Verschwörungsmythen

Corona-Leugner am HV: Kammer sieht genau hin

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Berlin -

Wer glaubt, dass die Corona-Pandemie in Wahrheit eine Verschwörung ist, sollte sich am HV bedeckt halten: Apotheker, die sich als Corona-Leugner oder mit Verschwörungsmythen hervortun, müssen aus Sicht der Apothekerkammer Niedersachsen (AKNS) unter bestimmten Umständen mit berufsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Mehrere Ärztekammern hatten kürzlich nach mehreren Beschwerden Patienten ermutigt, solche Ärzte zu melden. In der Apothekerschaft hingegen sei das bisher nicht vorkommen, erklärt die AKNS: „Der Apothekerkammer Niedersachsen liegen keine Beschwerden von Patienten vor.“

Wer sich in ärztliche Behandlung begibt, sollte eigentlich davon ausgehen können, nach aktuellem Stand der Wissenschaft behandelt zu werden. Allerdings finden sich offensichtlich in Deutschland auch unter Ärzten mehrere Hundert, die entweder die Gefahren durch Covid-19 herunterspielen oder noch viel abwegigere Thesen verbreiten. Nicht zuletzt einige der Wortführer der „Querdenken“-Bewegung wie Dr. Bodo Schiffmann oder Dr. Wolfgang Wodarg sind Ärzte. Allein in Berlin sind nach Angaben der dortigen Ärztekammer seit März 130 Ärzte damit aufgefallen, fragwürdige oder schlicht falsche Behauptungen über die Pandemie zu verbreiten, sich kategorisch Hygienevorschriften wie der Maskenpflicht zu widersetzen oder aber systematisch Gefälligkeitsatteste auszustellen, um Patienten von der Maskenpflicht zu befreien.

Knapp 20 Ärzte und Praxen habe die Kammer deshalb bereits an das Gesundheitsamt gemeldet, Fälle von Patientengefährdung leite sie auch an die Staatsanwaltschaft weiter, erklärte Kammerpräsident Günther Jonitz kürzlich im RBB. Berufsrechtlich könnten den Ärzten Geldbußen bis zu 10.000 Euro drohen. Zwar seien jene Ärzte unter den rund 34.000 Kollegen in der Hauptstadt „ein verschwindend kleiner Teil“, so Jonitz, die Entwicklung sei dennoch „erschreckend wie furchtbar und beschämend gleichermaßen“. Deshalb bitte er darum, „dass jeder dieser Fälle an die Ärztekammer Berlin gemeldet wird, weil die Aussagen nicht stimmen und eine Praxis kein Ort dafür ist, Patienten mit Heilslehren oder mit Lügen zu indoktrinieren“.

Ähnlich will nun die Ärztekammer Niedersachsen vorgehen. Denn auch dort gebe es Beschwerden von Patienten und Kollegen über Ärzte, die falsche Informationen über die Pandemie verbreiten – und auch dort sei es nur ein sehr geringer Teil. Die niedersächsische Kammer spricht von rund 20 Fällen unter 43.000 Ärzten. Patienten sollen nun weitere melden. „Wenn wir Beschwerden erhalten, prüfen wir diese berufsrechtlich und holen in diesem Rahmen auch Stellungnahmen der betroffenen Ärzte ein“, erklärt dazu ein Kammersprecher. Sollten sich die Hinweise verdichten, werde ein berufsrechtliches Verfahren eingeleitet mit den Möglichkeiten, eine Rüge zu verhängen oder ein berufsgerichtliches Verfahren zu beantragen. „Im Einzelfall kann es auch sinnvoll sein, Strafanzeigen zu erstatten.“

In der Apothekerschaft wiederum scheint das Problem weitaus weniger virulent. Der Kammer lägen keine Beschwerden über Kollegen vor, heißt es auf Anfrage. Dennoch müssen auch Kollegen mit Konsequenzen rechnen, wenn sie sich unverantwortlich äußern – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen: „Als freier Heilberufler entscheidet der Apotheker auf Grundlage seiner Fachkompetenz selbst, wie er seine Patienten berät und welche Arzneimitteltherapie am sinnvollsten ist“, so die Kammer auf Anfrage. „Berufsrechtliche Maßnahmen setzen konkrete Berufsrechtsverletzungen voraus. Die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder auch Meinungsäußerungen kann nicht zur Grundlage berufsrechtlicher Maßnahmen gemacht werden.“

Auch die freie Meinungsäußerung hat jedoch ihre Grenzen, wenn es um harte Fakten geht, die geeignet sind, die Gesundheit von Menschen aufs Spiel zu setzen. So habe der Apotheker im beruflichen Kontext darauf hinzuweisen – etwa im Rahmen der Abgabeberatung – wenn er von anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen abweicht. Auch rechtlich verbindliche Hygienestandards müssten in der Offizin beachtet werden – auch wenn der Inhaber ihre Zweckmäßigkeit anzweifelt. „Gegebenenfalls ist der Apotheker auf den Rechtsweg gegen entsprechende behördliche oder gesetzgeberische Maßnahmen zu verweisen“, so die Kammer.

Ganz untersagt sei es Apothekern wiederum, durch Meinungsäußerung gegenüber Patienten in die ärztliche Therapiehoheit einzugreifen. „Insofern könnte das Leugnen der Corona-Pandemie gegenüber dem Patienten in der Apotheke im konkreten Fall auch berufsrechtliche Auswirkungen haben“, so die AKNS. „Da die Grenzen fließend sind, ist jeder Einzelfall zu betrachten und auf seine etwaige berufsrechtliche Relevanz zu überprüfen.“

 

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