Test-Offensive in Apotheken

„Dazu haben wir schon zu viele Zuschussgeschäfte“

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Berlin -

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) setzt nun doch auf kostenlose Sars-CoV-2-Antigen- und Laientests, um die Coronapandemie in den Griff zu kriegen. Damit kommt auch auf die Apotheken die Frage zu: Will und kann ich mich beteiligen? Die Reaktionen auf die Initiative sind gemischt, für manche Kollegen ist sie längst überfällig, andere halten sie für eine Mogelpackung.

„Die Nationale Teststrategie und die Test-Verordnung werden so angepasst, dass ab dem 1. März 2021 jeder Bürger und jede Bürgerin in den Testzentren des öffentlichen Gesundheitsdienstes, bei vom öffentlichen Gesundheitsdienst beauftragten Dritten […] kostenlos einen PoC-Antigen-Schnelltest durchführen lassen kann (analog der Regelung in § 6 Abs. 1 TestV). Ein positives Schnelltest-Ergebnis soll mit einem PCR-Test bestätigt werden“, erklärte das BMG am Dienstag in einem internen Schreiben an die Gesundheitspolitiker der Regierungsfraktionen, das APOTHEKE ADHOC vorliegt. Wie genau das im Detail funktionieren soll, ist noch offen: Vergütung, Abrechnung, technische und operative Vorgaben müssen erst noch in einem Entwurf definiert werden. Immerhin ist schon eine beabsichtigte Summe genannt: „Die Vergütung erfolgt analog der in den §§ 7ff. TestV genannten Verfahren und Voraussetzungen und beträgt bis zu 9 Euro (je nach Beschaffungskosten) für den Test und weitere 9 Euro für die Testdurchführung samt Ausstellung eines Zeugnis.“

Doch dieser Punkt bereitet vielen Apothekern bereits Kopfzerbrechen – und zwar aus mehreren Gründen. „Ich halte die Idee für super, aber die Bedingungen reichen nicht aus“, sagt Raimund Löffelholz, Inhaber der St.-Rochus-Apotheke in Siegburg. „Ich habe die räumlichen Bedingungen nicht und müsste deshalb massiv investieren.“ Dabei sei seine Apotheke mit neun Mitarbeitern und Kommissionierer bester Durchschnitt – doch eine Teststraße lässt sich nicht mal ebenso neben dem HV aufbauen. Auch personell sehe es schwierig aus bei ihm: Zwar habe er genug Mitarbeiter, aber eben auch keine Überkapazitäten, um ein so zeitintensives Projekt zu stemmen – auch wenn die Bereitschaft da wäre. „Ich habe mit meinem Team gesprochen und die haben zwar nicht Hurra geschrien, wären aber alle bereit sich einzusetzen“, sagt Löffelholz.

Ganz anders sieht es da bei Petra Verhoeven aus. „Meine Mitarbeiter haben sich alle dagegen ausgesprochen, Tests durchzuführen“, sagt die Inhaberin der Korallen-, Bernstein-, Sund- und Hansa-Apotheke in Stralsund. „Sie haben alle Angst davor, sich zu infizieren.“ Wenn Apotheken also prinzipiell die ganze Bevölkerung testen sollen, dann müssten sie entsprechend ihrer höheren Exposition also auch in der Impfpriorisierung nach vorn rücken, fordert sie. Auch sie sehe die Testoffensive prinzipiell grundsätzliche positiv, habe sogar bereits selbst die dazugehörige Weiterbildung absolviert und sei bereits zertifiziert, doch sie sieht ähnliche Probleme wie Löffelholz. „Jetzt extra etwas anzumieten und Geld zu zahlen, ohne zu wissen, ob ich am Ende massiv draufzahlen muss, ist wirtschaftlich nicht umsetzbar“, sagt sie. Denn Beispiele aus ihrem Umfeld würden zeigen, dass die Nachfrage gar nicht so hoch sei, wie es oft kolportiert wird.

Das geplante Honorar von zusammen 18 Euro reiche einfach nicht aus, um das Risiko abzubilden, sagt auch Löffelholz. „Ein Beispiel könnte Österreich sein, da kriegen die Apotheken 25 Euro umsatzsteuerfrei“, sagt er. „Die Ärzte bieten diese Dienstleistung für 48 Euro und wir sollen das für 18 Euro machen.“ Doch die Unsicherheit beziehe sich dabei nicht nur darauf, ob mit dem beabsichtigten Honorar eine kostendeckende Durchführung möglich ist, sondern auch auf die mangelnde Verlässlichkeit der Politik, betonen Löffelholz und Verhoeven unisono. „Wir bräuchten die Sicherheit, dass nicht wieder nach ein paar Wochen die Vergütung zusammengekürzt wird wie bei den FFP2-Masken oder dass im Nachhinein die Anforderung so hochgeschraubt werden, dass es nicht mehr durchführbar ist“, sagt der Siegburger Inhaber.

