ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Ein unmoralisches Angebot

, Uhr
Berlin -

Apotheken schließen – oder werden zu Filialen. Der anhaltende Markttrend führt dazu, dass immer öfter Apothekenverbünde den Inhaber wechseln. Aber dann ist es gar nicht so leicht, einen Abnehmer dafür zu finden. Spahn‘sche Zeiten führen zu besonderen Maßnahmen: Inhaber verhökern ihre Betriebsstätten wie Ramschartikel: NIMM 4, ZAHL 2.

Die eigene Apotheke ist für viele auch eine Altersvorsorge. Wenn der eigene Nachwuchs nicht zur Übernahme bereitsteht, weil er a) andere Pläne hat oder b) gar nicht erst vorhanden ist, dann kann man zumindest zum Renteneintritt noch einen schönen Gewinn mitnehmen. In der Theorie. In der Praxis schließen die meisten Apotheken, weil der Inhaber keinen Nachfolger findet, weil die Praxis nebenan auch keinen Nachfolger gefunden hat.

Diese Sorge hatte Rainald M. nicht. Seine Apotheken laufen gut, die Lage stimmt, Ärzte sind da, Parkplätze auch. Sein Problem ist eher, dass die Apotheken zu gut laufen. Die bekommt er doch nie wieder los. Welche 26-jährige Frischapprobierte möchte sich denn gleich vier Apotheken ans Bein binden? Und wenn sie es denn möchte, welche Bank gibt ihr das Geld dazu, solange Minister Spahn noch damit droht, die Apotheken stärken zu wollen. Die Apobank besorgt sich ja schon selbst frisches Geld.

Den mühsam aufgebauten Filialverbund jetzt wieder zu zerschlagen, kommt nicht infrage. Erstens, weil es viel zu schade wäre, das eigene Lebenswerk zu filetieren und die Apotheken einzeln zu verkaufen und weil die Filialen zweitens so gut „vernetzt“ sind, dass sich der Pharmazierat zur Rezepturprüfung hoffentlich anmeldet. Daher die Idee mit der Anzeige: „Große Filialschlacht! Beim Kauf von vier Apotheken bekommst du die beiden umsatzschwächsten gratis!“

Damit holt man auch die Schnäppchenjäger ab. Rainald M. weiß aus seiner Zeit als Apotheker, dass es denen eher um das Angebot geht als um den Preis. Und in einem Filialverbund zwei Apotheken klein und die beiden anderen groß zu rechnen, dürfte für den Steuerberater wohl machbar sein. Damit könnte das Angebot sogar für Kollegen interessant sein, die schon eine oder zwei Apotheken haben. Die können die Gratisbeigaben dann einfach direkt nach Übernahme schließen und haben trotzdem zwei schöne Standorte gewonnen.

Das mit der 4-2-Anzeige ist natürlich frei erfunden, das letzte mit den Apotheken zum Schließen nicht. Knut Sabelus hat sich in Königs Wusterhausen zwei neue Filialen zugelegt. Zu Ende Juni übernimmt er die beiden Standorte und macht sofort dicht. Sie lohnen sich nach seiner Auskunft nämlich doch nicht. Kann sein, dass man sowas übersieht. Und überhaupt, er hat auch schon vier Apotheken, von denen eine in Königs Wusterhausen residiert. Daher ist der Gedanke, hier habe Konkurrenz weg- und Personal eingekauft, vermutlich keine Verschwörungstheorie.

Geht aber noch extremer: Das Apothekerehepaar Velec hat nur eine Apotheke – zu verschenken. Bitte hier aber das Kleingedruckte beachten: Die Apotheke soll für fünf Jahre vermietet werden, bevor sie an den neuen Besitzer übergeht. Der neue Inhaber soll aber ein Betriebskapital von 50.000 bis 60.000 Euro für die ersten Wochen mitbringen. Die Inneneinrichtung ist toll und das Team bestimmt auch.

