Arbeitsstättenverordnung

Ein Spind für jede PTA

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Berlin -

Ein abschließbarer Kleiderschrank für jeden Mitarbeiter, Tageslicht in allen Räumen sowie jährliche Sicherheitsunterweisungen, die dokumentiert werden müssen. Das sind nur einige der Pflichten, die auf Apothekenleiter zukommen, wenn die derzeit diskutierte Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) in ihrer jetzigen Form beschlossen werden sollte. Allerdings: Gegen die Pläne von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gibt es bereits viel Protest.

Ein wichtiges Anliegen war Nahles offenbar, Arbeitnehmern mehr Licht zu gönnen. Bislang müssen Arbeitsstätten „möglichst ausreichend Tageslicht erhalten“. Künftig müssen neben Arbeitsräumen auch Sanitär-, Pausen-, Bereitschafts- und Erste-Hilfe-Räume Tageslicht abbekommen und eine Sichtverbindung nach außen haben – ohne „möglichst“. Dem Bundesrat ging diese Regelung schon zu weit. Die Länder forderten eine Änderung, sodass die Vorgabe nur für Arbeitsräume, „die regelmäßig über einen längeren Zeitraum“ genutzt werden, Pausen- und Bereitschaftsräume gilt.

Der Lichteinfall soll in den Arbeitsräumen reguliert werden können, Fenster und Glaswände müssen außerdem eine Abschirmung gegen übermäßige Sonneneinstrahlung ermöglichen. Als Arbeitsraum gilt dabei jeder Raum, in denen Arbeitsplätze dauerhaft eingerichtet sind. Ausgenommen von der Pflicht zum Sonnenlicht sind lediglich „Arbeitsräume, bei denen betriebstechnische Gründe Tageslicht oder eine Sichtverbindung nach außen nicht zulassen“, Verkaufsräume innerhalb von Einkaufszentren sowie Räume mit einer Grundfläche von mindestens 2000 Quadratmeter – für Apotheken wohl eher eine theoretische Regelung.

Das sei „keinesfalls akzeptabel“, so die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die praktische Umsetzung dieser Anforderung sei in vielen Fällen gar nicht möglich oder mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden. Die Ausnahmeregelung geht aus Sicht des Arbeitgeberverbands nicht weit genug. Die BDA erwartet insgesamt, dass von den neuen Regelungen der ArbStättV „insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen überproportional betroffen sein werden“.

Eine Vielzahl der bislang bereits geltenden Regelungen soll ausgeweitet werden. Das betrifft nicht nur die Vorgaben zu Tageslicht in Sozialräumen, sondern etwa auch die Durchführung von Unterweisungen. Arbeitgeber sollen ihre Beschäftigten über den Betrieb der Arbeitsstätte, alle gesundheits- und sicherheitsrelevanten Fragen sowie Maßnahmen im Gefahrenfall und zur Brandverhütung aufklären. Diese Unterrichtung muss vor Aufnahme der Tätigkeit und danach mindestens einmal jährlich stattfinden und schriftlich dokumentiert werden.

Aus Sicht der BDA ist ein neuer Paragraf zur Unterweisung überflüssig, da diese ausreichend im Arbeitsschutzgesetz geregelt sei. Sollte es doch eine Regelung in der ArbStättV geben, dürfe diese nicht über die Anforderungen des Arbeitsschutzes hinausgehen. Die Pflicht zur jährlichen Wiederholung und Dokumentation sollten daher gestrichen werden.

Laut Verordnungsentwurf soll Schwangeren und stillenden Müttern in Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten ermöglicht werden, sich hinzulegen und auszuruhen. Unabhängig von der Betriebsgröße soll jedem Beschäftigten künftig mindestens eine Kleiderablage zur Verfügung stehen, zumindest wenn es keine Umkleideräume gibt. Der Bundesrat geht noch weiter und fordert abschließbare Ablagen.

Im Zuge der Rechtsbereinigung wurde die Bildschirmarbeitsverordnung in die ArbStättV integriert. Demnach müssen bei der Einrichtung von Bildschirmarbeitsplätzen die Grundsätze der Ergonomie beachtet werden. Vor der Tastatur muss ausreichend Platz zum Auflegen der Hände sein. Die Zeichengröße und der Zeilenabstand am Computer müssen individuell eingestellt werden können, die Bildschirme frei und leicht dreh- und neigbar sein.

Obwohl die Vorgaben nicht neu sind, kritisiert die BDA eine Ausweitung. Denn die geplante Definition umfasse auch Arbeitsplätze, „die nur kurzzeitig für EDV-Tätigkeiten genutzt werden“. Auch für diese würden damit die gesamten Anforderungen an Bildschirmarbeitsplätze gelten. „Zeitliche Einschränkungen, ab wann tatsächlich ein Bildschirmarbeitsplatz vorliegt, sind erforderlich“, fordert die BDA. Ausgenommen sind nach dem derzeitigen Stand nur Bedienerplätze von Maschinen, tragbare Geräte, Kassen oder Geräte mit einer kleinen Anzeige und Schreibmaschinen mit einem Display.

Die womöglich weitreichendste Änderung wäre die Neudefinition von „Arbeitsplatz“: Bislang galten als Arbeitsplatz die Bereiche einer Arbeitsstätte, an denen sich Beschäftigte „regelmäßig über einen längeren Zeitraum“ aufhalten. Diese Einschränkung fällt weg. Ein Arbeitsplatz wäre nach der neuen ArbStättV jeder Bereich, in dem Beschäftigte „im Rahmen ihrer Arbeit tätig sind“.

Das führte in Industriekreisen unter anderem zu der Überspitzung, dass nun wohl auch im Inneren eines Schützenpanzers so gute Klimabedingungen herrschen müssten, dass hochschwangere Soldatinnen während des Gefechts darin befördert werden könnten. Das Arbeitsministerium stellte daraufhin klar, dass Arbeitsstätten als Arbeitsräume oder andere Orte auf dem Gelände eines Betriebs oder Baustellen definiert, Panzer also ausgenommen seien.

Doch die ArbStättV birgt auch abgesehen von dieser Anekdote Konfliktpotenzial: Unter die Verordnung fallen künftig auch Telearbeitsplätze – beispielsweise der Schreibtisch, an dem ein Angestellter von zu Hause aus arbeitet. Der Arbeitgeber oder Betriebsarzt müsste also gegebenenfalls Änderungen in der Wohnung des Arbeitnehmers einfordern, so die BDA. Fraglich sei, ob die Aufsichtsbehörden überhaupt die Befugnis hätten, die Einhaltung der ArbStättV in Privatwohnungen zu überprüfen.

Der Verordnungsentwurf war Ende Oktober vom Kabinett beschlossen worden, der Bundesrat legte in seiner letzten Sitzung im Jahr 2014 seine Wünsche vor. Ursprünglich sollte die Verordnung in der vergangenen Woche im Bundeskabinett beraten und Ende Februar oder Anfang März verabschiedet werden. Allerdings wurde der Entwurf anders als geplant noch nicht beraten.

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