Antibiotika: Einnahmedauer ist keimabhängig Deniz Cicek-Görkem, 07.11.2017 14:54 Uhr
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Infektiologen gegen Pauschalisierung: Die Einnahmedauer hängt unter anderem vom jeweiligen Bakterientyp ab. Kürzere Therapien könnten für Patienten gefährlich werden. Foto: CDC/James Archer
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3, 5 oder 10 Tage: Eine unnötige Antibiotika-Einnahme fördert die Bildung von Resistenzen. Britische Wissenschaftler fordern daher, dass die Empfehlung „bis zum Ende nehmen" gekippt werden sollte. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Antibiotikaresistenzen stellen eine zunehmende Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar, denn immer mehr Erreger sprechen nicht mehr auf die gewohnte Therapie an. Foto: Melissa Brower/CDC
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Antibiotika können Leben retten – wenn sie korrekt eingesetzt werden. Hier ein Überblick über die gängigen Antibiotika aus dem Apothekenalttag. Foto: NIAID
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Gentamicin wird aus Micromonospora purpurea gewonnen und gehört zu den Aminoglykosiden. Der Arzneistoff wirkt bakterizid. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Penicillin – ein Klassiker. Das Antibiotikum wirkt bakterizid, indem es die bakterielle Zellwandsynthese durch Blockade der Penicillin-bindenden-Proteine hemmt. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Charakteristisch ist der Betalaktam-Ring. Phenoxymethylpenicillin ist säurestabil und damit oral anwendbar. Grafik: APOTHEKE ADHOC
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Sultamicillin ist ein oral applizierbarer Ester aus Ampicillin und dem Betalaktamase-Inhibitor Sulbactam, der im Körper schnell in seine Komponenten zerfällt und bakterizid wirkt. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Amoxicillin wirkt gegen gram-positive und gram-negative Krankheitserreger. Die Substanz wird zum Beispiel bei Infektionen des HNO-Bereichs und im Rahmen einer Helicobacter-pylori-Eradikation eingesetzt. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Cefuroxim ist ein Betalaktam-Antibiotikum. Eine optimale Resorption wird bei einer Verabreichung unmittelbar im Anschluss an eine Mahlzeit erzielt. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Clindamycin wird vor allem bei Infektionen des Zahn- und Kieferbereichs verwendet. Die Substanz wird hauptsächlich hepatisch eliminiert. Medikamente, die als Enzyminduktoren in der Leber wirken, verkürzen die mittlere Verweildauer des Wirkstoffs im Körper. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Ciprofloxacin – aus der Gruppe der Fluorchinolone. Bekannt ist der Arzneistoff für seine Komplexbildung mit Metallionen, worauf bei der Beratung hingewiesen werden sollte. Foto: HEC Pharma
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Erythromycin ist ein Makrolidantibiotikum. Für die perorale Behandlung kommen entweder magensaftresistente Arzneiformen oder säurefeste Derivate in Frage. Außerdem ist die Substanz ein CYP3A4-Hemmer, der die Biotransformation einiger Arzneistoffe beeinflusst. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Der Arzneistoff ist pH-abhängig zersetzungsempfindlich. Im Sauren und im stark Basischen ist er instabil durch intramolekulare Katalyse. Grafik: APOTHEKE ADHOC
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Clarithromycin entfaltet seine antibakterielle Wirkung, indem es an die 50S-ribosomale Untereinheit sensitiver Bakterien bindet und die Proteinsynthese unterdrückt. Es ist hoch wirksam gegen aerobe und anaerobe grampositive und gramnegative Organismen. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Oxytetracyclin wirkt über die Hemmung der Proteinbiosynthese durch reversible Blockade der Bindungsstelle der Aminoacyl-tRNA an der 30S-Untereinheit des Ribosoms, wodurch die Elongation der Peptidkette unterbrochen wird. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Fosfomycin stört die Mureinsynthese der Bakterienzellwand und wirkt bakterizid. Es wird bei akuten unkomplizierten Harnwegsinfektionen bei Frauen angewendet. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Vancomycin wird oral eingesetzt bei Darmentzündungen und drei- bis viermal täglich eingenommen. Die Substanz zählt zu den Glykopeptid-Antibiotika. Foto: Riemser
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Cotrimoxazol ist eine Kombination aus Trimethoprim und Sulfamethoxazol im Mengenverhältnis von 1 zu 5, da dies für die Wirkungssteigerung gegenüber den Erregern im Körper optimal ist. Standarddosierung: zweimal täglich eine Tablette. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Tyrothricin wird als lokales Antibiotikum genutzt und kommt auch in den Halstabletten Dortihricin vor. Die hauptsächlich enthaltenen Tyrocidine bewirken eine Freisetzung von stickstoff- und phosphathaltigen Substanzen aus den Bakterienzellen, welche die osmotische Barriere der Zellmembran zerstören. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Das Polypeptid-Gemisch besteht aus Tyrocidinen und Gramicidinen. Die Gramicidin-Komponente führt zu einer Entkoppelung der Atmungskettenphosphorylierung. Grafik: Wikipedia
