ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Testkäuferin kommt mit gefälschtem Rezept

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Berlin -

In den Apotheken läuft ein ungewöhnlicher Test an. Eine Pseudokundin, ausgestattet mit täuschend echt aussehenden Rezepten und einer Mission im Dienste der Arzneimittelsicherheit, stellt Apothekenteams auf die Probe. Ihr Name: Ursula Veritas. Ihre Waffe: ein fehlerfreies Rezept mit winziger Schwäche. Wer den Bluff in unter fünf Minuten durchschaut, wird belohnt.

Ursula Veritas packt ihre Handtasche und streift ihren beigefarbenen Trenchcoat über: Ab sofort ist sie wieder als Testkäuferin unterwegs. Die Apothekerin prüft ihre Kolleginnen und Kollegen schon seit 15 Jahren in der Beratungssicherheit. Nun hat sie von ihrer Kammer einen neuen Auftrag bekommen. „Ich werde mich mit einem gefälschten Rezept in die Apotheken begeben und sehen, wie schnell es enttarnt werden kann.“

Die Türen der ersten Test-Apotheke klappern schon im Feierabendmodus, denn Veritas – geschult in Psychologie, Dialektologie aller Bundesländer à la Peter Frankenfeld und subtiler Täuschung – will bevorzugt an Mittwoch- oder Freitagabenden die Apothekenteams auf die Probe stellen. In der Hand: ein perfekt gefälschtes Rezept über Humira-Fertigpen als Sechserpack für 2800 Euro. „Gefälschte Mounjaro-Verordnungen waren gestern, Krebs- und Rheumamittel sind die neuen Abnehmspritzen, dafür brennt der Schwarzmarkt“, weiß die Expertin.

Rezept perfekt gefälscht

Den Testkauf hat die Pseudokundin perfekt vorbereitet. „Wie unter Fälschern üblich, habe ich zuvor per Anruf die Verfügbarkeit des Arzneimittels erfragt. Ich könne es am Folgetag abholen, man bestelle es sofort, wurde mir zugesichert.“ Das Rezept ist wie aus dem Lehrbuch: Wohnort der Patientin und Adresse der Arztpraxis passen tadellos zueinander, die Betriebsstättennummer ist korrekt, die Telefonnummer plausibel, die Dosierangabe stimmig. Einziger Hinweis: Die Schriftgröße des Namens der Krankenkasse ist etwas kleiner als regulär. „Wer hier genau hinsieht, kann die Verordnung schnell als Fälschung entlarven“, stellt Veritas klar.

Die Pseudokundin kommt – wie bei Gangstern üblich – natürlich nicht allein. Draußen im Auto sitzt ihre Komplizin. Über ein kleines Knopfmikrofon notiert sie alles, was Veritas ihr durch Codewörter am HV durchgeben kann. Den Rest tippt die Testkäuferin unauffällig am Handy mit.

Ab der Rezeptannahme am HV tickt die Uhr. Fünf Minuten, mehr Zeit bleibt nicht, um gut abzuschneiden. Veritas gerät ausgerechnet an den Inhaber der Apotheke: ein höfliches Nicken, dann ein erstes Stirnrunzeln. Veritas flüstert ein unauffälliges Codewort für „positiv“ ins Mikro, die Komplizin im Auto notiert: Apotheker – skeptisch. Dann kommt vom Inhaber eine professionelle Ansage: „Tut mir leid, aber hier gibt es Unstimmigkeiten. Wir klären das kurz mit dem Arzt.“ Jackpot, denkt die Testkäuferin. Der Apotheker verschwindet im Backoffice. Veritas flüstert ins Knopfloch: Reaktionszeit sehr gut.

Es dauert, die Apothekerin hört Fetzen eines Telefonats mit: „Unauffällig hinhalten... erst in fünf Minuten?... ok, machen wir.“ Der Inhaber taucht wieder auf, gibt umständlich etwas in den Computer ein, stellt Nachfragen zur Verordnung. Veritas sieht auf die Uhr, die fünf Minuten sind fast um. Sie beginnt langsam zu zweifeln, ob er es noch rechtzeitig schafft.

Doch plötzlich reißt jemand die Tür zur Offizin auf: Zwei Polizisten betreten abgehetzt das Geschäft. Ein kurzes abklärendes Nicken zwischen dem Beamten und dem Inhaber und Veritas hört ein scharfes „Hände hoch!“

Testkäuferin outet sich

Ein mildes, wissendes Lächeln schleicht sich auf Veritas Lippen; ein Verhalten, das sie von zahlreichen Ärztinnen und Ärzten am HV adaptiert hat, wenn diese sich bei einer Rx-Nachfrage im letzten Moment als Fachpersonen zu erkennen geben. In exakt derselben Manier zückt auch sie ihren Ausweis: „Keine Sorge, meine Herrschaften, ich bin eine offizielle Testkäuferin.“

Der Apotheker ist fassungslos und erleichtert zugleich; ein Augenrollen kann er sich jedoch nicht verkneifen. Veritas schüttelt ihm begeistert die Hände. „Sie haben mit Bravour bestanden, herzlichen Glückwunsch, alles richtig gemacht.“ Die Apothekerin macht noch schnell ein Polaroid für die Kammer-Website. Dort wird der Inhaber mit Foto und Bestzeit gewürdigt, bis diese geschlagen wird. Darüber hinaus verspricht sie noch eine echte Prämie – zwei Jahre ohne Kammerbeitrag – ehe sich Veritas samt Begleitung zur nächsten Testapotheke aufmacht.

Testkäufer:innen mit gefälschten Rezepten werden wohl nicht in Apotheken auftauchen, aber Inhaber:innen sollten aktuell trotzdem sehr wachsam sein: Bereits im Januar warnte die AOK Nordost vor Rezeptfälschungen beim Krebsmedikament Lonsurf (Trifluridin/Tipiracil, Servier). Auch im Bereitschaftsdienst Bremen Mitte der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen(KV) sind gefälschte Rezepte in Umlauf geraten. Die KV Bremen stellte demnach Strafanzeige und schaltete die Ermittlungsbehörden ein. Zudem nehmen Rezeptfälschungen für GLP-1-Rezeptoragonisten weiter zu.Das Bundeskriminalamt (BKA) und Krankenkassen warnen vor professionellen Fälschern, während Apotheken zunehmend Opfer eines lukrativen Schwarzmarkts werden. Ein Apotheker, der bereits mehrere Rezeptfälscher enttarnen konnte fordert tatsächlich eine Prämie.

In diesem Sinne: Ein schönes Wochenende!

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