Richter zerlegen Auffassung der EU-Kommission

EuGH: CBD ist kein Betäubungsmittel

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Berlin -

Hersteller und Händler von pharmazeutischen CBD-Produkten haben Monate der Ungewissheit hinter sich: Nachdem die EU-Kommission zur vorläufigen Auffassung gelangt war, dass CBD ein Betäubungsmittel sei, stand mit Blick auf eine Neueinstufung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Dezember die Befürchtung im Raum, dass harte Zeiten mit regulatorischen Verschärfungen bevorstehen. Doch nun fährt der Kommission der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit einem Urteil in die Parade, das Branchenexperten als wegweisend betrachten – und zwar nicht nur für CBD-Öle und Extrakte, sondern auch für Kosmetika im Handel innerhalb der gesamten EU. Bei den Herstellern knallen die Sektkorken.

„Ich habe nie mit einem anderen Ausgang des Verfahrens gerechnet – aber dass der EuGH sich dann so klar äußert, hat selbst unsere Erwartungen übertroffen“, sagt Finn Hänsel, Geschäftsführer der Sanity Group und Vorsitzender des Branchenverbands Pro CBD. Denn – man kann es nicht anders sagen – der EuGH hat der von der Bundesregierung übernommenen vorläufigen Auffassung der EU-Kommission, CBD sei ein Betäubungsmittel im Sinne der Internationalen Betäubungsmittelkonvention, eine umfassende Absage erteilt und darüber hinaus sogar in einer grundsätzlichen Erwägung neue Leitplanken für den europaweiten Handel mit CBD-Produkten gezogen.

Seinen Ausgang hatte das Verfahren am Strafgericht Marseille: Das hatte Sebastien Beguerie und Antonin Cohen-Adad zu Freiheitsstrafen von 18 und 15 Monaten sowie Geldstrafen von je 10.000 Euro verurteilt, weil die beiden mit ihrem Unternehmen Kanavape CBD-haltige Liquids für E-Zigaretten aus Tschechien importiert und in Frankreich verkauft hatten. Denn nach französischem Recht dürfen nur die Fasern und Samen des Hanfs gewerblich genutzt werden. Beguerie und Cohen-Adad legten Berufung ein und das Berufungsgericht in Aix-en-Provence wendete sich wiederum an den EuGH mit der Bitte um Klarstellung in der Frage, ob die französische Regelung, die die Vermarktung von in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltem CBD verbietet, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Am Donnerstag nun hat der EuGH seine Entscheidung bekanntgegeben und sie fällt eindeutig aus: „In seinem heutigen Urteil entscheidet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht, insbesondere die Bestimmungen über den freien Warenverkehr, einer nationalen Regelung wie der streitigen entgegensteht“, so die Richter. Wie im Streit um die Europarechtskonformität eines möglichen Rx-Versandverbotes sahen die Richter in der strittigen Vorschrift eine „Maßnahme mit gleicher Wirkung“ – also eine regulatorische Maßnahme, die Mitbewerber aus anderen Ländern des europäischen Binnenmarktes benachteiligt. Entscheidend ist die Begründung: Nicht auf die Warenverkehrsfreiheit berufen könne sich, wer beispielsweise mit „Suchtstoffen“, also BtM, handelt, da eine solche Vermarktung in allen Mitgliedstaaten verboten ist – mit Ausnahme des streng überwachten Handels für die medizinische und wissenschaftliche Verwendung. „Die Bestimmungen über den freien Warenverkehr innerhalb der Union (Art. 34 und 36 AEUV) sind hingegen anwendbar, denn das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD kann nicht als Suchtstoff angesehen werden“, so der EuGH nun.

Die Brüsseler Richter belassen es aber nicht bei der klaren Benennung, dass CBD kein Betäubungsmittel sei, sondern sie gehen – ohne die Kommission zu erwähnen – auch auf deren Argumentation ein und widersprechen ihr explizit: Das Unionsrecht verweise für die Definition der Begriffe „Droge“ und „Suchtstoff“ auf zwei Übereinkommen der Vereinten Nationen, namentlich das Übereinkommen über psychotrope Stoffe und das Einheits-Übereinkommen über Suchtstoffe, also die Internationale Betäubungsmittelkonvention. Und wo findet sich da CBD? Im ersten Übereinkommen gar nicht und im zweiten nur, wenn man es sehen will. Denn in der Betäubungsmittelkonvention ist nur die Rede von der Pflanze Cannabis sativa L. – die EU-Kommission zog daraus den Schluss, dass CBD, welches aus den Blüten und Fruchtständen der Pflanze gewonnen wird, als Betäubungsmittel anzusehen sei, synthetisch hergestelltes CBD hingegen nicht.

