Klosterfrau

Nonne, Konsul und Melissengeist

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Berlin -

Im kommenden Jahre feiert Klosterfrau das 200-jährige Bestehen; mit einer Statue ehrt der Kölner Hersteller schon jetzt das Vermächtnis der Firmengründerin. Nach ihr kam ein Konsul, der das Unternehmen prägen sollte, das heute einer Stiftung gehört.

1826 hatte die Nonne Maria Clementine Martin am Fuße des Doms damit begonnen, Kölnisch Wasser und Melissengeist herzustellen. Als Startkapital diente ihr eine jährliche Rente von 160 Goldtalern, die sie für ihren Einsatz als Sanitäterin auf dem Schlachtfeld von Waterloo vom preußischen König Friedrich Wilhelm III zuerkannt bekommen hatte.

Kurz bevor die Unternehmerin gewordene Geistliche 1843 starb, machte sie ihren ersten Mitarbeiter zum Erben. Peter Gustav Schaeben war 1829 im Alter von 14 Jahren als Lehrling in das Unternehmen eingetreten. Mit ihrem Testament gab sie ihm den Rat auf den Weg, sich nicht „mit einem Compagnon in Theilung des Geschäftes“ einzulassen. 90 Jahre und zwei Generationen später wurde die Mahnung in den Wind geschlagen – und das Erbe war weg.

Erst Kredit, dann Übernahme

Was war passiert? Am 7. Mai 1929 trat Konsul Wilhelm Doerenkamp als Kommanditist neu in das Familienunternehmen ein. Der 1882 geborene Kaufmann war als Generalvertreter der Opel-Werke zu Wohlstand gekommen und wollte, so berichten es die Chroniken, sein Kapital gewinnbringend anlegen. Die Eigentümer des Unternehmens – die Brüder Wilhelm und Otto Schaeben – brauchten für die strategische Neuausrichtung Geld, und so lieh Doerenkamp Klosterfrau 100.000 Reichsmark.

Dann kam die Weltwirtschaftskrise, und die Firma konnte den Kredit nicht zurückzahlen. Am 20. Mai 1933 wurde das Konkursverfahren eröffnet; im Rahmen eines Zwangsvergleichs drängte Doerenkamp als Hauptgläubiger die bisherigen Besitzer aus der Firma.

Nach dem Krieg kam für Klosterfrau ein Neuanfang. Der neue Eigentümer, in der Firma respektvoll Herr Konsul genannt, baute das zerstörte Werk wieder auf. In den 1960er Jahren arbeiteten zeitweise vier Familienmitglieder aus zwei Generationen in der Firma. Doch nach dem Tod von Doerenkamp 1972 übernahm der Kaufmann Paul Gräff, 1952 als Finanzchef ins Unternehmen geholt, die Geschäfte, die er bis 1997 leiten sollte.

Jahrzehnte des Erfolgs

Unter Gräf begann in den 1970er Jahren die Expansion. 1971 wurde das Werk in Berlin eröffnet, an dem noch heute für die Firmengruppe produziert wird, ebenso wie am Stadort Lüchow des Lohnherstellers Artesan, mit dem Klosterfrau ab 1987 zunächst kooperierte und der 1996 komplett übernommen wurde.

1973 kaufte Klosterfrau den Kerzenhersteller Vollmar (yul), 1977 den Arzneimittelhersteller Knufinke. 1981 erwarb die Gruppe die französische Kosmetikmarke Maria Galland und in den folgenden Jahren weitere Firmen, darunter Syxyl, ein Hersteller von Präparaten der Naturheilkunde, und der Kölner Hersteller Farco (Instillagel).

Den wichtigsten Sprung machte Klosterfrau aber 1979. Gemeinsam mit dem Frankfurter Chemie- und Pharmakonzern Hoechst wurde das Gemeinschaftsunternehmen Cassella-med gegründet. Als die Partner vom Main sich später auf rezeptpflichte Arzneimittel konzentrieren wollten, übernahm Klosterfrau die Firma 1998 komplett – samt der Marken Soledum, Nasic, Enelbin, Limptar und Metifex.

