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Zwischen Schlips und Schlüppi

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Berlin -

Erotik ist was Feines, vielleicht sogar im Apothekenmarketing. Aber auch hier bestimmt die Dosis das Gift. Nicht anders als beim Karneval. Zu tief ins Glas schauen ist das eine, im eigenen Erbrochenen aufzuwachen das andere. Und die Lobbyisten von Großhandel und ABDA müssen ohnehin Acht geben – sonst macht’s schnipp schnapp und der Schlips ist ab.

Typen gibt’s! Manch einer legt an Weiberfastnacht – diesem rheinischen Brauchtumsklassiker – den formvollendeten Stofffetzen von Krawatte an, mit Streifen von links oben nach rechts unten oder umgekehrt. Ein paar Spielverderber greifen sogar selbst zur Schere und kürzen das ehedem vielleicht gute und doch hässliche Stück selbstherrlich ein.

Kastrationsängste? Brauchtumsantipathie? Altweiberphobie? Schwer zu sagen. Klar ist: Diese Jungs versauen nicht nur ihrem direkten Umfeld den Spaß an der Freude, sondern haben nicht ganz verstanden, worum es geht: ins Gespräch kommen, kommunizieren, Spaß haben, vielleicht sich näher kommen. An Karneval werden Grenzen ausgetestet und überschritten. Aber aus dem kleinen Geschnipsel an der Krawatte muss ja nicht gleich ein Bürotoilettenakt werden.

Lange Rede, kurzer Sinn: Rechtzeitig zu Weiberfastnacht jedenfalls meldeten sich die Krawattenfreunde aus dem deutschen Apothekerhaus zu Wort. Da ging's dann nicht um sinnvolle Meldungen, zum Beispiel dazu, wie die Nation am nächsten Morgen den Kater in den Griff bekommt. Sondern um die Veröffentlichung der sinkenden Apothekenzahlen. Sicherheitshalber wurden die dann auch noch relativiert. Mehr als 200 Schließungen in 2014 zum Vorjahr zwar, aber – Achtung! – der Trend schwächt sich ab. Schreibt die ABDA an Weiberfastnacht.

Man hat den Eindruck, da hatte einer seine Krawatte morgens ein klein wenig zu fest zugezogen. Anstatt angesichts darbender Apotheken und grassierender Schließeritis die Chance zu nutzen, eine bessere Honorierung vom Gesetzgeber lautstark einzufordern, verpassten die Jecken aus der Jägerstraße. Die Hoffnung auf Gröhe und Gabriel und deren Mitleid muss ja nicht zu früh sterben.

Allerdings tut sich bei der ABDA irgendwie wenig, damit aus Hoffnung pure Realität wird. Das finden mittlerweile auch die Leserinnen und Leser von APOTHEKE ADHOC, die sich nicht wirklich vorstellen können, dass es noch was wird mit einer Honoraranpassung für die Apotheken. Dafür wirkt der politische Ansturm zu devot, fast schon masochistisch.

Auf den rasenden Erotik-Zug Shades of allerlei waren aber schon die Marketingfüchse der Easy-Apotheken aufgesprungen. Schön schlüpfrig und anzüglich sollte es sein. Man spürt gleich, dass die Systemzentrale unweit der rheinischen Karnevalshochburgen beheimatet ist. Keine zweideutige Andeutung ausgelassen und zu gewinnen gibt’s feinste Schlüppis. Bei Easy wird nicht nur eine einzige Krawatte umgebunden an Altweiber, da werden tags zuvor extra Krawatten gekauft. Ist eine ab, wird die nächste umgehängt. Über Geschmack lässt sich immer streiten. Und damit kommt man wenigstens ins Gespräch und bleibt es auch.

