Bundesgerichtshof

BGH: Rezeptpflicht ohne Ausnahme

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Berlin -

Apotheken dürfen auch nicht ausnahmsweise verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept abgeben. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) heute entschieden und der Klage eines Apothekers gegen eine Kollegin stattgegeben. Nach der Entscheidung können sich Pharmazeuten in solchen Fällen also gegenseitig wettbewerbsrechtlich belangen. Bestehen bleibt laut Urteil die Ausnahme, dass der behandelnde Arzt – und nur dieser – die Abgabe mündlich erlaubt.

Ein Apotheker aus Aulendorf bei Ravensburg hatte von einer Kollegin aus demselben Ort die Abgabe einer Unterlassungserklärung, Auskunft und Schadenersatz gefordert: Er wirft ihr vor, im Februar 2011 den Blutdrucksenker Tri-Normin 25 (Atenolol, Chlortalidon, Hydralazin) als N3-Packung ohne Rezept abgegeben zu haben. Die Apothekerin hatte versichert, den Hausarzt der Patientin nicht erreicht und sich daher telefonisch bei einer befreundeten Ärztin rückversichert zu haben.

In erster Instanz war die Apothekerin vom Landgericht Ravensburg (LG) verurteilt worden, das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hatte die Entscheidung im Berufungsverfahren aber wieder aufgehoben. Aus Sicht des OLG sind die Interessen von Marktteilnehmern noch nicht spürbar beeinträchtigt, wenn nur ein „einmaliger, versehentlicher oder gar entschuldbarer und geringer Gesetzesverstoß“ vorliegt.

Diese Entscheidung hat der BGH heute im Revisionsverfahren kassiert und die Verurteilung wieder hergestellt. Die Verschreibungspflicht gemäß Paragraph 48 Arzneimittelgesetz (AMG) diene dem Schutz der Patienten vor gefährlichen Fehlmedikationen und damit gesundheitlichen Zwecken, heißt es aus Karlsruhe. „Durch Verstöße gegen das Marktverhalten regelnde Vorschriften, die den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung bezwecken, werden die Verbraucherinteressen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stets spürbar beeinträchtigt“, so der BGH.

Die Apothekerin sei auch nicht aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalls ausnahmsweise zur Abgabe des Arzneimittels ohne Rezept berechtigt gewesen, heißt es in einer Mitteilung des BGH.

Zwar könnten sich Apotheker grundsätzlich auf eine Entscheidung des Arztes über die Verordnung des verschreibungspflichtigen Medikaments verlassen. Die Ausnahmevorschrift des Paragraph 4 Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) setze aber eine Therapieentscheidung des behandelnden Arztes aufgrund eigener vorheriger Diagnose voraus.

In dringenden Fällen reiche es allerdings aus, wenn der Apotheker über die Verschreibung telefonisch unterrichtet werde, so der BGH. „An der erforderlichen Therapieentscheidung fehlt es, wenn ein Apotheker einen Arzt zu einer Verschreibung für einen dem Arzt unbekannten Patienten bewegt“, heißt es Karlsruhe.

Diese Ausnahmeregelung griff aus Sicht der BGH-Richter im vorliegenden Fall nicht: „Da zum Zeitpunkt des Besuchs der Apotheke der Beklagten keine akute Gesundheitsgefährdung bestand, war der Patientin auch zuzumuten, den ärztlichen Notdienst im Nachbarort aufzusuchen.“

Aufgefallen war die Abgabe ohne Rezept, da eine Mitarbeiterin des klagenden Apothekers die Abgabe zuvor abgelehnt und die Kundin an den ärztlichen Notdienst verwiesen hatte. Diese hatte sich das Medikament dann in der benachbarten Apotheke besorgt. Die Abgabe ohne Rezept sei im Ort jahrelang „gang und gäbe“ gewesen, sagt der Pharmazeut, der erst 2010 zugezogen war und zunächst erfolglos das Gespräch mit seiner Kollegin gesucht hatte.

Der BGH hat heute nach der mündlichen Verhandlung entschieden. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

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