Denn jeder Inhaber weiß ja, wie schwer das mit der Personalsuche heute ist. Eine ungewohnte und damit wohl erfolgreiche Variante hat die Antonius-Apotheke in Wegberg gezeigt: Die „knurrige Chefin“ und ihr „Zickenteam“ „haben auf nichts Lust und meistens auch keine Ahnung“. Deshalb suchen sie Verstärkung. Wir würden das gerne übernehmen: Wenn Sie auch nicht schreiben können und Ihnen Fakten nicht so viel bedeuten, bewerben Sie sich gerne als Redakteur/in unter [email protected] – nur bitte nicht zu meinen Händen, ich kann nicht so gut lesen.

Aber wir müssen nochmal auf das Verschenken von Apotheken zurückkommen. Geht das überhaupt noch nach dem nächsten Boni-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Immerhin lagern in der Apotheke verschreibungspflichtige Arzneimittel – und die sind preisgebunden. Am besten fragen wir Rechtsanwältin Christiane Köber von der Wettbewerbszentrale. Die kann auch erklären, wann Taschentücher illegal sind. Bis sich das herumgesprochen hat, wird es am HV-Tisch noch schöne Dialoge wie diesen hier geben.

Trösten Sie sich: Die Debatte über Traubenzucker lenkt vielleicht von den Lieferengpässen ab. Die erreichen gerade mal wieder neue Dimensionen. Und die Hersteller nehmen das Spiel mit dem Kontingentieren ernst, wie Apotheker Heinz Köppl erfahren durfte. Novartis verweigerte ihm Jakavi, obwohl er ein Rezept hatte. Aber da stand zu viel drauf.

Ein neues Gesprächsthema am HV-Tisch könnte Securpharm sein. Vor allem, wenn das Sicherheitssystem die Grätsche macht. Ist aber alles sehr technisch zu diskutieren. Bleiben Sie lieber bei Homöopathie, da hat wirklich jeder eine Meinung zu – und Satiriker Jan Böhmermann jetzt einen Beitrag geliefert. Alle Homöopathiehersteller -freunde und -verfechter mögen uns nachsehen, dass wir hier kurz gefeiert haben, als APOTHEKE ADHOC im Neo Magazin Royal zitiert wurde. Nächstes Etappenziel: Eine Erwähnung durch Nico Semsrott im EU-Parlament.

Hierzulande leidet Minister Spahn an seinem Apothekenstärkungsgesetz. Er will es noch ins Kabinett einbringen, aber aus der Fraktion ist schon zu hören, dass man keine Lust mehr hat. Gesetze kommen ja bekanntlich nie so aus dem Bundestag heraus, wie sie hineingekommen sind. In diesem Fall kommt es vielleicht nie wieder raus. Denn wer weiß denn heute, wie lange die Koalition überhaupt noch hält und ob wir nicht vielleicht demnächst wieder wählen. Und jetzt halten Sie sich fest: Die Apotheken würden derzeit mehrheitlich die Grünen wählen! Grüße an Biggi Bender.

Ich werde jetzt nicht ganz am Schluss noch auf die ABDA einschlagen, nur weil die Vorstände sich mehr Geld verordnen. Das wäre zu billig. Und der Job ist bestimmt nicht immer lustig. Aber Leute, das Timing?

„Spiel, Satz und Sieg“ ist das Ziel von Noventi. Deswegen hat man sich die Namensrechte am Tennisturnier gekauft und eine E-Rezept-Lounge eingerichtet. Dr. Hermann Sommer erklärt, was Roger Federer mit der Rezeptabrechnung zusammenbringt. Wenn Sie sich ein Spiel in Halle ansehen wollen: Nehmen Sie ein Mittel gegen Mücken mit, vielleicht Antibrumm, gibt’s zum Dauertiefpreis gerade bei Müller… Schönes Wochenende!

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr aus Ressort
„Jeder Enttäuschung geht eine Erwartung voraus“
Paartherapie für OHG-Apotheker
Wegen Störung: Kein Antibiotikum fürs Kind
E-Rezept: Apotheker fordert Anschubfinanzierung
„Zunächst heißt es abwarten“
Pflege-HiMi: Kassen kündigen Versorgungsvertrag

APOTHEKE ADHOC Debatte