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Rentner plündern Apothekennotdienst

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Berlin -

Lange hatte der Seniorentreff Silberfuchs tatenlos zugesehen, wie der kleine Heimatort der Mitglieder langsam ausstarb. Sie taten es ja auch, nach und nach. Schlecker, Bäcker und Fleischer sind schon lange fort, doch als auch der Frisör dichtmachte, riss den Rentnern die Hutschnur: Sie gründeten eine Rockerbande und machen seitdem als „The Walking Frames“ den Ort unsicher. Das bekam auch der Apotheker zu spüren.

Das rüdeste, das Gertrude S. in der Markt-Apotheke in H. je gemacht hatte, war nach einer zweiten Apotheken Umschau zu fragen. Das war früher. Doch seit sie das Colour der Walking Frames auf ihre Kutte genäht hat, herrscht ein anderer Ton in der Offizin. Gertrude S. alias „Outlaw Angel“ bekommt nicht nur die Umschau in mehrfacher Ausführung, sondern heute auch die Bikers News gratis.

Die Rocker-Rentner haben zudem durchgesetzt, dass bei ihnen die Rabattverträge außer Kraft gesetzt und Hilfsmittelverträge nicht so eng gesehen werden. Vor allem aber haben sie den Inhaber dazu „überredet“, jede Nacht Notdienst zu schieben – falls mal etwas gebraucht wird. Ein freundschaftlicher Besuch von Gertrude morgens um 1 Uhr mit den übrigen Members der Walking Frames und schon war der Apotheker zu den zusätzlichen Nachtschichten bereit. Auf die Notdienstgebühr verzichtet er gern.

Und er profitiert ja auch selbst davon: Bekommt er wegen Nichtbeachtung der Rabattverträge oder irgendwelcher Petitessen bei der Abgabe einen Retax-Brief, sagt er seinen Outlaws Bescheid. Meist lässt sich in einem vernünftigen Gespräch in der Niederlassung der jeweiligen Krankenkasse alles klären.

Ganz so weit ist der Kreisseniorenrat Ostalb noch nicht. Aber auch im baden-württembergischen Ellwangen brodelt es. Die Vorsitzende des Kreisseniorenrats, Heidi Schroedter, hat nachgezählt: Im August hat nur an 10 von 31 Tagen eine Apotheke Notdienst. „Bedauern und auch Unverständnis“ auf Seiten der Senioren. Bis zur Gründung eines MC (Motorcycle Club) ist es vielleicht auch in Ostalb nicht mehr weit.

Die Apothekerkammer hat reagiert und gegenüber den aufgebrachten Senioren erklärt, dass man das Problem mit zusätzlichen Notdiensten eher verschärfen würde. Denn schon heute seien Landapotheken wegen der vielen Nachtschichten kaum an den Mann zu bringen. Ein ausgeweiteter Notdienst hätte demnach weitere Apothekenschließungen zur Folge, damit sei niemandem geholfen. Zu dem Fall hat sich eine interessante Debatte über Notfälle im Notdienst und das Anspruchsdenken der Bevölkerung entsponnen – die Meinungen gehen auseinander.

Unerfreulich realen Kontakt mit Rockern hatte ein Apotheker in Münster. Weil sich ein Professor der Uniklinik, offenbar ein Geschäftspartner des Apothekers, mit den zwielichtigen Gestalten eingelassen hatte, tauchten diese irgendwann in der Offizin auf und bedrohten ihn. Schließlich zahlte er einen sechsstelligen Betrag an den Professor. Was alles in dem Verfahren vor dem Landgericht Duisburg zu Tage gefördert wurde, klingt nach einem schlechten Film.

Eher im Bereich des gewohnt Kleinkriminellen bewegte sich ein Rezeptfälscher im Raum Wuppertal. Er verlangte das Wachstumshormon Norditropin. Ein aufmerksamer Kollege passte auf und warnte seine Kollegen. Und die aufmerksamen Kollegen machten pflichtschuldig darauf aufmerksam, dass er auf dem gefälschten Rezept die Zuzahlung falsch berechnet habe. Das nenne ich geschulte Wahrnehmung.