Diese Interpretation hat der EuGH nun zerlegt. Denn sie „widerspräche dem Grundgedanken dieses Übereinkommens und seinem Ziel, die Gesundheit und das Wohl der Menschheit zu schützen“, so die Richter. „Nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, der zu berücksichtigen ist, hat das in Rede stehende CBD, anders als Tetrahydrocannabinol (gemeinhin als THC bezeichnet), ein weiteres Cannabinoid des Hanfs, offenbar keine psychotropen Wirkungen oder schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit.“

Auch die Branchenkritik, dass die Trennung zwischen natürlich extrahiertem und synthetisch hergestelltem CBD – die aus pharmazeutischer Sicht identisch sind – willkürlich ist, teilt der EuGH explizit: „Zum einen scheint das Vermarktungsverbot nicht das synthetische CBD zu betreffen, das die gleichen Eigenschaften wie das in Rede stehende CBD haben soll und daher wohl als Ersatz für dieses verwendet werden kann“, schreiben die Richter mit Blick auf die Möglichkeit, Handelsbeschränkungen einzuführen, wenn dies dem Gesundheitsschutz des Landes dient. „Wäre dieser Umstand erwiesen, könnte er darauf hindeuten, dass die französische Regelung nicht geeignet ist, das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.“

Zum anderen müsse Frankreich zwar nicht nachweisen, dass CBD so gefährlich wie bestimmte andere Betäubungsmittel ist. „Das nationale Gericht hat jedoch die verfügbaren wissenschaftlichen Daten zu würdigen, um sich zu vergewissern, dass die geltend gemachte tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit nicht auf rein hypothetischen Erwägungen beruht.“ Ein Vermarktungsverbot für CBD, „das im Übrigen das restriktivste Hemmnis für den Handel mit in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellten und vermarkteten Produkten darstellt“, könne nämlich nur erlassen werden, wenn diese Gefahr als hinreichend nachgewiesen anzusehen ist.

Wollen nationale Regulatoren also künftig den Handel mit CBD-Produkten einschränken, müssen sie nach Auffassung des obersten europäischen Gerichts erst einmal beweisen, dass CBD gefährlich ist. „Diese Beweise gibt es aber bei CBD gar nicht“, sagt Hänsel. „Das Urteil ist ein wichtiger Schritt, der die bestehenden Unsicherheiten, ob CBD Produkte gesundheitsschädlich und damit illegal sind, beseitigt. Was nun zu folgen hat, ist eine darauf aufsetzende Regulierung und das Setzen von Standards, damit Verbraucher die größtmögliche Sicherheit erhalten.“ Für seinen Verband sei das der Startschuss für ausgedehnte Lobbyarbeit. Pro CBD werde nun im Dialog mit Behörden, Wissenschaft und Handel klare Qualitätsstandards entwickeln, die zunächst im Wege der Selbstverpflichtung aber dann auch in entsprechenden gesetzlichen Regelungen zu Transparenz und Qualität im gerade entstehenden Markt führen sollen.

„Diese lang ersehnte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes schafft endlich mehr Rechtssicherheit für die gesamte Lieferkette der CBD-Produzenten und dient uns als Hersteller von zuverlässigen CBD-Lifestyle Produkten als notwendige Bestätigung und schafft darüber hinaus Gewissheit für den Endkunden“, erklärt dazu Aphria-Geschäftsführer Hendrik Knopp, dessen Unternehmen nicht nur mit Lizenz des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) medizinisches Cannabis anbaut, sondern mit der Tochtergesellschaft Aphria Wellbeing auch CBD-Produkte unter der Marke Cannrelief vertreibt.

Dass das Urteil nun sofort in nationale oder europäische Regelungen umgesetzt wird, ist nicht zu erwarten. Doch Hänsel erwartet, dass es das Ende für jene „vorläufige Auffassung“ der Kommission bedeutet: „Die Kommission kann eine andere Meinung haben, aber ich glaube nicht, dass sie sich einem Urteil ihres höchsten Rechtssprechungsorgans diametral entgegenstellt.“ Konkrete Auswirkungen könnte das Urteil aber bereits in wenigen Wochen haben: Dann wollen die 53 Mitgliedstaaten der Betäubungsmittelkonvention nämlich über eine Neueinstufung von Marihuana und Haschisch abstimmen – sie sollen von Anlage 4, in der sie derzeit neben Stoffen wie Heroin und Kokain stehen, in die niedrigste Kategorie, die Anlage 1, herabgestuft werden. Bereits im Vorfeld hatte eine Arbeitsgruppe der WHO die möglichen Neueinstufungen erörtert und abschließend empfohlen, dass im selben Zug CBD-Präparate mit einem THC-Gehalt unter 0,2 Prozent ganz aus dem Einheitsabkommen fliegen sollen. Dem hatte sich die Kommission mit ihrer vorläufigen Auffassung entgegengestellt – bisher.

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