Langjährige Kunden benachteiligt

AvP-Apotheker müssen Jahre auf ihr Geld warten

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Berlin -

Beim insolventen Rechenzentrum AvP sind Forderungen in dreistelliger Millionenhöhe offen. Die Apotheker hoffen noch darauf, dass ihre Rezeptguthaben aus der Insolvenzmasse ausgesondert werden. Aber das ist laut dem vorläufigen Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoss alles andere als sicher und hängt von den jeweiligen Verträgen ab. Vor allem langjährige Kunden könnten schlechter gestellt sein. Aber selbst wenn es dazu kommt, müssen die Apotheker wohl noch Jahre auf ihr Geld warten.

AvP hat nach eigenen Angaben ein jährliches Abrechnungsvolumen von mehr als sieben Milliarden Euro. Auf den Monat gerechnet entspricht das einem Betrag von etwa 580 Millionen Euro. Da ein Teil der Apotheker für den Monat September noch eine Abschlagszahlung erhalten hat, liegt der insgesamt offene Betrag darunter, jedenfalls handelt es sich aber um einen dreistelligen Millionenbetrag.

Zwar hat Hoos im Video-Interview mit APOTHEKE ADHOC keine Aussagen zum verbliebenen Vermögen bei AvP oder der Höhe der Forderungen gemacht. „Was schon heute feststeht: Selbst wenn man die Rezepte addiert mit den Guthaben auf den Konten, wird es nicht zu einer Vollbefriedigung der Apotheken kommen. Es fehlt also Geld. Um welche Beträge es sich handelt, das kann ich heute noch nicht sagen.“ Wie hoch die von Hoos in Aussicht gestellte „signifikante Quote“ am Ende sein wird, kann auch er heute nicht verlässlich beziffern.

Knapp 3500 Apotheken haben bei AvP abgerechnet. Wer im September noch Geld erhalten hat, muss dies sehr wahrscheinlich nicht zurückzahlen – schließlich wussten die Apotheken nichts von der drohenden Insolvenz. Diese Kunden hatten einfach Glück. Fast alle AvP-Kunden melden sich bei Hoos und pochen auf ihre Rezeptguthaben. Ob ein Aussonderungsrecht wirklich besteht, muss Hoos aber erst noch prüfen. „Wenn Zahlungen bevorrechtigt an Apotheker vorgenommen werden, bedeutet das einen Nachteil für alle anderen Gläubiger.“

Schon die Prüfung sei eine Sache von Monaten, so Hoos. Und aus seiner Sicht ist es eher wahrscheinlich, dass eine Aussonderung von anderen Gläubigern – etwa den Banken – juristisch angegriffen würde. „Das sind komplexe Rechtsfragen. Sollte es zu einem Rechtsstreit kommen, könnte das durch mehrere Instanzen gehen – bis hoch zum Bundesgerichtshof“, erklärt der Insolvenzverwalter. Und solange ein Rechtsstreit anhängig ist, sei eine Auszahlung unmöglich. „Damit meine ich nicht nur Zahlungen aus einem Aussonderungsrecht, sondern auch Quotenzahlungen an alle Gläubiger.“

Es gehe ihm nicht darum, den Apothekern Geld vorzuenthalten, betont Hoos. „Ganz im Gegenteil: Ich weiß um den hohen Druck und den Liquiditätsbedarf, der dort herrscht.“ Aber solange die Ansprüche nicht geklärt sind, kann kein Gläubiger bevorzugt werden. „Das ist die Krux an der Situation: Wenn das gerichtlich durchgefochten wird, dann sind die Guthaben auf lange Zeit geblockt, bis ein Rechtsstreit abgeschlossen ist.“

Die gute Nachricht: „Die Gelder, die möglicherweise Apothekern zustehen, auch aus weiteren Rezeptabrechnungen, werde ich nicht anfassen und werden sich nicht reduzieren. Die Gelder werden säuberlich separiert auf echten Separierungskonten und stehen den Apothekern zur Verfügung – sofern ein Aussonderungsrecht besteht“, erklärt Hoos.

Der Insolvenzverwalter weist im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC auch auf das Problem mit den verschiedenen Vertragsverhältnisse hin: Vereinbarungen aus der Zeit vor 2003 hätten nicht einmal Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gehabt. Ganz aktuelle Verträge hätten dagegen sogar Zusatzvereinbarungen gehabt. „Bei all diesen Gruppen mag die Bewertung am Ende unterschiedlich sein“, kündigt der Insolvenzverwalter an. Es wird also kompliziert.

Eine der nächsten Aufgabe sei es daher, die Apotheken in verschiedene Gruppen einzuteilen – und „jedenfalls den Gruppen, die unzweifelhaft Rechte zum Beispiel an den Rezepten haben, schnellstmöglich die Rezepte oder Erlöse daraus zukommen zu lassen“.

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