Valsartan: Die erste Zivilklage Tobias Lau, 20.02.2019 12:16 Uhr
-
Nierenkrebs durch Valsartan? Anwalt Heiko Melcher vertritt eine 80-jährige Patientin, die mehrere Valsartan-Hersteller verklagt. Foto: Kanzlei Schnepper Melcher
Berlin - In Konstanz hat erstmals eine Patientin eine zivilrechtliche Klage gegen Valsartan-Hersteller eingereicht. Wie die mit dem Fall betraute Kanzlei Schnepper Melcher bekannt gibt, handelt es sich um eine 80-jährige Frau, die an Nierenkrebs erkrankt ist. Ihr Anwalt sieht gute Chancen auf Schadensersatz. Strafrechtlich sieht es für potenziell geschädigte Patienten schwieriger aus: Vergangenen Freitag hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth eine Anzeige wegen Körperverletzung gegen 1A Pharma und Mylan abgewiesen.
Es sei „offensichtlich die erste Klage einer von der Einnahme mit krebserzeugenden Nitrosaminen verunreinigten Arzneimitteln betroffenen Patientin“, so die Kanzlei. Heiko Melcher, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, vertritt eine 80-jährige Frau aus Baden-Württemberg, die an Krebs im Endstadium leidet. Auf Anfrage erklärt er, sie habe von August 2013 bis Juli 2018 die Höchstdosis von 320 mg am Tag genommen, stets generische Versionen von 1A, Mylan und Hexal. Vergangenes Jahr erkrankte sie an Krebs, ihre linke Niere musste bereits entfernt werden.
Anwalt und Klägerin geben den drei Generikaherstellern eine maßgebliche Schuld an der Erkrankung und machen deshalb Auskunfts-, Schmerzensgeld- und Feststellungsansprüche geltend. Sie argumentieren, dass sowohl die Gefährdungshaftung aus § 84 Arzneimittelgesetz (AMG) als auch das Unterlassen notwendiger Kontrollen im Herstellungsland die Ansprüche begründen.
§ 84 AMG regelt den Schadensersatz für Patienten, die durch ein Arzneimittel geschädigt wurden. „Der Paragraph stärkt die Patientenrechte, indem er in solchen Fällen gewissermaßen eine Umkehr der Beweislast festschreibt“, erklärt Melcher. „Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist“, heißt es in § 84 Abs.2 AMG. Diese Eignung wird im Einzelfall nach mehreren Faktoren beurteilt: der Zusammensetzung und der Dosierung des Arzneimittels, Art und Dauer der Anwendung, zeitlicher Zusammenhang mit dem Schadenseintritt, Schadensbild und gesundheitlicher Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung „sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen“, so der Gesetzestext.
Lesen Sie auch
-
Nitrosamin-Verunreinigungen Sartane: EMA nimmt Hersteller in die Pflicht »
-
Verunreinigtes Valsartan FDA: Krebs durch NDMA 1:8000 »
-
AMK-Meldung NMBA ist die neue Verunreinigung in Losartan »
-
Arzneimittelskandal Valsartan: Erste Nitrosamin-Beschwerde 2016 »
-
Valsartan/Grippeimpfstoffe Mylan antwortet auf Kritik »
-
2017 Valsartan: 900.000 betroffene Patienten »
Neuere Artikel zum Thema
-
Zivilverfahren gegen 1A, Hexal und Mylan Krebs durch NDMA? Gericht entscheidet über Valsartan-Gutachten »
-
Lieferengpässe Valsartan: Jetzt wird retaxiert »
-
Trotz Arzneimittelskandal Valsartan: Immer noch die Nummer 2 »
-
Lieferprobleme Valsartan: Wettlauf gegen die Zeit »
-
Schadenersatzklagen Valsartan-Prozess: Hersteller und Apotheken vor Gericht »
-
Lieferengpässe Valsartan-Generika: Alles defekt »
-
Nitrosamin AdkÄ zu Valsartan: „Es besteht ein Risiko“ »
-
ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick Auge um Auge, Zahn um Zahn »
- MS-Medikament Copaxone: Kartellverfahren gegen Teva »
- Neuartige Behandlungsoption Lecigon: Stada bringt Parkinson-Pumpe »
- Zweistelliger Millionenbetrag Dermapharm: Umsatzsprung dank Corona-Impfstoff »
Mehr aus Ressort
- Geringster Zuspruch seit 2019 Umfragetief: Spahns Beliebtheitswerte sacken ab »
- Rheinland-Pfalz Corona-Selbsttests in Apotheken: „Wird noch dauern” »
- Kein Engpass erwartet BMG: 150 Millionen Tests auf Halde »
APOTHEKE ADHOC Debatte