Krawatte mit Selbstbewusstsein: Auch der Bundesverband des Pharmazeutischen Großhandels (Phagro) hat sich mal wieder zu Wort gemeldet. Ganz schlecht sieht es danach um die wirtschaftliche Situation des Großhandels in Deutschland auf. Man konnte ihn förmlich vor sich sehen, den fest um den Hals gezurrten Binder. Sogar die 16.000 Mitarbeiter der Unternehmen sind laut Pressemitteilung nervös. Der Großhandelsclub macht der ABDA, sollte sie sich tatsächlich in irgendwelchen konkreten Honorargesprächen mit der Politik befunden haben, einen Strich durch die Rechnung. Denn kaum vorstellbar, dass die Politik gerade in dieser politischen Phase auf die Idee kommt, sowohl dem Großhandel als auch den Apotheken die Taschen zu füllen. Ist halt doch ein bisschen too much. Wie gesagt. Die Dosis macht das Gift.

Etwas giftig wirkte zuletzt wieder mal die ansonsten bekanntermaßen herzensgute Andrea Nahles (SPD). Die Arbeits- und Sozialministerin will den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu neuen Rechten verhelfen. Und auch zu abschließbaren Schränken am Arbeitsplatz. Und zwar allen. Keine Ahnung, ob die deutsche Büromöbelwirtschaft den jüngsten Parteitag der SPD oder Frau Nahles' Ministeriumsausstattung gesponsert hat. Aber klar ist: Nahles ist damit überreif für den nächstbesten Motivwagen beim Karnevalszug. Die sogenannte Arbeitsstättenverordnung ist das allerletzte, was Mitarbeiter und Unternehmer hierzulande brauchen, von Apotheken ganz zu schweigen. Es ist nervig, dass eine Arbeitsministerin ernsthaft Investitionen in Büroausstattung will – und nicht und stattdessen Investitionen in die Menschen fördert. Tröstlich ist: Merkel wird Nahles in die Schranken weisen; so wie alle anderen auch...

Und wo wir schon bei Gewerkschaften sind: Keine Frage, die Adexa hat ihre Existenzberechtigung und auch schöne Tipps für den Apothekenalltag. Aber wieso um alles in der Welt braucht es den Hinweis, dass an Karneval kein Zwangsurlaub ausgerufen werden darf? Die Stimmungskanonen der Hamburger Adexa wissen jedenfalls, wie und wo man die Schere ansetzt. Denn so sicher wie am Aschermittwoch alles vorbei ist, ist auch das Thema tot. Und mit Blick auf die ABDA: Wer von solchen Gewerkschaftern kommunikativ vor sich her getrieben wird, muss sich ohnehin nicht weiter anstrengen...

Unterdessen verstehen manche Hersteller gar keinen Spaß im Umgang mit ihren Kunden, den Apotheken. So möchte Novartis konsequent sparen und stellte sein Rechnungswesen auf online um. Irgendwie nachvollziehbar und von langer Hand angekündigt. Und trotzdem ist auch der Ärger der Apotheker verständlich, wenn ihnen plötzlich für jedwede Abrechnung Euros abgezwackt werden. Da dürfte aus einer vermeintlichen bürokratischen Erleichterung ein Bumerang werden.

Ebenfalls deutlich zur Sache geht es bei Wala. Denn das Unternehmen will seine Produktlinien nur ausschließlich dort sehen, wo sie hinsollen – also in Regalen von Apotheken. Bei Versandapotheken allerdings klappt den Vertrieblern der Wala das Messer in der Hose auf: Und wenn der Shop nicht so heißt wie die Apotheke, wird kurzerhand nicht mehr geliefert. So verständlich die Maßnahme auf der einen Seite ist, so sehr droht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet zu werden.

Ach ja, nochmal Easy: Das sind die Apotheken, die sich darum bemühen, ihre Kunden auf verzweigten Wegen durchs komplette Apothekensortiment zu navigieren. Das Ziel dahinter ist klar. Eine Klage gegen dieses „Labyrinth“ befand ein Richter jedenfalls als nicht angemessen und gab dem betroffenen Easy-Apotheker recht. Solange der HV-Tisch während des Marsches durch den Irrgarten zu sehen ist, sei alles okay.

Und damit Schluss. Wir ziehen uns jetzt die Pappnase an, den Krawattenknoten stramm und das Apothekerkäppi tief ins Gesicht. Und gehen still und heimlich in „Fifty Shades of Grey“. Und anschließend Kamelle sammeln.

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