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Ofloxacin gehört zu der Gruppe der Fluorchinolone und wird sowohl topisch als auch systemisch eingesetzt. Wenn gleichzeitig andere Ophtalmika angewendet werden, sollten circa 15 Minuten Zeitabstand eingehalten werden. Augensalben sollten immer zuletzt angewendet werden. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Levofloxacin ist das S-(-)-Enantiomer des Racemats Ofloxacin und wirkt als Fluorchinolon-Antibiotikum auf den DNS-/DNS-Gyrase-Komplex und die Topoisomerase IV. Foto: Hecpharm
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Kanamycin gehört zu den Aminoglykoside und stellt ein Gemisch aus Kanamycin A, B und C dar (enthält aber hauptsächlich Kanamycin A). Die bakterizide Wirkung ist gewährleistet durch Störung der Proteinbiosynthese am bakteriellen Ribosom und durch die Translationshemmung. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Cefpodoxim kann am am besten vom Körper aufgenommen werden, wenn die Tablette mit einer Mahlzeit eingenommen wird. Das Betalaktam-Antibiotikum gehört zur Gruppe der Oralcephalosporine. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Cefixim wird bei Infektionen der oberen und unteren Atemwegen, der Harnwege und bei Haut- und Weichteilinfektionen eingesetzt. Der Arzneistoff hemmt die bakterielle Zellwandsynthese. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Doxycyclin wird zum Beispiel bei Infektionen des Urogenitaltrakts oder des HNO-Bereichs eingesetzt. Da der Arzneistoff zwei- und dreiwertige Kationen komlexieren kann, sollten Milchprodukte und magnesiumhaltige Antazida in einem zeitlichen Abstand von zwei bis drei Stunden eingenommen werden. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Fusidinsäure wirkt bakteriostatisch durch Hemmung der bakteriellen Proteinbiosynthese. Sie wirkt gegen eine Reihe von grampositiven Bakterien und gramnegativen Kokken auch aus dem Bereich der Anaerobier. Sie besitzt keine Aktivität gegen andere gramnegative Bakterien und gegen Pilze. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Moxifloxacin wirkt bakterizid durch Hemmung der beiden Typ-II-Topoisomerasen (DNS-Gyrase und Topoisomerase IV), die bei der Replikation, Transkription und Reparatur der bakteriellen DNS benötigt werden. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Metronidazol wird zum Beispiel bei Trichomonias und bakterieller Vaginose verwendet. Der Arzneistoff führt nach Elektronenübertragung auf seine Nitrogruppe zu DNA-Strangbrüchen, was den Zelltod bewirkt und damit einen antimikrobiellen Effekt hat. Foto: APOTHEKE ADHOC
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Rifampicin bindet an die bakterielle RNA-Polymerase und hemmt somit die bakterielle Proteinsynthese. Der Arzneistoff wird insbesondere zur Therapie der Tuberkulose eingesetzt. Foto: Riemser
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Synergistischer Effekt: Polymyxin B ist ein zyklisches Lipopeptid, das die Zellwand gram-negativer Bakterien penetriert und so die Membran des Zytoplasmas destabilisiert. Neomycin ist ein Aminoglykosid-Antibiotikum, das seine Wirkung auf die Bakterienzellen in erster Linie durch Hemmung von Polypeptidsynthese und -aufbau auf den Ribosomen entfaltet. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - In den vergangenen Jahren häufen sich Studien, die darauf hinweisen, dass kürzere Antibiotikatherapien einer längeren Therapie gleichwertig oder sogar überlegen sind. Dennoch sollten diese Arzneimittel nach derzeitigem Stand nur in Absprache mit dem Arzt eingenommen und abgesetzt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) spricht sich nun gegen eine Pauschalisierung aus, dass nunmehr immer kurz therapiert werden dürfe. Denn diese Handlungsweise könnte für manche Patienten gefährlich werden.
Der bisherige Stand war, dass ein Antibiotikum auch noch nach dem Verschwinden der Symptome und stets bis zum Ende der Packung eingenommen werden sollte. Wissenschaftler sehen diese Faustregel als überholt an. Untersuchungen der letzten Jahre liefern immer mehr Evidenz, dass bei vielen Infektionen eine kürzere Einnahmezeit genauso wirksam ist. Beispielsweise zeigt eine im vergangenen Jahr im Fachjournal „Jama“ veröffentlichten multizentrische, randomisierte, klinische Studie, dass eine fünftägige Antibiotikatherapie bei einer ambulant erworbenen Lungenentzündung sich als ebenso wirksam erwies wie eine 10-tägige.
Kürzere Therapie reduzieren nach derzeitigem Wissensstand die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung resistente Erreger. „Dennoch sollten Patienten Antibiotika nicht in Eigenregie absetzen, sobald sie sich besser fühlen“, schreiben die Infektiologen in ihrem kürzlich veröffentlichten Positionspapier. Sie fordern, dass Antiinfektiva individuell auf die bakterielle Infektion abgestimmt werden sollten. Man könne nicht pauschal sagen, dass nunmehr immer kurz therapiert werden dürfe.
„Viele Jahre ist man davon ausgegangen, dass eine längere Antibiotikatherapie die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr der Infektion oder die Ausbildung von Resistenzen verringert“, sagt Professor Dr. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Universitätsklinik Köln und Vorsitzender der DGI. Dahinter stehe der Gedanke, möglichst alle krankmachenden Bakterien abzutöten. „Heute wissen wir: Je länger die Bakterien dem Selektionsdruck eines antimikrobiellen Wirkstoffs ausgesetzt sind, desto wahrscheinlicher überleben überwiegend resistente, also gegen das Mittel unempfindliche Erreger“, so Fätkenheuer. Eine kürzere Antibiotikatherapie habe nicht nur den Vorteil von weniger Resistenzentstehung – sie gehe auch mit weniger Nebenwirkungen einh
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