hoffentlich besiegt ist.

Die pharmazeutischen Dienstleistungen hatte ich oben schon erwähnt. Die können jetzt wirklich kommen. Denn das Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) ist in Kraft getreten. Und mit ihm das Rx-Boni-Verbot. Letzteres hat als Reaktion auf das EuGH-Urteil von 2016 so lange auf sich warten lassen, dass die ApoDiscounter-Familie den Startschuss glatt überhört hat. Halb so wild, DocMorris wird im Navi unter „Meine Ziele“ sowieso wieder auf den Favoriten Luxemburg tippen und das VOASG auf seine Binnenmarktskonformität prüfen lassen.

Dabei setzt DocMorris doch gar nicht mehr auf Rabatte, Rabatte, Rabatte. Mit dem kleinen Plus im Namen wurde gestern der Markplatz feierlich eröffnet. Über die Plattform will der Versender nicht nur Rezepte bei Onlineärzten ausstellen lassen, sondern auch vor Ort mit Apotheken kooperieren. Michael Grintz, Frank Füßl und Dirk Düvel machen schon mal mit. Ich weiß, Namenswitze macht man nicht, aber die Kombination klingt das schon ein bisschen nach einer Benjamin Blümchen-Folge, oder?

Dieser Kollege wird sich vermutlich nicht anschließen. Er hat dem frech bekennenden DocMorris-Fan nicht einmal die Masken schenken wollen. Die Dame marschierte zur Lokalpresse – doch das hat dem Apotheker nur Zuspruch gebracht. Er ist nicht der Einzige, der so verfährt, doch das Thema wird unter dem Beitrag heiß diskutiert. Wir ist Ihre Meinung?

Im neuen Jahr gibt es dann eine neue Maskenregelung. Die Risikopatienten bekommen Coupons und dafür zweimal sechs Masken. Die Apotheke zweimal 36 Euro. Hier sind die Pläne der Abda, wie die Abrechnung funktionieren soll. Klingt eigentlich sehr vernünftig, das Geld sollte schnell da sein. Und ich glaube gar nicht, dass so viele Leute die Berechtigungsscheine an die Versandapotheken schicken werden, die in der deutlich entspannteren Phase 2 auch mitwirken dürfen.

Parallel wird das Coronavirus systematisch bekämpft: Ab dem 27. Dezember soll geimpft werden, natürlich die besonders Gefährdeten zuerst. Gesundheitsminister Spahn hat den Plan samt Reihenfolge vorgestellt. Wir müssen uns noch ein bisschen gedulden und Weihnachten einmal im ganz ganz kleinen Kreis feiern, dann können wir hoffentlich im nächsten Jahr zusammen über die Maskenverteilaktion lächeln. Bis dahin: Durchhalten! Und einen schönen 4. Advent!

 

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