Apothekenbetriebsordnung

Gericht erlaubt easy-Labyrinth

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Berlin -

Rampe am Eingang, eine deckenhoch abgetrennte Rezeptur, diskrete Kassenplätze – die Novelle der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) hat viele Apotheke vor gestalterische und teilweise bauliche Herausforderungen gestellt. Oft diskutiert wurde bei der Umsetzung auch die Erreichbarkeit des HV-Tisches. Jetzt hat das Verwaltungsgericht Würzburg (VG) entschieden, dass ein direkter „Laufkorridor“ nicht notwendig ist, sonder ein „Sichtkorridor“ ausreicht. Der Patient muss nur sofort wissen, wo es lang geht – auch in einer easy-Apotheke.

Apotheker Thomas Mühling betreibt im bayerischen Marktheidenfeld eine easy-Apotheke. Die zuständige Pharmazierätin der Regierung Unterfranken hatte die Gestaltung des Innenraumes mit seinen verschachtelten Freiwahlregalen im November 2012 beanstandet. Das Landratsamt Würzburg hatte Mühling daraufhin im Februar 2013 aufgefordert, seine Apotheke bis Mitte März umzugestalten. Nach einer Anhörung wurde im April ein entsprechender Bescheid erlassen, diesmal mit Frist von 14 Tagen. Mühling zog dagegen vor Gericht.

Und der Apotheker bekam vor dem VG recht: Die Richter sahen zwar in der Gestaltung der easy-Apotheke einen Verstoß gegen die ApBetrO, da der „Eindruck einer Apotheke nicht gewahrt sei“. Denn der Kunde könne nicht gleich am Eingang erkennen, wo sich der Bereich der Arzneimittelabgabe und Beratung befinde und wie er dort hinkomme.

Die Forderungen des Landratsamtes nach einem „Laufkorridor“ seien aber unverhältnismäßig, der Bescheid deshalb rechtswidrig, so die Richter. Ausreichend wäre laut Begründung des Urteils vom 10. Dezember 2014 ein „Sichtkorridor“ gewesen, so dass sich Kunden vom Eingang aus zum HV-Tisch orientieren könnten.

Das Landratsamt hatte die Raumgestaltung der Offizin kritisiert. Der Freiwahlbereich sei „durch einen mit Regalen geschaffenen Hindernislauf geprägt“, vom Eingang bis zum HV-Tisch. Kunden müssten daher erst einen „Slalom durch die Regale absolvieren“, um den Bereich der Arzneimittelabgabe zu erreichen. Dieser sei wegen der Regalhöhe zudem nicht einsehbar. Der Versorgungsauftrag der Apotheke werde damit beeinträchtigt.

Mühling sollte die Freiwahlregale so anordnen, dass der „Vorrang der Arzneimittelversorgung nicht länger beeinträchtigt“ werde und ein direkter Zugang zum HV-Tisch möglich sei. Der mitgelieferte Aufstellungsplan sah einen Korridor vor, der vom Eingang bis zum HV-Tisch reichte und immer mindestens 2,20 Meter breit war. Würde der Apotheker die Vorgaben nicht umsetzen, wurde ihm ein Zwangsgeld von 1500 Euro angedroht.

Mühling hatte seine Apotheke im Mai, also nach dem Bescheid der Behörde, umgestaltet: Ein „Rezeptschild“ am Eingang weist seitdem auf den Beratungsbereich hin. Auch über dem HV-Tisch steht jetzt vom Eingang aus einsehbar mehrfach „Beratung“ und „Rezepte“. Die Höhe der Sichtwahlregale wurde auf 1,30 Meter reduziert, so dass sie seitdem besser überblickt werden können.

Das Landratsamt hatte vor Gericht dennoch verlangt, die Klage gegen den Bescheid abzuweisen. Zum Zeitpunkt des Erlasses habe ein Verstoß gegen die ApBetrO bestanden. Die zwischenzeitliche Umgestaltung der Apotheke ändere daran nichts. Zudem müsse die Regalhöhe so weit abgesenkt werden, dass auch Kinder und Rollstuhlfahrer beim Betreten der Apotheke den Handverkaufsbereich einsehen könnten, so die Behörde.

Die Richter gaben dem Landratsamt mit seiner Kritik an der Offizingestaltung teilweise recht: Die ApBetrO verlange, dass Kunden eine Apotheke sofort als solche erkenne und sich nicht in einer Drogerie oder einem Supermarkt wähne. Dies setze voraus, dass der HV-Tisch „als die den Arzneimittelversorgungsauftrag des Apothekers und die Charakteristik einer Apotheke prägende Einrichtung“ gut erkennbar und leicht zu finden sei. Dies sei zum Zeitpunkt des Erlasses im April 2013 tatsächlich nicht der Fall gewesen, demnach habe auch ein Verstoß gegen die ApBetrO vorgelegen.

Allerdings hätte laut dem VG ein milderes, den Apotheker weniger belastendes Mittel darin bestanden, einen „Sichtkorridor“ zu verlangen, so dass Kunden sich vom Eingang aus orientieren könnten. Die Freihaltung eines „Laufkorridors“ – also ein komplett freigehaltener Weg – sei dagegen nicht erforderlich. Damit hat die Behörde aus Sicht des VG gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

Das Landratsamt hatte auch einen Verstoß gegen die ApBetrO mit Blick auf die Barrierefreiheit moniert. Der Behindertenbeauftragte des Landkreises habe festgestellt, dass die Anforderungen an die Erreichbarkeit der Offizin bis zum HV-Tisch gelte. Dieser Bereich sei aber aufgrund der Einrichtung nicht barrierefrei erreichbar.

Die Richter sahen das anders: Der Zugang zur Apotheke selbst sei „vollkommen unproblematisch“. Auch der HV-Tisch sei von Rollstuhlfahrern ohne besondere Erschwernis zurückzulegen. Dazu müsse ein etwa zwei Meter breites Regal umfahren werden, was die ohnehin beachtliche Strecke bis zum HV-Tisch lediglich von 15 auf 17 Meter verlängere. Die Gänge seien an keiner Stelle weniger als 1,1 Meter breit.

Auch wenn die Richter Verstöße gegen die ApBetrO bestätigten, hätte die Behörde laut Urteil auf mildere Mittel zu deren Behebung verweisen müssen. Eine komplette Umgestaltung der Apotheke mit „Laufkorridor“ zum HV-Tisch sei nicht notwendig, der Bescheid daher nicht rechtmäßig. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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