Abgabeerleichterungen ausgelaufen

BMG: Kein Retax bei Austausch

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Berlin -

Die Abgabeerleichterungen sind seit Samstag vorerst passé, denn die befristete Verlängerung bis Ende Juli wurde nicht rechtzeitig im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. In den Apotheken droht damit spätestens ab heute genau das Chaos, vor dem gewarnt wurde und das mit der Übergangsregelung eigentlich verhindert werden sollte. Müssen die Patientinnen und Patienten jetzt in die Praxis zurückgeschickt werden? Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) versichert auf Nachfrage, dass den Apotheken aus der unbeabsichtigten Lücke kein Schaden entstehen soll. Eine „Oster-Retax“ soll ausgeschlossen sein.

Die Lockerungen waren zu Beginn der Pandemie mit der Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung eingeführt worden, um unnötige Kontakte zu vermeiden. Wichtigstes Instrument ist der Aut-simile-Austausch: Ist ein verordnetes Arzneimittel nicht vorrätig, darf von der Darreichungsform, der Packungsgröße und auch von der Wirkstärke abgewichen werden, solange die verordnete Wirkstoffmenge nicht überschritten wird. Die Apotheken sind in diesen Fällen vor Retaxationen geschützt. Auch die Abgabe von Teilmengen sowie andere Erleichterungen wurden freigegeben.

Da die Verordnung am 7. April auslief, sollten die Regelungen zumindest bis Ende Juli verlängert werden. Die Ampel-Fraktionen hatten einen entsprechenden Änderungsantrag zum Gesetz zur Neustrukturierung der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) eingebracht. Gerade noch rechtzeitig hatten Bundestag und Bundesrat dem Gesetz zugestimmt.

Keine Unterbrechung

Allerdings wurde das UPD-Gesetz nicht rechtzeitig im Bundesgesetzblatt veröffentlicht – seit Ostersamstag gelten daher die Abgabeerleichterungen nicht mehr. Das Ziel, durch Übergansvorschriften eine Verlängerung ohne Unterbrechung zu ermöglichen, wurde damit nicht erreicht. „Die Bekanntmachung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt ist für April 2023 vorgesehen“, so eine Sprecherin des BMG auf Nachfrage. „Das Bundesministerium für Gesundheit wird auf die für die Umsetzung der Regelungen zuständigen Stellen zugehen und für eine Lösung im Sinne des vom Gesetzgeber beabsichtigten Regelungsziels eintreten.“ Dem Vernehmen nach laufen bereits Gespräche mit Apothekern und Kassen.

Ausnahmen im SGB V

Konkret werden die Regelungen des § 1 Absatz 3 und 4 der Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung ins Sozialgesetzbuch (SGB V) überführt und durch entsprechende Änderungen in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ermöglicht.

Ist das verordnete Arzneimittel nicht verfügbar, „darf ein lieferbares wirkstoffgleiches Arzneimittel abgegeben werden“, heißt es. Und weiter: „Sofern weder das auf der Grundlage der Verordnung abzugebende noch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel vorrätig oder lieferbar ist, dürfen Apotheken nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel an den Versicherten abgeben; dies ist auf dem Arzneiverordnungsblatt zu dokumentieren.“

Apotheken dürfen ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt oder der Ärztin von der Verordnung abweichen, sofern dadurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird. Dies gilt für:

  • die Packungsgröße, auch mit einer Überschreitung der nach der Packungsgrößenverordnung definierten Messzahl,
  • die Packungsanzahl,
  • die Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen, soweit die abzugebende Packungsgröße nicht lieferbar ist, und
  • die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen.

Abweichend von den Regelungen im Rahmenvertrag sollen in diesen Fällen keine Retaxationen stattfinden.

Verstetigung ab August

Ab August ist eine Verstetigung vorgesehen: Bei „Nichtverfügbarkeit eines verordneten Arzneimittels“ dürfen die Apotheken dieses gegen ein verfügbares wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen. So sieht es der Kabinettsentwurf Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) vor. Im zuvor bekannt gewordenen Entwurf hatte es noch eine Ungenauigkeit in der Formulierung gegeben – Apotheken befürchteten eine Retax-Falle, da lediglich von der „Nichtverfügbarkeit eines Arzneimittels“ die Rede war. Diese Unstimmigkeit wurde im finalen Gesetzentwurf behoben.

Die Nichtverfügbarkeit ist dabei nicht mehr an die Engpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gekoppelt, wie es ursprünglich in den Eckpunkten vorgesehen gewesen war. Eine Nichtverfügbarkeit liegt stattdessen vor, „wenn das Arzneimittel innerhalb einer angemessenen Zeit durch zwei unterschiedliche Verfügbarkeitsanfragen bei vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen im Sinne des § 52b Absatz 2 Satz 2 erster Halbsatz des Arzneimittelgesetzes nicht beschafft werden kann.“ Eine Konkretisierung der „angemessenen Zeit“ erfolgt allerdings auch im finalen Entwurf noch immer nicht.

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