BMG-Datenaffäre

Taktik, Täuschung und ein altes Lied

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Berlin -

Der Prozess um die Datenaffäre des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) kommt seit Wochen nicht so recht voran. Heute haben die Richter am Landgericht Berlin über einige Beweisanträge der Verteidigung (aus dem März!) entschieden. Ansonsten war der Verhandlungstag geprägt von einem Schlagabtausch des Staatsanwalts Dr. Holger Brocke und Professor Dr. Carsten Wegner, dem Verteidiger von Thomas Bellartz.

In dem Verfahren geht es um einen mutmaßlichen Datendiebstahl aus dem BMG. Ein ehemaliger IT-Administrator des Ministeriums soll E-Mails kopiert und an Bellartz verkauft haben. Beweise dafür wurden an bislang 24 Verhandlungstagen allerdings nicht vorgelegt. Da auf den bei Bellartz beschlagnahmten Geräten nichts gefunden wurde und auch der leitende Ermittler keine Angaben zu den vermeintlichen Übergaben machen konnte, dreht sich das Verfahren seit Wochen um prozessuale Fragen.

Die Verteidigung hat diverse Pannen und Ungereimtheiten auf Seiten der Ermittler moniert und zuletzt die Befragung der zuständigen Beamten bei der Staatsanwaltschaft beantragt. Sitzungsvertreter Roland Hennicke hält er für unzureichend vorbereitet. Staatsanwalt Brocke – Hennickes Urlaubsvertretung – lehnte die Anträge in seiner heutigen Stellungnahme ab. Die bisherige Hauptverhandlung gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Hennickes Verhalten in irgendeiner Art und Weise einen Verfahrensfehler begründen könnte, der Auswirkungen auf den Straf- oder Schuldspruch haben könne. Bellartz‘ Anwalt verfolge womöglich „prozessfremde Ziele“.

Wegner wies dies zurück: Die Verteidigung verfolge natürlich keine prozessfremden Ziele, sondern bemühe sich lediglich, den Sachverhalt aufzubereiten. Dazu gehörten aber eben auch „ermittlungsbehördliche Defizite und formelle Verfahrensfehler“. Und davon hat die Verteidigung in den vergangenen Monaten etliche aufgezeigt.

Wegner kann sich nicht vorstellen, dass ein bewusstes Verschweigen und Vertricksen von Unterlagen, das Heraushalten von Informationen und Dokumenten aus der Verfahrensakte oder das Vorenthalten von Informationen gegenüber der Verteidigung noch während des Hauptverfahrens „Berliner Standard“ sein soll. Er hat aber den Verdacht, dass die „ermittlungsbehördlichen Defizite und Abgründe“ bei der Staatsanwaltschaft und dem Landeskriminalamt (LKA) bewusst geheim gehalten und vertuscht werden sollen. „Ein Problem löst sich nicht dadurch auf, dass man sich Augen und Ohren zuhält“, so Wegner.

Dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungspannen aus der öffentlicher Verhandlung heraushalten wolle, begründet Wegner zufolge den Verdacht, diese würden toleriert. Vor allem entsteht bei Wegner dadurch der Eindruck, „es gebe da noch mehr zu verheimlichen“. Als Beleg für die Voreingenommenheit der Ermittlungsbehörden sieht Wegner unter anderem die schriftlich dokumentierte Einteilung der Zeugen in „gut“ und „nicht gut“. Wegner regte ein sogenanntes Rechtsgespräch mit der Kammer an. „So kann es nicht weitergehen.“

Uneins sind sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft auch über die Konkretisierung der Vorwürfe. Wegner hatte beantragt, dass das Gericht einen „tatsächlichen Hinweis“ erteilt, über welche vermeintlich geklauten Daten überhaupt gestritten wird. Dem Staatsanwalt zufolge hat die Verteidigung keinen Anspruch auf eine zwischenzeitliche rechtliche Würdigung des Gerichts. Diese erfolge in der Urteilsbegründung, gegen die Entscheidung könnten die Angeklagten ja dann gegebenenfalls in Revision gehen. Das Gericht sei zu einem solchen Hinweis nur gehalten, wenn sich an den Tatvorwürfen etwas Relevantes geändert habe.

Wegner konterte scherzhaft mit dem Klassiker „Oh wann kommst du“ von Daliah Lavi: „Montag. Dienstag. Mittwoch. Donnerstag. Freitag. Samstag. Sonntag.“ Wann wo was wie übergeben worden sein soll, ist der Verteidigung noch immer nicht klar. Und ja, bei der Verteidigung bestünden daher Schwierigkeiten und Unsicherheiten, wie der Sachverhalt unter das Strafrecht zu subsumieren sei.

Das Gericht äußerte sich nicht weiter zu diesem Scharmützel, sondern verkündete am Ende der kurzen Sitzung mehrere Beschlüsse. Einen IT-Sachverständigen will das Gericht nicht bestellen. Es komme nicht darauf an, ob der angeklagte IT-Mitarbeiter ein spezielles Programm namens HexaMail verwendet habe oder nicht. Die Kammer hält es auch nicht für nötig, weitere Daten von E-Mail-Konten aus dem BMG zu veranlassen, denn man wisse bereits, dass diese Daten inzwischen gelöscht seien.

Und zuletzt lehnte das Gericht die Forderungen der Verteidiger ab, Ex-Staatssekretär Stefan Kapferer als Zeugen zu laden. Dasselbe gilt für die geforderte Ladung mehrerer Phagro-Vertreter sowie Ex-Celesio-Chef Dr. Fritz Oesterle. Die Richter sind davon überzeugt, dass diese Personen zur Aufklärung des Sachverhalts nichts beitragen könnten. Auch die Akten aus dem Sorgerechtstreit des Angeklagten H. mit seiner Ex-Frau will das Gericht nicht beiziehen. Dies sei bereits in der Verhandlung ausreichend gewürdigt. Am Freitag in einer Woche wird die Verhandlung fortgesetzt. Zeugen sind wiederum nicht geladen.

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