Gesundheits-Apps

„Selbsttests werden in Apotheken zunehmen“

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Berlin -

Florian Schumacher sieht sich selbst nicht als Kontrollfreak. Dennoch kennt der Münchener seine Körperwerte und Vitaldaten ganz genau. Der Ingenieur ist passionierter Self-Tracker und unterstützt Unternehmen bei digitalen Sport-, Gesundheits- und Wellnessangeboten. Auch für Apotheken sieht er Potenzial, sich mit neuen Techniken abzugrenzen. Bei der Digitalkonferenz VISION.A spricht er als Referent über die totale Vernetzung.

Vitamin B12-Mangel, sportliche Leistung und Blutbild: Schumacher will es wissen. Der Münchener hat vor sechs Jahren mit der Vermessung des eigenen Ichs begonnen. „Besonders interessant ist das Tracking für das eigene Selbstmanagement.“ Wer wisse, wie genau sich die Umstellung einer langjährigen Gewohnheit auf den Körper auswirke, sei motivierter. „Ich habe damals beispielsweise mein Schlafpensum überschätzt.“ Durch die Aufzeichnung von Schlafrhythmus und weiteren Werten konnte Schumacher eigene Gewohnheiten wie etwa die Schlafumgebung verbessern.

Mit dem Kauf des ersten Smartphones war seine Leidenschaft für das Messen und Analysieren von Daten geweckt. 2011 ließ er sich einen Schrittzähler aus den USA schicken. „Mit dem dadurch ausgelösten gesteigerten Bewusstsein für meine eigene Aktivität habe ich eine viel positivere Einstellung zur Bewegung gewonnen.“ Im Anschluss entwickelte er eigene Self-Tracking-Applikationen und begann, sich mit dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Potenzial der Innovationen zu beschäftigen.

Wichtig sei, die gewonnen Daten kritisch zu betrachten. „Ich habe die Aussagen der Apps und Sensoren nie überbewertet, sondern versuche die Genauigkeit der Messwerte und die Plausibilität bei meinen Selbstexperimenten stets zu hinterfragen“. Die Interpretation etwa von Blutwerten sei nicht trivial. Neben der intensiven Auseinandersetzung mit Gesundheitshemen stelle auch die Diskussion der Daten mit dem Arzt eine wichtige Absicherung dar.

Das Interesse an Wearables & Co. sei hierzulande eher konsumentengetrieben. Besonders die Armbänder zur Bewegungsmessung seien in den vergangenen Jahren enorm erfolgreich gewesen. Tracking müsse jedoch nicht immer vom Verbraucher ausgehen, sagt Schumacher, der heute als Digital Health Consultant bei der Münchner Unternehmensberatung iic-solutions tätig ist und das Netzwerk Quantified Self Deutschland gegründet hat. „Im Alltag erhobene Daten zum Körper und zum eigenen Verhalten spielen zukünftig eine immer größere Rolle in der Gesundheitsversorgung, so dass viel mehr Menschen mit der Selbstvermessung in Berührung kommen werden.”

In Deutschland fehle es jedoch an Anreizen von Krankenkassen, sagt er. Nur wenige Apps, zum Beispiel Anwendungen für Tinnitus-Patienten und für Kinder mit einer seltenen Augenkrankheit, würden von manchen Krankenkassen erstattet. Andere Länder wie Großbritannien seien da deutlich weiter. „Hier bleibt im Moment noch viel Potenzial ungenutzt”, so Schumacher.

Eine Abhängigkeit der Anwender von den digitalen Lösungen sei unwahrscheinlich, sagt er. Die Technologien seien eher eine Art Lernhilfe. Die Masse der Nutzer von Fitnessarmbändern habe die Geräte nur wenige Monate im Einsatz. Sie eigneten sich mit den Geräten neue Gewohnheiten an, die danach auch ohne technologische Unterstützung beibehalten werden könnten. Besonders junge Menschen seien der neuen Technik gegenüber aufgeschlossen. Aber auch ältere nutzten die Angebote mittlerweile immer häufiger.

Die neuen digitalen Angebote veränderten auch die Kommunikation zu Arzt und Apotheken, sagt Schumacher. Schon jetzt informierten sich Patienten im Internet, bevor sie in Praxis oder Offizin gingen. „Mit der Hilfe von Messwerten können Verbraucher ihre eigene Situation zukünftig weitaus besser einschätzen, als durch das bloße Lesen von Wikipedia-Artikeln”, so Schumacher. Allerdings könnten aus den Apps noch keine Diagnosen oder Behandlungsempfehlungen abgeleitet werden. Die Ratschläge der digitalen Helfer sollten mit gesundem Menschenverstand genutzt werden, empfiehlt Schumacher.

Auch Heilberufler sollten sich mit den neuen Angeboten befassen: „Selbsttests werden in Apotheken zunehmen“, sagt er. Pharmazeuten könnten als Abgrenzung zum Check-up beim Arzt beispielsweise eine spezielle Beratung anbieten. Durch die Selbstmessung entstünden aufgeklärtere Patienten, die anders beraten werden wollten. „Mitarbeiter von Apotheken sollten daher über die wichtigsten Wearables und Gesundheits-Apps Bescheid wissen und eine Empfehlung abgeben.“

Für Schumacher liegt die Zukunft der Gesundheit nicht nur in den alltäglich erhobenen Daten. Aktuell arbeitet er gemeinsam mit Professor Dr. Uwe Nixdorff für das Unternehmen Hanako an Check-ups von Mitarbeitern als Maßnahme des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Durch die medizinisch fundierte Bestandsaufnahme sei eine viel sinnvollere Ableitung von Handlungsempfehlungen möglich, sagt er.



Schumacher ist Referent bei der Digitalkonferenz VISION.A von APOTHEKE ADHOC am 16. März in Berlin. Die Veranstaltung widmet sich dem digitalen Wandel in Pharma & Apotheke; rund 250 Gäste werden im Cafe Moskau erwartet. Weitere Informationen und Tickets: http://vision.apotheke-adhoc.de/

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