Krebs, Infektionen und Stoffwechselerkrankungen

VFA: Trotz Pandemie 32 neue Medikamente in 2020

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Berlin -

Das Pandemie-Jahr 2020 hat auch die Pharmaindustrie und die Forschung vor Herausforderungen gestellt. Dennoch konnten, wie der Pharmaverband VFA berichtet, insgesamt 32 Medikamente mit neuen Wirkstoffen in Deutschland eingeführt werden – und der erste Impfstoff gegen Covid-19.

Der Fokus lag in diesem Jahr ganz klar auf Corona: Mögliche Therapien und Präventionen sollten möglichst zeitnah gefunden werden. Die Befürchtung: Forschungen im Bereich anderer Krankheiten und deren Therapien könnten in den Hintergrund rücken. „Mit dem ersten Covid-19-Impfstoff haben Unternehmen und Zulassungsbehörden die Trendwende gegen die Pandemie eingeläutet“, erklärt VFA-Präsident Han Steutel. „Zugleich haben Unternehmen 2020 auch für Patienten mit anderen Krankheiten unvermindert viele neue Medikamente herausgebracht.“

Mehr Einführungen als 2019

Insgesamt sind im Pandemie-Jahr 32 Medikamente mit neuen Wirkstoffen in die Versorgung gebracht worden – das sind sogar sieben mehr als 2019. Im Bereich Krebserkrankungen waren es zehn, bei den Entzündungskrankheiten fünf, gegen Infektionskrankheiten, Blutbildungsstörungen und Stoffwechselkrankheiten jeweils vier und im Bereich nicht-entzündliche neurologische Krankheiten drei. Gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Augenkrankheiten wurde jeweils ein neuer Wirkstoff herausgebracht. Hinzu kamen zahlreiche Erweiterungen der Anwendungsgebiete von bereits eingeführten Medikamenten und neue Darreichungsformen.

Die Bilanz liege damit genau im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre mit jährlich 32 Präparaten, so der VFA. Wie bereits erwartet, spielte auch Covid-19 eine wichtige Rolle: „Kein Medikament des Jahres 2020 wurde von mehr Menschen dringend erwartet als der erste Impfstoff gegen Covid-19“, erklärt der Verband. „Auch ein erstes neues Medikament zur Behandlung der Krankheit kam heraus.“ 2021 könnten voraussichtlich weitere Impfstoffe und Therapeutika folgen.

Doch auch in anderen, nicht weniger wichtigen Bereichen, gab es Erfolge: Beispielsweise Hepcludex (Bulevirtide, Myr) – das erste Medikament gegen die besonders schwere Leberentzündung Hepatitis D. Mit dem Neuzugang Trogarzo (Ibalizumab, TaiMed) wurde eine neue Wirkstoffklasse gegen HIV eröffnet: Der monoklonale Antikörper kann in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln als Therapiealternative eingesetzt werden, etwa wenn die bisherige Therapie nicht mehr ausreichend vor AIDS schützt.

Orphan-Drugs im Fokus

Auch für andere seltene Erkrankungen gab es neue Hoffnung: Gleich 13 der Medikamente mit neuen Wirkstoffen haben den Orphan Drug-Status in der EU und gelten damit als überlegen gegenüber bisherigen Behandlungsmöglichkeiten – soweit überhaupt vorhanden. Die Zahl neuer Orphan Drugs im Jahr 2018 belief sich auf 16, 2019 waren es hingegen nur fünf.

So können seit diesem Jahr beispielsweise die Krebserkrankung Mycosis fungoides und die erblich bedingte Blutbildungsstörung Beta-Thalassämie gezielt behandelt werden: Zynteglo von Bluebird Bio ist eins von zwei Gentherapeutika, die in diesem Jahr auf den Markt kamen. Durch die Behandlung können Betroffene mit Beta-Thalassämie auf lebenslange Bluttransfusionen verzichten – nach nur einer einmaligen Gabe des Medikaments. Das zweite Gentherapeutikum ist Zolgensma von Novartis zur Behandlung der ebenfalls angeborenen Spinalen Muskelatrophie Typ 1. Bei Betroffenen Kindern kommt es zu Lähmungen – viele versterben bereits in den ersten zwei Lebensjahren.

„Die im Jahr 2000 von der EU verabschiedete Verordnung für Medikamente gegen seltene Krankheiten motiviert Unternehmen weiterhin, auch Mittel gegen diese Erkrankungen zu entwickeln. Dieses erfolgreiche Rahmenprogramm sollte deshalb im bisherigen Umfang und uneingeschränkt weitergeführt werden“, so Steutel. Auch wenn die Orphan-Drugs in den vergangenen Jahren deutlich mehr geworden sind, entfallen laut VFA pro Jahr nicht mehr als 4,9 Prozent der Arzneimittelausgaben der Krankenkassen auf sie. Das liege auch daran, dass der Orphan-Status nur maximal zehn Jahre lang gilt.

Erfolge in der Krebstherapie

Gegen verschiedenste Krebserkrankungen wurden 2020 zehn neue Medikamente herausgebracht. „Für die Anfang 2019 vom Forschungs- und Gesundheitsministerium initiierte ‚Nationale Dekade gegen Krebs‘ sind diese Medikamente eine wichtige Stärkung. Denn in ihr geht es neben Prävention und Früherkennung auch um noch wirksamere Behandlungen für Krebspatienten, die im besten Fall eine Heilung ermöglichen."

Bei vier dieser Medikamente wird vor der Anwendung mit einem Gentest geprüft, ob die Krebszellen des betreffenden Patienten eine bestimmte Mutation aufweisen, gegen die das Mittel seine Wirkung ausrichtet. Das Vorliegen einer sogenannten „NTRK-Genfusion“ ist bei einem der Medikamente sogar das allein ausschlaggebende Einsatzkriterium ‒ unabhängig vom betroffenen Organsystem. Vitrakvi (Larotrectinib) von Bayer ist damit erst das zweite Medikament, das eine solche „tumoragnostische“ Zulassung erhalten hat. Bei einigen bereits bekannten Krebstherapien konnte die Zulassung auf andere Krebsarten zudem erweitert werden.

 

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