Im Windschatten der Pharmakonzerne

Ohnehin fuhr Klosterfrau damals geschickt im Windschatten der Pharmakonzerne: Weil es in der Branche bis Ende der 1990er Jahre als ausgemacht galt, dass die Labore immer neue Blockbuster liefern würden, konnten die Kölner einige Juwelen abgreifen. Neben dem Hoechst-Portfolio waren dies die Marke Taxofit, die Klosterfrau Ende der 1980er Jahre von Boehringer kaufte, und natürlich im Juni 2006 die Marken der Berliner Firma Lichtwer (Hepar SL, Jarsin, Kwai, Kaveri, Ameu, Bedan), die unter anderem wegen ihrer Öffnung in Richtung Mass Market in Probleme geraten war.

Auch als Dienstleister für die Konkurrenz machte sich Klosterfrau einen Namen: Ab 1987 waren die Kölner Vertriebspartner von Ricola; 1994 übernahmen die beiden Firmen gemeinsam den angeschlagenen ostdeutschen Bonbon-Hersteller Krügerol. Ab 1998 vertrieb Klosterfrau Marken, die heute zum britischen Konsumgüterkonzern RB gehören (Dobendan, Nurofen, Gaviscon, Sagrotan, Lutsine, Migränin), ab Anfang 2001 Kondome der Marke „Condomi“ (Ansell).

Im Februar 2003 übertrug die Firma Nattermann, heute Teil des Sanofi-Spinoffs Opella, den Vertrieb ihrer Marken Bronchicum, Cholagogum, Contramutan, Essentiale, Melrosum, Monapax an Klosterfrau.

Umbruch und Identitätskrise

2015 kam es zum Umbruch, als der langjährige Firmenchef Friedrich Neukirch im Alter von 69 Jahren aus dem Unternehmen ausgeschied. Er hatte Klosterfrau mit einer Mischung aus Marktkenntnis, Eigensinn und Fortune geführt. So gelang ihm nicht nur der Spagat zwischen Drogerie und Apotheke; er wusste auch noch davon zu profitieren, dass andere Firmen weniger gelenkig waren.

Doch zuletzt schien dieser Stil nicht mehr zu den Entwicklungen im Markt passen. Wichtige Marken schienen Staub anzusetzen, so wie es Konkurrenten schon Jahre zuvor ergangen war. Noch dazu sprangen mehrere Vertriebspartner ab, RB übernahm den Vertrieb selbst, Haw Par aus Singapur wechselte mit Tiger Balm ausgerechnet zum Erzrivalen Queisser (Doppelherz).

Und als ob das nicht genug wäre, schien auch noch der erhoffte Generationswechsel im Management nicht zu gelingen. Führende Pharmamanager gaben sich die Klinke in die Hand und wurden kurz nach ihrem Antritt von der mächtigen Verwaltungsratspräsidentin Petra Tritschler ausgetauscht.

Apotheker an der Spitze

Erst 2022 kehrte Ruhe ein, als mit Dr. Stefan Koch endlich ein neuer CEO gefunden wurde, der Klosterfrau seitdem mit ruhiger Hand führt und wieder nachhaltiges Wachstum vorweisen kann.

Hinter Klosterfrau steht übrigens seit dem Tod von Doerenkamp eine Stiftung mit Sitz in Chur in der Schweiz. Die Familie in Gestalt von Doerenkamps einziger Enkelin Martine Eloy ist nur noch minderheitsbeteiligt. Zweck der Stiftung sind die Förderung der Natur- und Geisteswissenschaften, die Unterstützung von Alten und Gebrechlichen sowie notleidenden und bedürftigen Kindern sowie die Förderung von künstlerischen, literarischen, kulturellen und humanitären Leistungen.

Ein Verkauf ist damit eigentlich ausgeschlossen, denn Eingriffe in die Satzung gegen den Willen des Stifters sind fast ausgeschlossen und werden von den Behörden überwacht. Das Papier ist nur den Eingeweihten rund um Tritschler zugänglich, die seit den 1980er Jahren die Strippen zieht.

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