Gutachten stützt Hersteller

Krebs nach NDMA-Valsartan: Mindestens 320 mg über 40 Jahre

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Berlin -

In der juristischen Aufarbeitung des Valsartan-Skandals dürften die Hersteller 1A, Hexal und Mylan demnächst einen Sieg einfahren: Vor dem Landgericht Konstanz gaben am vergangenen Mittwoch zwei Gerichtsgutachter ihre Einschätzung zur Krebsgefahr durch mit Nitrosaminen verunreinigte Präparate vorgelegt. Demnach reicht die Einnahme der Tageshöchstdosis von 320 mg über eine Dauer von fünf Jahren bei weitem nicht aus, um eine Krebserkrankung auf sie zurückzuführen.

Der konkrete Fall war die erste Zivilklage in dem Skandal: Es geht dabei um eine 80-jährige Frau, die 2018 an Nierenkrebs erkrankt war. Vergangenes Jahr erlag sie der Krankheit. Vor dem Landgericht wird nun um die Frage gestritten, ob das Valsartan, das sie fünf Jahre lang eingenommen hatte, für den Nierenkrebs verantwortlich war: Rechtsanwalt Heiko Melcher sagt ja, die vier Rechtsanwälte der drei Hersteller argumentieren, dass die Erkrankung auch auf andere Faktoren zurückgeführt werden könne.

Zu Beginn des Verfahrens war es deshalb um allerlei Fragen der Lebensführung vom Tabak- bis zum Alkoholkonsum gegangen sowie um andere Umstände wie Bluthochdruck, Übergewicht oder das schlichte Alter der Verstorbenen. Eine gütige Einigung hatten die Hersteller abgelehnt. Im Ergebnis machte das Gericht Ende 2020 deutlich, dass zwei Gutachter die Frage klären müssten, ob das Valsartan ursächlich für die Krebserkrankung war.

Die Wahl fiel auf den Nephrologen Professor Dr. Martin Zeilner vom Universitätsklinikum Heidelberg sowie die Pharmakologin Professor Dr. Ursula Gundert-Remy von der Berliner Charité, die seit 1994 in der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) sitzt. Ihre in mündlicher Verhandlungen vorgetragenen Einschätzungen fielen dabei sehr zur Freude der Herstelleranwälte aus: Demnach ist das Risiko, durch die NDMA-verunreinigten Valsartan-Präparate an Nieren- oder einem anderen Krebs zu erkranken, so gering, dass besagte Tabletten mindestens ein halbes Leben lang eingenommen werden müssten, um darauf eine entsprechende Krebserkrankung zurückführen zu können. Konkret sprachen sie von einer Einnahmedauer von 40 Jahren.

Davon war die verstorbene Frau mit einer Einnahmedauer von fünf Jahren weit entfernt. Doch auch ihre Erkrankung selbst spreche gegen die Valsartan-These: Das bei ihr festgestellte Karzinom sei bereits so groß gewesen, dass es schon bestanden haben müsse, bevor sie mit der Einnahme von Valsartan begonnen hatte. Entsprechend sind die Aussichten nun auf Klägerseite. Am 12. Januar will das Gericht seine Entscheidung bekanntgeben – es ist davon auszugehen, dass es die Klage abweist.

Weitere Fälle vor Gericht

Der Valsartan-Skandal wurde und wird in mehreren Verfahren parallel aufgearbeitet. So steht beispielsweise AbZ in Frankfurt vor dem Oberlandesgericht: Eine Patientin wirft dem Hersteller vor, für ihre Krebserkrankung verantwortlich zu sein. Das Landgericht Frankfurt (LG) hatte die Klage zuvor abgewiesen, doch in einem Teilurteil hat das OLG den Hersteller jetzt zur „Auskunft über bekannte Wirkungen und Erkenntnisse verurteilt, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Valsartan von Bedeutung sein können, soweit diese u.a. Krebserkrankungen betreffen“.

Vor dem Landgericht München II fordert ein ehemaliger Pharmareferent eine Million Euro Schadenersatz von Hexal, weil er den Hersteller für seine Krebserkrankung verantwortlich macht. Auch für ihn sieht es derzeit nicht gut aus. Bereits entschieden ist der Fall einer Klägerin, die überhaupt nicht an Krebs erkrankt war. Sie berief sich darauf, seit Bekanntwerden der Verunreinigungen unter einer Angststörung samt Panikattacken und Schlafstörung zu leiden. Sie konnte nicht einmal nachweisen, verunreinigte Chargen erhalten zu haben. Entsprechend hat das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden: Der Hersteller könne nicht in Haftung genommen werden.

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