Die Kürzung des FFP2-Honorars sieht auch Margit Schlenk als Fanal für die neue Teststrategie. „Noch haben wir Elan und Mut, aber noch öfter darf so etwas wie die nachträgliche Kürzung des FFP2-Masken-Honorars nicht passieren. Ich kann den Ärger der Kollegen verstehen, aber jetzt heißt es Augen zu und durch“, sagt die Inhaberin, die nicht nur selbst in ihrer Nürnberger NM-Vital-Apotheke testet, sondern auch die entsprechenden Weiterbildungen durchführt. „Natürlich ist es anstrengend und eine Herausforderung. Aber es ist Pandemie und wir wollen die Bevölkerung da herausholen.“ Einwände der Kollegen könne sie gut verstehen, aber: „Es gibt da einen guten Satz: Wenn der Wind weht, bauen die einen Mauern und die anderen setzen Segel. Ich bin eher dafür, die Segel zu setzen.“

Dass sie da nicht die Einzige sei, würde schon die Nachfrage nach den Weiterbildungen zeigen. „Die Apotheker sind weiterhin schulungswillig, auch wir schulen mit Semedi immer weiter und werden sicherlich die Zahl von 3000 Apothekern reißen.“ Die Idee, die Schnelltests auch in Apotheken auszuweiten, sei längst überfällig gewesen. „Österreich hat das Beispiel ja bereits vorgegeben.“ Und auch sie selbst plädiere schon lange dafür, dass die Apotheken stärker in die allgemeine Teststrategie eingebunden werden. Dass viele von ihnen Vorbehalte wegen räumlicher, personeller oder technischer Begebenheiten haben, könne sie durchaus nachvollziehen. Aber: „Wer will, der kann. Aber der politische und berufspolitische Wille muss da sein.“

Dabei sei der Wille da, sagt auch Löffelholz. Die Fragen nach ausreichender Vergütung seien aber alles andere als Pfennigfuchserei. „Es geht hier nicht ums Geschäft, aber ich kann nicht riskieren, da ein dickes Minus zu machen. Dazu haben wir schon zu viele Zuschussgeschäfte. Da noch eins draufzusetzen, geht nicht“, sagt er und rechnet vor, was an Kosten anfallen würde, die nicht vom angedachten Honorar gedeckt seien.

So koste allein ein für die Ausweitung der räumlichen Kapazitäten nötiges anderthalb mal anderthalb Meter großes Außenzelt in geeigneter Qualität um die 2000 Euro. Hinzu käme Kosten für Software von 600 bis 1000 Euro, das Geld für Schutzkleidung und anderes Equipment sowie nicht zuletzt die Entsorgung, für die spezielle Tonnen vorgeschrieben sind, die noch einmal mehrere hundert Euro pro Stück kosten. Und da sind Personalkosten noch nicht einmal mit einberechnet. All das müsse bewerkstelligt werden können, „ohne dass ich sofort Minus mache, wenn irgendetwas schiefläuft.“

All das sind bisher nur die wirtschaftlichen Unwägbarkeiten, die viele Apotheken zweifeln lassen. Die politischen und berufspolitischen seien da noch gar nicht bedacht. Löffelholz zeigt sich auch unzufrieden darüber, wie die Aktion schon wieder anläuft: Die Pläne dringen an die Öffentlichkeit, und diejenigen, die die Arbeit übernehmen sollen, erfahren davon aus der Presse wie alle anderen auch. „Ich finde, das muss man doch erst den Leistungserbringern kommunizieren, bevor man damit an die Presse geht“, sagt er. Das nötige Vertrauen, um in Vorleistung zu gehen, werde so jedenfalls nicht hergestellt. Außerdem sei bestehe die Gefahr, dass es wieder zu Verwerfungen innerhalb der Apothekerschaft kommt: „Es ist ganz wichtig, dass wir das diesmal nicht als Marketingaktion missbrauchen. Es muss ausschließlich ein Dienst am Menschen sein.“

Das betont auch Via, der Verband innovativer Apotheken: “Je mehr wir testen, umso sicherer können wir in den kommenden Monaten miteinander in unserem Land leben. Apotheken können das Prinzip ‘testen, testen, testen‘ dabei effizient vorantreiben und dauerhaft begleiten.” Einige Verbandsmitglieder würden bereits Tests durchführen und sehr gute Erfahrungen damit machen – das könne einen großen Beitrag leisten: “Wenn nur 2 Prozent der knapp 19.000 Apotheken mitmachten, hätte Deutschland flächendeckend auf einen Schlag fast 400 Testzentren mehr – bei nur 50 Tests am Tag pro Apotheke könnten somit knapp 500.000 Menschen innerhalb eines Monats getestet werden.”

Dabei könne auch für die Apotheken einiges abfallen: Die Bevölkerung scheine sie nämlich als “ideale Testorte” wahrzunehmen: kompetent, sicher, vertrauenswürdig und wegen ihrer attraktiven Öffnungszeiten gut zu erreichen. „Ein Bonus, der in dieser Situation effektiv genutzt werden sollte!“, so VIA. Man wolle deshalb das Signal nach Berlin senden: „Wir sind vorbereitet und stehen für Gespräche bereit!“

Das betont auch Schlenk. „Die Apotheker sind qualifiziert, haben die Flächendeckung und die Kompetenz zu Erklärung und Abgabe. Außerdem stehen sie durch die Öffnungszeiten für Fragen der Bevölkerung stets zur Verfügung – das ist Gold wert.“ In der Pandemie habe die Branche ihre Bereitschaft gezeigt, ihren Beitrag zu leisten – und zwar trotz der Widrigkeiten. „Wir schaffen das, egal was Herr Spahn uns da aufgibt. Aber wir möchten eine Beschleunigung, beispielsweise bei der Information darüber, welche Laientests wann zugelassen werden“, sagt sie. „Da wünschen wir Apotheker uns, dass wir das endlich wissen, denn etwas Beschaffungssicherheit brauchen wir schon.“ Auch Schlenk betont den Nutzen, den die Branche aus der Aktion ziehen könnte – insbesondere gegenüber der Bevölkerung. „Es kommt bei den Menschen bei uns unglaublich gut an. Die Dankbarkeit ist riesig und die Geschwindigkeit der Tests in der Apotheke ist unschlagbar. In Testzentren muss man oft lange warten, bei uns geht das deutlich schneller.“

 

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