Was passiert eigentlich, wenn das Online-Geschäft mit Medizinalcannabis wegbricht? Apokalyptische Zustände wegen Hanf-Notstand? Nein, viel besser: Die Apotheke vor Ort wird zur Cannabis-Lounge, zum botanischen Beratungszentrum, zur grünen Insel im deutschen Gesundheitssystem. Weil Cannabis ab sofort nur nach persönlichem Erstkontakt verordnet werden darf, hat Inhaber Winifred Kallmeyer-Zumbruch seine Apotheke umgerüstet.
Vom Verschreiber direkt in die Apotheke – so sieht eine optimale Versorgung mit Medizinalcannabis aus, findet Kallmeyer-Zumbruch. Das Gesamtkonzept seines Betriebs habe er deshalb umgehend an die neuen Umstände angepasst. Seitdem gibt es in seiner Apotheke zwei Warteschlangen; während die eine zum Kassenbereich führt, endet die andere im Beratungsraum – vom Team liebevoll Philosophenschlange genannt.
Während der Andrang hier morgens noch überschaubar ist, geht es in der Mittagszeit so richtig los. „Die ersten Kunden kommen der Erfahrung nach gegen 13 Uhr.“ Dann kann sich der Kundenstrom gut und gerne durch die gesamte Apotheke schlängeln – langsam, bedächtig, wie in einem Naturfilm über wandernde Faultiere. „Manchmal reicht sie auch bis nach draußen – das stört aber keinen. Die Zeit kann man sich rauchend oder vapend vertreiben.“
Diese Warteschlange hat längst ein Eigenleben entwickelt. Es gibt einen inoffiziellen Sprecher (Platz 4), eine handgeschriebene Hitliste der beliebtesten Blütensorten (Platz 7) und eine geduldete Tauschecke für vegane Fruchtgummis und Müsliriegel (zwischen Platz 9 und 10). Hier wird nicht gedrängelt, sondern gewartet – in Zeitlupe, mit kontemplativer Hingabe. Das kollektive Ausatmen beim leisen Vorrücken wirkt wie eine geführte Atemübung; schnelle Bewegungen gelten in diesem Mikrokosmos der Entschleunigung als Fauxpas. Manche Kunden bringen Sitzkissen mit, andere stricken. Es kursieren Gerüchte, dass ein Wartender in der Schlange mit dem Rauchen aufgehört hat; ein anderer soll wieder angefangen haben.
Wer schließlich an der Reihe ist, durchschreitet einen auffälligen, regenbogenfarbenen Faden-Vorhang, der die schwerfällige Schiebetür zum Beratungsraum ersetzt hat. Beim Hindurchgehen betritt man praktisch eine neue Welt: Empfangen von wabernden Dämpfen, einschlägiger Musik und einem tiefenentspannten Inhaber samt PTA. Probieren, riechen, inhalieren: alles gar kein Problem. Der vormals dezent und unaufgeregt eingerichtete Beratungsraum – mit stationärem Blutdruckmessgerät, Beratungsbögen für die Pille danach und diversen Kompressionsstrumpf-Ausstellungsstücken – ist jetzt zu einer regelrechten Beratungsoase geworden.
Diverse Grünpflanzen und Häkel-Behänge geben dem Raum den nötigen Flair, in einer Auslage werden die unterschiedlichen Blüten und Blends präsentiert. Aber nur mit der Ruhe: Zu einer Entscheidung wird hier niemand gedrängt. „Setzen Sie sich erstmal und entspannen Sie sich“ – so wird hier jeder Cannabispatient von Kallmeyer-Zumbruch empfangen, bevor er sich in den großen gemütlichen Ohrensessel fallen lassen darf.
Und während der Inhaber zum zehnten Mal seinen bereits erkalteten Hanfblütentee umrührt, fragt die PTA in Ruhe alle relevanten Informationen ab. „Etwas Besseres hätte uns eigentlich nicht passieren können“, betont Kallmeyer-Zumbruch. Durch den neuen Schwerpunkt seiner Apotheke haben sich ungeahnte Kooperationen ergeben. „Beim örtlichen Bäcker bekommen meine Cannabis-Kunden bei Vorlage des Kassenbons ein süßes Teil gratis, bei der nahegelegenen Tankstelle bunte Tüten für die Hälfte – immerhin regt der Konsum den Appetit ordentlich an“, fügt er zwinkernd hinzu. Vor Proben von CBD-Gels, Cannabis-Kaugummis und weiteren Präparaten kann sich die Apotheke kaum retten – das Geschäft boomt.
Tatsächlich soll Medizinalcannabis laut Gesundheitsministerkonferenz (GMK) nur nach persönlichem ärztlichem Erstkontakt verschrieben werden dürfen. Grund ist der Missbrauch durch Online-Plattformen ohne ausreichende Beratung, die Bundesapothekerkammer (BAK) warnt vor Gefahren für die Patientensicherheit. Und selbst DrAnsay sieht sich mittlerweile als Hüter von Recht und Ordnung und ist vor Gericht gegen Mitbewerber vorgegangen.
Die DAK fordert währenddessen die Rückzahlung von 5,2 Milliarden Euro Corona-Hilfen, die rechtswidrig aus Beitragsmitteln der Pflegeversicherung gezahlt wurden. Ohne Rückzahlung drohen Beitragserhöhungen. Die Bundesregierung soll im Haushalt Mittel bereitstellen, um die Finanzlage der Pflegekassen zu stabilisieren.
Darüber hinaus hat sich ein MS-Patient aus München über gefälschte Quittungen für nie abgeholte Privatrezepte rund 150.000 Euro von seiner Versicherung erschlichen. Er wurde wegen Betrugs in 25 Fällen zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Zu einer Panne kam es in dieser Woche bei Pflasterproben der Marke Moskinto: Das Team der Apotheke am Dreifaltigkeitsplatz in Landshut entdeckte noch rechtzeitig den versteckten „Jetzt bei dm“-Aufdruck im inneren des Pflastermäppchens. Laut Hersteller Apaloo handelt es sich um eine Verwechslung. Nicht nur im Pride-Month zeigt sich das Team Nautilus-Apotheke in Kiel offen queerfreundlich. Dafür wird es von einigen Kundinnen und Kunden kritisiert – in dieser Woche auch öffentlich im Netz.
In diesem Sinne: Schönes Wochenende!
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