Medizinalhanf

Erst Cannabis auf Rezept, jetzt Legalisierung?

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Berlin -

Ein Jahr nach der Freigabe von Cannabis auf Rezept stehen die Hersteller in den Startlöchern für einen Anbau in Deutschland. Folgen nun auch Schritte für eine Legalisierung des Freizeitkonsums?

Leicht tut sich Deutschland nicht mit Cannabis. So könnte man in einem Cannabislager, das derzeit in Bad Bramstedt nördlich von Hamburg entsteht, wohl auch die deutschen Goldbestände halbwegs sicher unterbringen. „Wir erfüllen die vorgeschriebenen hohen Auflagen“, versichert der Geschäftsführer des Betreibers Nuuvera Deutschland, Hendrik Knopp. Diese besagten unter anderem, „dass die Alarmanlage mit der Polizeidienststelle verbunden ist, die Wandstärken Sicherheitsklasse 3 erfüllen und modernste Sicherheitstechnik wie Bewegungs- und Erschütterungsmelder vorhanden sind“. Warum die großen Anstrengungen ums Hanf – und was könnten sie für Freizeitkiffer bedeuten?

Knopps Firma liefert Cannabis als Medizin. Vor einem Jahr beschloss der Bundestag einstimmig die Freigabe auf Rezept. Voraussichtlich im April entscheidet die staatliche Cannabisagentur, welche Firmen die Pflanzen in Deutschland anbauen dürfen. Die staatliche Agentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nimmt das Cannabis dann entgegen und gibt es an Apotheken ab.

„Für Deutschland ist die Cannabis-Freigabe für Patienten etwas Neues“, sagt Knopp. Zum laufenden Verfahren könne er sich nicht äußern. Nur so viel: „Da ist es gut, dass die Cannabisagentur mit deutscher Gründlichkeit arbeitet.“ Durch die hohen Anforderungen würden Glückritter ausscheiden, die schnelles Geld machen wollten.

Von seinem kanadischen Partner lässt sich Nuuvera Öl und Kapseln liefern. „Aus ärztlicher Sicht ist dabei der Vorteil, dass es leichter zu dosieren ist als bei der Verabreichung von Blüten“, sagt Knopp. „Wir bauen medizinische Produkte an, wir bauen keine Joints.“

Die Nachfrage nach Cannabis auf Rezept wurde wohl lange unterschätzt. Helfen kann es etwa bei chronischen Schmerzen, Multipler Sklerose, Appetitlosigkeit wegen AIDS, Krebs oder Alzheimer, bei Übelkeit infolge von Chemotherapien oder Nervenleiden. Von 5000 Patienten ging die Cannabisagentur laut Knopp aus. „Mittlerweile haben aber bereits mehr als 14 000 Patienten Anträge gestellt.“ Die ausgeschriebene Menge werde wohl kaum reichen – und es könnte rasch Nachschubprobleme geben, weil in vielen Ländern die Nachfrage steigt.

Beim zuständigen BfArM hält man sich wegen des laufenden Ausschreibungsverfahrens bedeckt. „Das Ziel ist es, ab 2019 mit in Deutschland angebautem Cannabis in pharmazeutischer Qualität die Versorgung der Patienten sicherzustellen“, sagt ein Sprecher. Mehr als 100 Firmen sollen sich beworben haben, hört man, letzte Klagen gegen das Verfahren laufen noch. In der Endrunde sollen rund 10 Firmen sein. Es geht um die Lizenzen für insgesamt 6600 Kilo Cannabis, das über vier Jahre angebaut werden soll. Die Umsatzspanne dürfte groß sein. Bei Herstellerkosten von wenigen Euro pro Gramm dürfte der Apothekenabgabenpreis bei mehr als 20 Euro liegen.

Ist Cannabis auf Rezept nun der Wegbereiter für Schritte hin zu einer generellen Freigabe? Geht es nach FDP, Linken und Grünen sollte es lieber heute als morgen so weit sein. Am Donnerstagabend werden ihre unterschiedlichen Anträge im Bundestag erstmals debattiert, dann in den Fachausschüssen des Parlaments weiter beraten: Die Grünen warten gleich mit einem umfassenden Cannabis-Gesetz auf. Die FDP will Modellprojekte für eine Freigabe ermöglichen, die Linke das Verbot des Besitzes von Kleinstmengen kippen. „Es ist ein Angebot an die anderen Fraktionen, ob man sich nicht auf so einen Minimalkonsens verständigen kann“, sagt der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte.

Der Deutscher Hanfverband hofft darauf, dass die Ablehnung von Cannabis für den Freizeitkonsum und einer Entkriminalisierung der Konsumenten weiter bröckelt. „Man wird feststellen, dass es nicht so ist, dass jeder, der Cannabis konsumiert, in der Gosse landet“, sagt Geschäftsführer Georg Wurth. Zuletzt hatte der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) mit einer entsprechenden Forderung für Aufmerksamkeit gesorgt. Bisher hätten die zuständigen Behörden noch keiner von mehreren Städten, die Modellprojekte beantragt haben, eine Genehmigung erteilt, wie Wurth erläutert.

Manche Suchttherapeuten bleiben aber skeptisch – ebenso wie die amtierende Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler. Sie argumentieren mit den Gefahren durchs Kiffen und mit dem Gesundheitsschutz.

Auch Nuuvera-Geschäftsführer Knopp wünscht sich Modellprojekte für eine kontrollierte Abgabe von Konsumcannabis und das Stilllegen illegaler Kanäle. „Die Politik sollte den Mut haben, das auszuprobieren.“ Angesichts seiner Erwartung, dass auch die Nachfrage für medizinische Zwecke steigen wird, sagt er das aber mit einer Einschränkung: „Es darf nicht zu Lasten der Patientenversorgung gehen.“

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