Johanniskraut-Präparate

Laif bricht ein

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Berlin -

Die Lieferengpässe bei Laif werden für Bayer zum Krisenszenario: In den ersten beiden Monaten sind die Abverkäufe um die Hälfte eingebrochen, eine Besserung ist nicht in Sicht. Längst spüren die Konkurrenten die gestiegene Nachfrage und setzen alles daran, dem Platzhirsch auf Dauer Marktanteile abzujagen.

Mit Stimmungsaufhellern werden nach Zahlen von IMS Health in den Apotheken pro Jahr rund 28 Millionen Euro auf Basis der Verkaufspreise (AVP) umgesetzt; rund 1,2 Millionen Packungen gehen über den HV-Tisch. Der Markt ist überschaubar, aber seit Jahren stabil. Mit 7,5 Millionen Euro beziehungsweise einem Marktanteil von 27 Prozent liegt Laif mit weitem Abstand vorn.

Doch seit einigen Wochen kann Bayer nicht mehr liefern – Probleme mit der Qualität der Rohstoffe trafen den Konzern mitten in der Saison. Nur kleinere Packungsgrößen seien teilweise noch verfügbar; womöglich müssten sich die Patienten noch bis zum Sommer gedulden, bis die Probleme behoben seien, sagte ein Sprecher Anfang März. Vor allem die rezeptfreie Variante will der Konzern schnell wieder an den Start bringen.

Die Lieferschwierigkeiten schlagen sich bereits in den Geschäftszahlen nieder: Im Januar wurde in den Apotheken noch Ware im Wert von 615.000 Euro verkauft, im Februar waren es nur 355.000 Euro. Fast ein Drittel seines Geschäfts hat Bayer damit im Vergleich zum Vorjahr eingebüßt, als in den ersten beiden Monaten noch 1,4 Millionen Euro auf AVP-Basis erlöst wurden. Im Februar lag der Rückgang sogar bei 43 Prozent.

Profitiert hat vor allem Jarsin; das Produkt von Klosterfrau legte um 59 Prozent zu auf 345.000 Euro zu. Der OTC-Hersteller aus Köln hat auf die überraschenden Lieferengpässe reagiert und die Produktion entsprechend angepasst. Man bemühe sich, alle Bestellungen zu bedienen, sagt ein Sprecher. Naturgemäß dauere es aber eine gewisse Zeit, bis die Ware nachproduziert sei. „Derzeit sind Lieferengpässe bei einzelnen Größen nicht auszuschließen.“

Keine Lieferengpässe sieht man bei Aliud. Die Stada-Tochter ist der zweite große Profiteur des Lieferausfalls bei Bayer. Ware im Wert von 133.000 Euro wurde im Januar und Februar in den Apotheken verkauft, drei Viertel mehr als im Vorjahr. Im Februar lag Johanniskraut Aliud – genauso wie Jarsin – doppelt so hoch wie 2015.

Dr. Willmar Schwabe konnte mit Neuroplant um 26 Prozent auf 256.000 Euro zulegen, Hexal mit Felis nach einem insgesamt schwachen Vorjahr um 17 Prozent auf 244.000 Euro. Neurapas enthält neben Johanniskraut auch Baldrian und Passionsblume; das Produkt von Pascoe wuchs um 7 Prozent auf 725.000 Euro. Hyperforat von Dr. Gustav Klein lag mit 65.000 Euro auf Vorjahresniveau.

Ebenfalls in die IMS-Produktgruppe fallen die Bachblüten-Produkte von Nelsons und Murnauer. Während der britische Hersteller seit Jahren auf rund 2,8 Millionen Euro kommt, hat die Fette-Tochter seit 2013 von 1,5 auf 5,8 Millionen Euro zugelegt. Nicht berücksichtigt wird dagegen Lasea; das Schwabe-Präparat mit Lavendelöl ist zur Behandlung von Unruhezuständen bei ängstlicher Verstimmung zugelassen und kommt auf rund 22 Millionen Euro.

Laif ist mit 900 Milligramm das höchstdosierte Johanniskrautpräparat am Markt. Bayer macht die Qualität der Rohstoffe verantwortlich, die in verschiedenen Ländern eingekauft würden. Die Beschaffenheit könne aufgrund von witterungsbedingten, jahreszeitlichen und herkunftsbedingten Schwankungen unterschiedlich ausfallen, so ein Konzernsprecher.

Das mache strenge Kontrollen vor und nach der Verarbeitung zum Extrakt erforderlich, um eine gleichbleibende Qualität zu garantieren. Bayer habe den Anspruch, den Verwendern ein Arzneimittel zur Verfügung zu stellen, dass allen Ansprüchen in puncto Wirksamkeit, Verträglichkeit und Qualität entspreche. Teile der letzten Ernte hätten die hohen Qualitätsstandards nicht in allen Punkten erfüllt, so der Sprecher. Die Probleme hätten sich bereits Ende 2015 bemerkbar gemacht; man arbeite mit Hochdruck daran, bald wieder in vollem Umfang lieferfähig zu sein.

Zu einer möglichen Verunreinigung wollte sich Bayer nicht konkret äußern. In der Branche hält sich hartnäckig das Gerücht, dass ein zu hoher Gehalt an Pyrrolizidinalkaloiden (PA) zu den Engpässen geführt hat. Bayer bezieht Johanniskraut nicht nur aus GACP-kontrolliertem Anbau, sondern auch aus Wildsammlungen. Oft wachsen Korbblütler in der Nähe, vor allem bei Jakobskreuzkraut ist die Verwechslungsgefahr groß.

Auch der Bayer-Sprecher weist darauf hin, dass bei pflanzlichen Rohstoffen, die selbst keine PA enthielten, eine Verunreinigung durch Beikräuter in der Größenordnung von zwei bis drei Pflanzen pro Hektar ausreiche, um nachweisbare Mengen wiederzufinden. Die PA-Belastung von pflanzlichen Rohstoffen und Honig sei durch eine erhebliche Steigerung der Empfindlichkeit der analytischen Messmethodik zurück ins Bewusstsein der Erzeuger und Behörden gekommen. „Eine prinzipiell gestiegene Belastung kann dabei nicht unterstellt werden.“

Verbände und Hersteller pflanzlicher Arzneimittel hätten sich bereits in den vergangenen Jahren mit der Etablierung von geeigneten Prüfverfahren bei pflanzlichen Rohstoffen und Extrakten beschäftigt und einen „Code of practice“ erarbeitet. „Natürlich hat sich auch Bayer als Hersteller pflanzlicher Arzneimittel hierbei frühzeitig eingebracht und wird die mit der Bekanntmachung des BfArM vom 01.03.2016 festgelegten Maßnahmen entsprechend umsetzen.“

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