„Ich hab von Anfang an mit denen geplant“

An Heiligabend: Ärzte kündigen Jungapotheker

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Berlin -

Auf ein anstrengendes Jahr sollte eigentlich ein besinnliches und entspannendes Weihnachtsfest folgen. Das wurde Thomas Grittmann ordentlich verhagelt: Den Junginhaber, der sich mit eigener Arbeitskraft und einem saftigen Kredit den Traum vom eigenen Betrieb verwirklicht hat, ereilte zu Weihnachten eine Hiobsbotschaft. Ausgerechnet an Heiligabend lag die Kündigung der Praxis über ihm im Briefkasten. Statt von Entspannung und Freude waren seine Feiertage von Notmaßnahmen und Zukunftssorgen geprägt.

Es war ein anstrengendes, aber erfolgreiches Jahr: Mit 28 Jahren hat sich der Apotheker den Traum vom eigenen Betrieb erfüllt. Er hat kräftig selbst mit angepackt, geschuftet, geschleppt, gebuddelt, sich mit den Behörden herumgeschlagen und schließlich im August mit stolzer Brust und großem Fest seine Park-Apotheke Miltenberg eröffnet. Doch seine Leistung ist auch eine Hypothek auf die Zukunft: Immerhin hat er hunderttausende Euro als Kredit aufgenommen, die in den kommenden Jahren erst einmal verdient werden müssen.

Eigentlich sah alles sehr gut aus: Das Gebäude, in dem sich die Apotheke befindet, gehört nicht nur Grittmanns Familie, sondern beherbergt auch die Praxis von zwei Diabetologen direkt über seiner Apotheke. Auf einen konstanten Rezeptfluss kann er sich also verlassen – bis jetzt. Denn kurz vor Weihnachten wurde klar: Die beiden Ärzte wollen weg. „Ab dem 20. Dezember war es relativ sicher“, sagt Grittmann. Und ausgerechnet an Heiligabend war es dann Gewissheit: „Die haben uns am 24. die Kündigung in den Briefkasten geworfen“, erzählt Grittmann niedergeschlagen.

Gesprochen hat er sie seitdem nicht. „Die Praxis ist ja über die Feiertage zu und die beiden sind auch im Urlaub.“ Nach Urlaub war ihm hingegen nicht zumute. „Das hat mich und auch mein Team sehr mitgenommen“, sagt er. „Ich hab von Anfang an mit den Ärzten geplant und auf einmal sind sie weg.“ Rund ein Viertel der Rezepte kam bisher von der Praxis über ihm. Die werden mit dem Fortgang wahrscheinlich zum allergrößten Teil wegbrechen. „Ich brauche jetzt hier unbedingt einen Allgemeinarzt“, sagt Grittmann. Denn so schön und praktikabel die Lage im Park samt Parkplätzen sein mag. „Eine Lauflage ist das hier nicht, die Leute sind immer direkt vom Arzt in die Apotheke gekommen.“

Also hat Grittmann die Tage vor Weihnachten und die Feiertage genutzt. Statt wie es sein sollte eine sorglose Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen, hat er Kontakte aktiviert und Inserate verfasst. „Ich habe mich an den Landrat gewendet, an die Apobank, bin mit der Kassenärztlichen Vereinigung in Kontakt getreten, inseriere in Printmedien und habe auf Facebook einen Aufruf veröffentlicht.“ Rund 14.000 Leute haben den Facebook-Post bereit gesehen – zumindest ein guter Anfang.

Eine Galgenfrist hat er noch: Aufgrund der Kündigungsfrist läuft der Mietvertrag noch bis September. Mindestens bis zum Sommer wird die Praxis also voraussichtlich noch bestehen bleiben. Ein halbes Jahr ist allerdings auch nicht so lang, wie es im ersten Moment klingt. Ein Hoffnungsschimmer stellt die Neuverteilung der KV-Sitze im Januar dar, er hofft, dass sich dadurch etwas tun könnte. Wie hoch seine Chancen sind, kann er nur schwer einschätzen, will sich aber keinen Illusionen hingeben. „Ich weiß, dass viele Kleinstädte und Gemeinden in der Gegend zum Teil seit Jahren suchen“, sagt er. „Die meisten Ärzte gehen lieber in die Stadt.“

Dafür will er sich aber vor Ort ins Zeug legen, um eine neue Praxis anzuziehen. Die Räumlichkeiten über der Apotheke will er nach dem Auszug komplett renovieren und je nach Bedarf erweitern. „Zwischen 130 und 200 Quadratmetern ist alles möglich“, sagt er. „Wir würden es komplett nach den Bedürfnissen des Arztes umbauen und die Miete ist nicht hoch. Wir werden bei allem so weit entgegenkommen, wie es geht.“ Bis dahin will er im Betrieb ranklotzen, um Kunden zu halten und neue zu gewinnen. „Wir werden jetzt erst mal den Kundenservice extrem hochfahren.“

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