Frust in der Union

Auf der Kippe: Spahns Apothekengesetz in Gefahr

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Berlin -

Für den 19. Juni hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sein Apothekenstärkungsgesetz eigentlich zur Beratung im Kabinett vorgesehen. Ob die Ministerriege tatsächlich noch vor der politischen Sommerpause darüber beraten wird, steht allerdings in den Sternen. Noch gilt es, rechtliche Bedenken des Bundesjustizministeriums auszuräumen. Aber nicht nur das: Angesichts der nicht abreißenden Kritik aus dem Apothekenlager fragt man sich in den Reihen der Union frustriert, ob eine Verabschiedung überhaupt noch sinnvoll ist. Sogar über einen Rückzieher wurde nachgedacht.

Eigentlich habe man mit dem Apothekenstärkungsgesetz den Apotheken etwas Gutes tun wollen, heißt es bei den Gesundheitspolitikern der Union. Irritiert ist man dort über die immer heftigeren und teils widersprüchlichen Signale von der ABDA. Bei der politischen Diskussion beim Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit verkündetet ABDA-Präsident Friedemann Schmidt noch hoffnungsfroh, er habe den Eindruck, dass man mit Spahn „erhebliche Fortschritte“ machen könne. In vielen Punkten lägen ABDA und Spahn „nah beieinander“.

Das sehen vor allem die Landesapothekerkammern völlig anders: Die letzte BAK-Mitgliederversammlung stellte kategorisch fest, dass man sich mit Spahn keineswegs einig sei über das Apothekenstärkungsgesetz. Eine entsprechende Resolution zu verabschieden, traute man sich zwar nicht. Dafür griff PZ-Interims-Chefredakteur Professor Dr. Theo Dingermann zur Feder und veröffentlichte einen ungewöhnlichen Kommentar in der „Pravda“ der ABDA.

„‚Wir sind uns mit dem Gesundheitsminister nicht einig‘, so lautet das alles andere als triviale Ergebnis einer emotionalen Debatte auf der BAK-Mitgliederversammlung“, schreibt Dingermann. Politisch werde grob missverständlich, in Teilen sogar falsch, argumentiert. So falsch, dass mittlerweile ein „brisantes Klima des Misstrauens“ herrsche, nicht nur innerhalb der Apothekerschaft, sondern auch unter den mit dem Problem befassten Politikern.

Das Signal, dass man mit Spahn keineswegs einig sei, „muss die gesamte Apothekerschaft ebenso hören, wie die Politiker“. So wie der Gesetzentwurf derzeit politisch diskutiert werde, sei er von der Politik zu verantworten, distanzierte sich Dingermann von einem Werk, an dem ABDA-Präsident Schmidt monatelang intensiv mitgearbeitet hat. Die Apothekerschaft trage daher diese Argumentation nicht mit. Damit widerspricht Dingermann auch der in den letzten Monaten stets vom ABDA-Präsidenten vertretenen Einschätzung, dass man mit Spahn ein gutes Gesetz auf den Weg bringen könne. Solch starken Tobak liest man in der PZ nicht allzu häufig.

Gehört wurden die Signale natürlich auch in der Politik. Man habe inzwischen die Lust am Apothekenstärkungsgesetz verloren, heißt es dort. Die SPD hält sich ohnedies nur in der Zuschauerrolle auf. Aber warum sollten CDU und CSU ein Gesetz verabschieden, mit dem in der Apothekerschaft nur schlechte Stimmung gegen die eigenen Parteien gemacht wird, fragt man sich bei der Union.

In unguter Erinnerung geblieben ist in der Union auch das diesjährige DAV-Wirtschaftsforum. Statt die im Apothekenstärkungsgesetz enthaltenen neuen Dienstleistungsoptionen als Chance zu begrüßen, wurde ausführlich über die damit verbundene Mehrarbeit lamentiert. „Wir sind sehr verwundert über die unterschiedlichen Positionen“, heißt es in der CDU/CSU-Fraktion. Nach APOTHEKE ADHOC-Informationen wurde Spahn sogar geraten, das Gesetz zurückzuziehen. Ein Rückzieher dürfte allerdings nicht zu Spahns Politikstil passen. Daher soll das Gesetz trotz allem spätestens im Juli vom Bundeskabinett verabschiedet werden.

Damit läge das Schicksal des Apothekengesetzes in den Händen der Abgeordneten. Und das könnte noch gravierende Folgen haben: Es wird auf die lange Bank geschoben, so lange, dass es Spahns Gesetz am Ende so ergeht wie dem Rx-Versandverbotgesetz von Amtsvorgänger Hermann Gröhe. Es scheitert am Ablauf der Legislaturperiode.

Denn in der Union geht man mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Ende der Großen Koalition noch in diesem Jahr aus. Mal ganz abgesehen von den unkalkulierbaren politischen Folgen der Landtagswahlen am 1. September in Brandenburg und Sachsen und am 27. Oktober in Thüringen, muss die SPD noch eine/n neue/n Parteichef/in küren. Nach Lage der Dinge dürfte nur ein Kandidat Erfolgsaussichten besitzen, der die Große Koalition beenden will. Bei ihrer Wahl zur SPD-Chefin hatte Andrea Nahles nur 66 Prozent erhalten, weil sie für die Große Koalition eingetreten war. Bereits im Januar 2018 hatte sich ein SPD-Parteitag mit nur 56 Prozent für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen ausgesprochen. Selbst eine solche knappe Mehrheit dürfte es aktuell in der SPD nicht mehr geben.

Daher spricht einiges dafür, dass es auch im zweiten Anlauf der Politik nicht gelingt, eine gesetzgeberische Antwort auf das EuGH-Urteil zu finden. Mehr noch: Angesichts er aktuellen Umfragen dürfte es nach einer Neuwahl keine politische Konstellation mehr geben, auf die die Apotheker ihre Hoffnungen setzen können. Am Ende bliebe alles wie es ist: Kein zusätzliches Geld, kein Rx-Versandverbot, keine neuen Dienstleistungen.

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