BMG-Datenaffäre

„Grüße von der dunklen Seite der Macht”

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Berlin -

Der Prozess um den angeblichen Datendiebstahl im Bundesgesundheitsministerium (BMG) läuft auf einen Höhepunkt zu. Von Manipulationen der Verfahrensakte ist die Rede, die Verteidigung beantragt die Aussetzung des Verfahrens, um nachgereichte Unterlagen zur Korrespondenz zwischen Ermittlern und Staatsanwaltschaft auswerten zu können. Dies könnte Brisantes zutage fördern.

Bei den letzten Verhandlungsterminen hatte der leitende Ermittler ausgesagt. Schon bei der ersten Vernehmung war er plötzlich mit einer E-Mail konfrontiert worden, die sich offenbar nicht in der Akte befindet. Auf den Versuch, das Chaos in den Unterlagen zu rechtfertigen, folgte die Erklärung, dass auch Mails gelöscht wurden. Kurz darauf tauchte jedoch eine weitere Mail auf, sodass sich das Gericht veranlasst sah, den Beamten aufzufordern, alle Mails zur Sache zu übergeben.

Das ist Ende April auch geschehen – nicht ohne dass der Beamte zuvor eigenmächtig weitere Mails löschte, wie er auch zugab. Laut Verteidigung fehlt damit ein vollständiger Überblick über den Gang der Ermittlungen. Das häppchenweise Zurverfügungstellen von Daten, die für das Verfahren geschaffen wurden, verletze aber das Recht auf Gehör und behindere die Verteidigung, so die Argumentation. Wissensparität sei aber im Strafrecht von herausragender Bedeutung, wie im vergangenen Jahr der Bundesgerichtshof (BGH) noch einmal klargestellt habe.

Damit sei es im vorliegenden Verfahren „nicht weit her“, da rechtswidrig Unterlagen den Akten fern gehalten oder von einem Polizeibeamten nach Gutdünken gelöscht würden, so der Verteidiger des ehemaligen IT-Mitarbeiter Christoph H. „Welche Daten sind noch vorhanden? Das Gericht muss den Gang des Verfahrens nachvollziehen können, um den Anschein zu vermeiden, dass die Ermittlungsbehörden etwas zu verbergen haben.“

Der Anwalt von Thomas Bellartz wies darauf hin, dass sich auch die Staatsanwaltschaft nicht in der Lage sehe, eine Aktenvollständigkeitserklärung abzugeben. Er meint auch, den Grund dafür zu kennen. Denn nach erster Sichtung der mehr als 1000 Mails, die vom Ermittler vor kurzem nachgereicht wurden, sei ersichtlich geworden, dass es bis heute einen intensiven Austausch zwischen Ermittlern und Staatsanwalt gebe.

Als Beispiel nannte er eine Mail mit der Betreffzeile „Ermittlungen Richtung ABDA“. Eine solche Zielrichtung habe der Beamte bei seiner Vernehmung noch explizit in Abrede gestellt, so der Verteidiger. In anderen Mails sei es um die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin gegangen. Bezeichnend, wie mit dem Thema umgegangen worden sei, sei auch eine Mail zwischen einem BMG-Beamten und dem Chefermittler mit dem Betreff: „Grüße von der dunklen Seite der Macht.“

Überhaupt sei nach erster Einsichtnahme ersichtlich, dass selbst das Bundesgesundheitsministerium (BMG) involviert gewesen sei: So habe der Ermittler berichtet, dass er Hintergrundinformationen zur Taktik der ABDA solange nicht in die Akte gebe, bis er die Erlaubnis dazu habe: „Während die Verteidigung zielgerichtet aus dem Verfahren herausgehalten wurde, wurde es dem BMG in die Hand gegeben, wie mit verfahrensrelevanten Information umzugehen ist. Wir fragen uns: Durfte das BMG die Inhalte steuern?“

Solche Spielchen müsse man nicht hinnehmen, so der Anwalt weiter. Vielmehr sei es an der Zeit, den Computer des leitenden Ermittlers zu sichern und nach weiteren verfahrensrelevanten Unterlagen zu suchen. Die bereits offensichtlichen Manipulationen der Ermittlungsakte verletze jedenfalls das Akteneinsichtsrecht, von einer fairen Verfahrensgestaltung durch LKA und Staatsanwaltschaft könne nicht ausgegangen werden.

Ein weiterer Hinweis für den Anwalt, dass im Verfahren etwas im Argen liegt: Der Staatsanwalt habe dem Ermittler im Februar die Anklageschrift übermittelt und sei dafür prompt von diesem gelobt worden. Bei seinem denkwürdigen Auftritt vor der Presse am ersten Verhandlungstag habe der Sitzungsvertreter aber noch ein ganz anderes Bild gezeichnet. „Hier wird mit der Verteidigung gespielt.“

Laut Wegner zeigt die Korrespondenz auch, wie die Verteidigung zielgerichtet aus dem Zwischenverfahren herausgehalten wurde: So habe der Ermittler geschrieben, dass er ihn als Verteidiger „natürlich nicht vom Vernehmungstermin informieren“ werde – es sei, er erhalte denn anders lautende Vorgaben.

„All diese Trickserei rächt sich heute“, so Bellartz' Verteidiger. Jedes Mal, wenn man irgendwo reinsteche, kämen neue Dinge die von verfahrensrechtlicher Relevanz zutage. „Das Gericht wird an einer Aussetzung des Verfahrens nicht vorbei kommen.“

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