Ausgebliebene Impfstofflieferungen

EU verklagt AstraZeneca

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Berlin -

Die EU-Kommission verklagt AstraZeneca. Das teilte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides am Montagnachmittag mit. Die EU will auf dem Rechtsweg die Einhaltung der vertraglich zugesicherten Impfstoffmengen forcieren. Dass Brüssel für die Zusammenarbeit mit AstraZeneca keine Zukunft sieht, war bereits vergangene Woche öffentlich geworden.

In wenigen Wochen soll AstraZeneca ausgelistet werden – der britisch-schwedische Konzern hat sich aus Sicht der EU nicht als verlässlicher Lieferant gezeigt und die Bürger der EU als „Bürger zweiter Klasse“ behandelt, wie EU-Gesundheitspolitiker Dr. Peter Liese es vergangene Woche formulierte. Die vertraglichen Optionen auf weitere 100 Millionen Dosen lässt die EU daher verfallen.

Vorher will die Kommission aber noch sicherstellen, dass sie auch alles erhält, was im Vertrag vereinbart. „Unsere Priorität ist es, Covid-19-Impfstofflieferungen sicherzustellen, um die Gesundheit der EU zu schützen“, so Kyriakides am Montagnachmittag auf Twitter. „Deshalb hat die EU-Kommission gemeinsam mit allen Mitgliedstaaten entschieden, rechtliche Schritte gegen AstraZeneca einzuleiten. Jede Impfstoffdosis zählt. Jede Impfstoffdosis rettet Leben.“ Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters bestätigte ein Kommissionssprecher, dass das juristische Verfahren bereits am Freitag eingeleitet wurde. Man habe das Verfahren vor einem belgischen Gericht auch im Namen der 27 Mitgliedsstaaten gestartet.

Kurz zuvor war bekannt geworden, dass der Schritt bevorsteht. Am Mittwoch hatten die Botschafter der EU-Mitgliedstaaten ihr diesbezügliches Vorgehen abgestimmt. „Das Wichtigste ist nun, dass wir die Lieferung einer ausreichenden Zahl von Impfstoffdosen sicherstellen, wie sie das Unternehmen bereits zugesagt hat“, erklärte daraufhin ein Kommissionssprecher. „Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten prüfen wir derzeit alle Optionen, das umzusetzen.“ Das Magazin Politico hatte da schon aus Teilnehmerkreisen erfahren, dass die Mehrheit der EU-Staaten einer Klage gegen AstraZeneca zugestimmt hat.

AstraZeneca hat im ersten Quartal lediglich ein Viertel der zugesagten Anzahl an Impfstoffdosen geliefert: 30 statt 120 Millionen Dosen. Im zweiten Quartal wird es voraussichtlich nicht viel besser: Bis Ende Juni sollen 70 der 180 Millionen vereinbarten Dosen ausgeliefert werden.

Bereits im März hatte sich die Kommission deshalb mit einem Brief an AstraZeneca gewandt, um den Streit gütlich zu lösen – dieses Verfahren ist im Vertrag festgeschrieben. Neben Fragen zu Ursachen der gestrichenen Lieferungen und künftige Zusagen wollte die EU auch Informationen zum Verbleib von Fördergeldern erhalten. So habe sie AstraZeneca im September 224 Millionen Euro für die Beschaffung von Vorprodukten zur Herstellung des Impfstoffs zukommen lassen. AstraZeneca habe deren tatsächlichen Erwerb aber nicht ausreichend gegenüber der EU belegt.

Laut Reuters hat AstraZeneca allerdings nicht auf das Schreiben reagiert. Die letzte Antwortfrist sei im April verstrichen. Deshalb will Brüssel nun härtere Bandagen aufziehen. Was nämlich auch im Vertrag steht: Im Falle ein es Rechtsstreits sind belgische Gerichte für dessen Beilegung zuständig. Diesen Weg plant die EU nun zu gehen.

EU-Parlamentarier Liese begrüßt das Vorgehen der Kommission, künftig auf Lieferungen von AstraZeneca zu verzichten. Die gleiche Entscheidung hat die EU auch bei Johnson & Johnson getroffen. Das hätten die beiden Unternehmen sich selbst zuzuschreiben, da sie „die Europäische Union nicht fair behandelt“ hätten, so Liese am Donnerstag: „Der Fall bei AstraZeneca ist gravierend, weil sie ihre Lieferverpflichtungen nicht eingehalten haben und EU-Bürger, insbesondere gegenüber Großbritannien, als Bürger zweiter Klasse behandelt haben.“ Johnson & Johnson bemühe sich zwar, seine Lieferverpflichtungen für das dritte Quartal einzuhalten. Es sei aber noch nicht absolut sicher und das Unternehmen habe erst verspätet mit der Lieferung an die EU begonnen, nämlich erst vier Wochen nach der Zulassung. „Die Firmen müssen sich also nicht wundern, wenn die Europäische Union jetzt auf andere Hersteller setzt“, so Liese.

 

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