EU plant Klage gegen Konzern

Auslaufmodell: Ab Sommer ohne AstraZeneca?

, , Uhr
Berlin -

Es ist ein Hin und Her beim Vektorimpfstoff Vaxzevria von AstraZeneca. Erst nur für Jüngere, dann nur für Ältere und jetzt – so scheint es – für alle, die wollen und den Arzt mittels Unterschrift von der Haftung freistellen. Der Impfstoff von AstraZeneca hat ein so großes Imageproblem, dass Impfdosen in den Praxen liegen bleiben und immer mehr Städte und Gemeinden „Sonder-Impftage“ ohne Priorisierung anbieten. In den Impfzentren werden ab sofort nur noch Zweitimpfungen von Vaxzevria aufgezogen, aber Kalenderwoche 29 soll es dann gar keine Dosen mehr über den Bund geben. Grund könnte sein, dass die EU bereits erwägt, den Vertrag mit AstraZeneca auslaufen zu lassen – den Konzern aber vorher noch auf die Einhaltung der bereits zugesagten Impfstoffmengen verklagen will.

Schaut man in die Tabelle des Bundes, so enthält die Aufstellung einige Lücken: Bundesländer wie Berlin, Hamburg oder das Saarland erhalten demnach gar keinen AstraZeneca-Impfstoff mehr für die Anwendung in den Impfzentren. Die Prognosen reichen bis in die Kalenderwoche 29. Generell soll Vaxzevria in den Impfzentren nur noch für Zweitimpfungen zum Einsatz kommen. Arztpraxen sollen ab kommender Woche wählen können, ob sie die Vakzine von AstraZeneca bestellen wollen oder nicht. Die Pflicht, gleiche Teile Vaxzevria und Comirnaty zu bestellten, hielt nur eine Woche stand.

Das saarländische Gesundheitsministerium antwortet zu den wegfallenden AstraZeneca-Lieferungen: „Aktuell stehen Zweitimpfungstermine mit AstraZeneca bis in die Kalenderwoche 25 an. Auch bei der Sonderimpfung für Mitglieder von Blaulichtorganisationen mit AstraZeneca wird die Zweitimpfung 12 Wochen nach der Erstimpfung stattfinden, dies wäre dann gemäß der aktuellen Planung bis in die Kalenderwoche 29 der Fall. Da eine weitere Belieferung mit AstraZeneca durch den Bund nicht mehr erfolgen soll, werden die letzten Dosen bis zu diesem Zeitpunkt bereitgehalten werden.“

Die Sozialbehörde Hamburg weist darauf hin, dass es in den Kalenderwochen 16 und 17 bundesweit zu Lieferausfällen bei Vaxzevria kommt und fügt hinzu: „Sobald allerdings wieder Lieferungen erfolgen, wird in Hamburg auch weiterhin dieser Impfstoff verimpft.“ Doch für die darauffolgenden Wochen sind – laut Lieferprognosen des Bundes – keine weiteren AstraZeneca-Impfdosen für die Hansestadt vorgesehen. Hierzu heißt es seitens der Sozialbehörde, dass man nichts Genaueres zu den Liefermengen wüsste. „Wir erhalten lediglich diese Ankündigungen. Das ist auch der Grund dafür, dass Hamburg stets nur so viele Termine vergibt, wie auch Impfstoff geliefert beziehungsweise angekündigt wird.“

Über die EU soll Deutschland in diesem Jahr laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) eigentlich rund 56,3 Millionen Dosen Vaxzevria erhalten. Erst ein Bruchteil davon dürfte bislang ausgeliefert worden sein: Bis Ende März waren es knapp 5,6 Millionen Dosen, bis Ende April werden es insgesamt 6,9 Millionen Dosen sein.

Anfang des dritten Quartals könnte also Schluss sein mit der Verimpfung von AstraZeneca. Das deckt sich mit Berichten aus Brüssel, wonach die EU erwägt, nicht erneut bei dem britisch-schwedischen Konzern zu ordern, da er massiv daran gescheitert ist, die im Vertrag mit der EU genannten Impfstoffmengen zu liefern – laut Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat AstraZeneca den 27 EU-Staaten im ersten Quartal statt der 120 Millionen bestellten Dosen lediglich 30 Millionen geliefert „und damit die Probleme verursacht, die jetzt alle sehen können“, zitiert ihn die Deutsche Welle. Auch im zweiten Quartal werden Breton zufolge nur 70 der 180 Millionen bestellten Dosen ausgeliefert.

Und der Vertrag läuft bald aus. Es ist daher ungewiss, ob die EU weiter von AstraZeneca beziehen wird. „Nichts ist entschieden, die Gespräche laufen noch“, so Breton. Etwas deutlicher wurde jedoch die französische Industrieministerin Agnes Pannier-Runacher in einem Interview am Freitag: Es sei „sehr unwahrscheinlich“, dass die EU den Vertrag verlängere. Denn die Kommission habe noch gar nicht begonnen, mit AstraZenca zu verhandeln – mit Biontech/Pfizer und Johnson & Johnson hingegen schon. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hingegen betonte bereits, auf mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer, Moderna und demnächst Curevac setzen zu wollen. Die Unternehmen hätten sich als „zuverlässige Partner herausgestellt, die ihre Verpflichtungen ernst nehmen und schnell auf unsere Bedürfnisse reagiert haben“.

Von AstraZeneca lässt sich das weniger behaupten. Über die Gründe dafür und die rechtliche Verbindlichkeit der vertraglich vereinbarten Zahlen herrscht jedoch Uneinigkeit. Das Magazin Politico berichtet unter Berufung auf hochrangige EU-Diplomaten, dass das bald juristische Konsequenzen haben soll: Demnach bereitet die EU-Kommission derzeit eine Klage gegen AstraZeneca vor. Bei einem Botschaftertreffen am Mittwoch habe die Mehrheit der EU-Staaten ihre Unterstützung für das Vorhaben zugesagt. Einem Diplomaten zufolge sei das Ziel des Verfahrens, AstraZeneca zur Lieferung der vertraglich genannten Impfstoffmengen zu verpflichten, zwei weitere hätten berichtet, dass sich die EU-Staaten eine Frist bis Ende der laufenden Woche gesetzt hätten, um sich verbindlich auf eine Einleitung des Verfahrens zu einigen. Weitere Details zu dem möglichen Rechtsstreit wurden noch nicht genannt.

 

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema

APOTHEKE ADHOC Debatte