Genau im Blick behalten müssen die Apotheker wieder einmal eine BfArM-Liste. Die Charts der Arzneimittelaufsicht führen elf Generika, deren Zulassung ruht. Das ist die schöne Bezeichnung für Arzneimittel, die nach wissenschaftlichem Standard nie hätten zugelassen werden dürfen. Zum Glück für Apotheker und vor allem die Patienten sind einige Präparate ohnehin gar nicht mehr auf dem Markt oder waren es nie.

Andere Produkte sind zwar voll und ganz verkehrsfähig, aber gemessen an ihrer Verfügbarkeit eben doch verkehrsunfähig. Zentiva räumt immerhin sehr offen ein, dass es bei Novaminsulfon-Lichtenstein einen Engpass gibt. Da quasi jede Kasse die Sanofi-Tochter als Rabattpartner wählte, ist jetzt erst einmal Solotanz angesagt. Kassen macht das in der Regel nicht so viel aus, unter dem Strich bringen die Rabattverträge noch immer genug Einsparungen. Der ein oder andere Engpass ist einkalkuliert, nur aus medizinischer Sicht ist die Rechnung etwas komplizierter. Ähnliches Bild bei Metoprolol Tartrat. Zwar wird immer mal wieder ein Schub nachgeliefert. Doch der Markt ist so ausgetrocknet, dass alles sofort „versickert“.

An ihren ganz neuen Verträgen hat zumindest die AOK Rheinland/Hamburg keine ungetrübte Freude: Die Folgen der Zyto-Ausschreibung sind in der Praxis alles andere als erfreulich. Von Apotheker Zeifang hatte sich die Kasse schon kurz vor dem Start getrennt, doch jetzt wollen zwei Apotheker von sich aus das Handtuch werfen, weil die Onkologen zu ad-hoc behandeln wollen. Die Kasse will die Vertragspartner aber nicht so einfach ziehen lassen und rüffelt stattdessen die Ärzte.

Unterdessen hat ein aufgebrachter Krebspatient in seiner AOK Filiale die Mitarbeiterin bedroht. So weit haben es die Kassen schon gebracht. Reaktion: Der Onkologe wurde gefragt, ob er den Patienten aufgestachelt habe. Ein Leserkommentar dazu: „Ich denke einen Patienten, der sieben Stunden auf seine Behandlung warten muss, muss man nicht aufhetzen… Sein Gemütszustand kann sich sieben Stunden lang 'aufbauen'.“

Es sich mit seinen Kunden verscherzen sollte Dr. Christian Machon lieber nicht. Denn auf dem Dorf spricht sich so etwas schnell herum. Und der Apotheker, der sich auch im Vorstand der Bayerischen Landesapothekerkammer für den Berufsstand einsetzt, lebt und arbeitet wirklich auf dem Dorf: Ganze 950 Einwohner hat der Ort Unsleben im unterfränkischen Landkreis Rhön-Grabfeld. Die meisten Kunden duzen Machon. Und solange er die Rockerbanden im Dorf nicht ärgert, sollte alles gut bleiben.

Hobbymäßig interessiert sich auch DocMorris für das Thema ländliche Versorgung. Diesmal soll es ein Abgabeautomat sein. Der Sozialminister des Landes findet die Idee überhaupt nicht gut, obwohl er ein Grüner ist. Aber wahrscheinlich will sich DocMorris auch nur wieder in Luxemburg verklagen lassen und bis dahin ein bisschen im Gespräch bleiben.

Ein Celesio-Weggefährte früherer Tage hat dagegen die Farbe gewechselt: Wolfgang Mähr wird Alliance-Vorstand. Und Konkurrent Phoenix muss sich eine neue Marketingleiterin suchen.

Ganz so schwierig wie für Landapotheken wird sich die Suche schon nicht gestalten. Da reicht zuweilen ein Einstiegsgehalt von 70.000 Euro nicht aus, um die Phips zu einer Bewerbung zu locken. Dabei ist es so schön, in der Apotheke zu arbeiten. 25 gute Gründe, einer davon: „Ich arbeite gern in der Apotheke, weil ich sonntags eh nichts Besseres vorhabe.“ In diesem Sinne: Schönes Wochenende!

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