Inhaberin: „Man muss da Position beziehen“

Rassismus-Debatte: Mohren-Apotheke benennt sich um

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Berlin -

Die seit vergangenem Jahr immer wieder aufkommenden Diskussionen um mutmaßlich rassistische Geschäftsnamen – konkret: Mohren-Apotheken – haben neuen Schwung bekommen. Auch Teresa Marosi verteidigte bisher den Namen ihrer Wiener Mohren-Apotheke unter Verweis auf den historischen Kontext des Begriffs. Dadurch wurde sie zur Zielscheibe, nicht nur aus der Politik wurde sie kritisiert, es wurde sogar eine Petition gegen ihre Apotheke gestartet. Jetzt hat sie eingelenkt. Marosi Blindheit für Rassismus und Diskriminierung zu unterstellen, wäre zynisch: Ihre eigene Familie musste ihres jüdischen Glaubens wegen vor den Nazis fliehen, die Apotheke wurde im Dritten Reich „arisiert“.

Einen neuen Namen für die Apotheke hat sie noch nicht gefunden, aber dass es mit dem jetzigen nicht weitergeht, ist beschlossene Sache: „Meiner Meinung nach müssen wir respektieren, dass solche Begriffe verletzende Konnotationen auslösen, auch wenn wir persönlich angesichts der Geschichte des Begriffs anderer Auffassung sind“, sagt sie. „Man muss da Position beziehen und ich glaube, dass wir uns nicht mehr daran beteiligen sollten, solche Namen zu verwenden.“ Diese Gedanken kamen Marosi nicht über Nacht, sie hat eine lange Kontroverse um den Namen ihres Betriebs hinter sich.

Noch viel länger ist die Geschichte des Namens: Der 1350 gegründete Betrieb gehört zu den drei ältesten Apotheken der Stadt Wien. Ungefähr ab 1600 ist der Name „Zum Schwarzen Äthiopier“ belegt, im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde „Zum Schwarzen Mohren“ daraus und im 18. Jahrhundert schließlich Mohren-Apotheke. So viel zur Genese des Namens, die seiner Bedeutung hat in den vergangenen Jahren noch einmal eine ganz andere Dynamik entfaltet. Relativiert historischer Kontext heutige Diskriminierungserfahrungen? Das ist die dahinterliegende Frage. Wie die Inhaber deutscher Mohren-Apotheken verteidigte auch Marosi bisher den Namen ihres Betriebs.

Gleich auf der Startseite der Apotheken-Homepage klärt die Inhaberin die Kunden deshalb über die Herkunft des Begriffs auf. „In Europa zur Zeit des Mittelalters war die Medizin noch völlig unentwickelt. Wirksame Heilmittel kamen aus Afrika und dem Orient“, heißt es da. Zu dieser Zeit hätten sich viele Apotheken Namen gegeben, die den Begriff Mohr enthalten. „Dies galt als Wertschätzung für die Heilkundigen und ihre Medizin. Wir wollen die Erinnerung an diese Heiler und ihre Heilkunst am Leben erhalten und damit auch in Erinnerung rufen, dass Heilkunst nicht nur in europäischen Klöstern zu finden war.“

An dieser Auffassung hält Marosi nach wie vor fest. Mohr habe stellvertretend für Heilung und Medizin gestanden – es sei deshalb falsch, dem Namen eine bewusste diskriminierende Absicht zu unterstellen. Mohr sei vielmehr eine anerkennende Bezeichnung gewesen. „Selbst im Mittelalter hat doch niemand sein eigenes Geschäft nach etwas Negativem benannt!“ Umgekehrt wolle sie aber auch nicht so tun, als könne sie den Widerstand nicht nachvollziehen. „Ich konnte von Anfang an verstehen, dass der Name negative Konnotationen bei vielen Menschen verursacht, aber ich hatte natürlich auch als Unternehmerin sehr große Sorgen, einen solchen Schritt zu gehen.“ Denn den Namen eines Betriebes zu ändern, der seit vier Generationen in Familienbesitz ist, ist keine Kleinigkeit. Die Marke gehört zum größten Kapital des Hauses.

Und zu seiner Geschichte. Denn den tiefsten Abgrund rassistischen Überlegenheitswahns kennt sie aus ihrer eigenen Familie: 1901 hatte ihr Urgroßvater Maximilian Korwill die Apotheke übernommen, 1935 folgten ihre Großmutter Edith Schüller und deren Schwester Gertrud Saphir. Doch sie behielten die Apotheke nur drei Jahre, denn mit dem Anschluss Österreichs an Deutschland war die jüdische Familie ihrer bloßen Existenz wegen von der Vernichtung bedroht. Ihre eigene Mitarbeiterin fiel ihnen in den Rücken und beantragte die „Arisierung“ der Apotheke. Saphir emigrierte noch 1938 in die USA, Schüller blieb in Wien und überlebte den Holocaust unentdeckt in einem Versteck im Ersten Wiener Bezirk. Selbst nach dem Krieg erfuhr sie keine Gerechtigkeit. Zwar wurde sie ab 1948 im Rahmen eines Restitutionsverfahrens wieder als Verwalterin der Apotheke eingesetzt, bis 1955 musste sie sich jedoch mit der Stadt Wien streiten, damit der Betrieb zurück in Familienbesitz übergeht – zehn Jahre nach Kriegsende.

Auch deshalb empfinde sie Rassismus-Vorwürfe gegen ihre Person als „absolut absurd“. Doch Marosi beharrte nicht auf ihrem Standpunkt, sondern zeigte sich gesprächs- und kompromissbereit. Das von vielen Menschen ebenfalls als diskriminierend empfundene Bild eines leicht bekleideten schwarzen Mannes neben dem Eingang ließ sie bereits zuvor entfernen und durch eine Infotafel ersetzen, die über den Mohrenbegriff aufklären soll. Dennoch stieg der Druck kontinuierlich. Eine Online-Petition konnte mit der Forderung nach einer Umbenennung der Apotheke in kurzer Zeit 1800 Unterschriften sammeln, auch die SPÖ-Stadtpolitikerin Mareille Ngosso setzte sich für eine Umbenennung ein. Am Donnerstag stattete sie der Apotheke gemeinsam mit der Aktivistin Noomi Anyanwu einen Besuch ab, um das Thema auszudiskutieren. Und das Treffen endete einvernehmlich. Marosi kündigte an, ihren Betrieb umzubenennen. „Es war ein wirklich sehr konstruktives Gespräch“, gibt Ngosso auf ihrer Facebook-Seite bekannt. „Wir waren uns einig, dass das ein großer, wichtiger Schritt gegen Rassismus ist.“ Die „großartige Übereinkunft“ mit Marosi zeige, „dass Veränderung möglich ist.“

 

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