Aufwendiges Anerkennungsprozedere

Ausländische Fachkräfte: „Sollen Bücher kaufen und selber lernen“

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Berlin -

Wollen ausländische Fachkräfte in deutschen Apotheken arbeiten, werden ihnen viele Steine in den Weg gelegt. Trotz enormen Fleißes, sehr guter Deutschkenntnisse und einer pharmazeutischen Ausbildung oder Studium im Ausland – zwischen den Zeilen höre man von der Apothekerkammer: „Wir nehmen nicht jeden“, so eine Apothekerin, die momentan eine ausländische Apothekerin betreut.

„Bei uns hat sich Anfang Januar eine südosteuropäische Approbierte beworben“, so die Apothekerin aus Baden-Württemberg. Dass sie eine derart aufwendige Prozedur in Deutschland zur Anerkennung ihres Studiums durchlaufen müsste, sei ihr nicht bewusst gewesen. „Nach Deutschland kam sie, weil es in ihrer Heimat keine vielversprechende Perspektive im Beruf gab. Es herrscht wohl viel Korruption und keine sichere Lohnzahlung, deswegen hat sie sich entschieden, die Heimat zu verlassen“, so die betreuende Apothekerin.

Einfach wird es für sie hierzulande nicht: „Das Pharmaziestudium aus ihrer Heimat muss sie zunächst anerkennen lassen, obwohl sie dort bereits fünf Jahre Berufserfahrung gesammelt hat“, so die Apothekerin. Sie benötigte ein sogenanntes „Gutachten über das Studienbuch“, doch es gab wohl Mängel bei bestimmten Kenntnissen: „Das kostete mal eben 250 Euro, also auch kein Schnäppchen.“

Defizite von Kenntnissen

In einem Antwortschreiben der Apothekerkammer wurde mitgeteilt, was der ausländischen Mitarbeiterin noch an Kenntnissen fehlen würde. Dabei seien nicht alle Anmerkungen nachvollziehbar: „Manche Sachen erschließen sich mir rein gar nicht, da sie in der Apotheke gar keine Rolle spielen. So heißt es beispielsweise, es fehlen Kenntnisse zu gentechnologischen Verfahren zur Gewinnung von Arzneistoffen sowie zu Gentherapeutika.“

Im Schreiben heißt es weiter:

„Im Vergleich zur deutschen Apotheker:innenausbildung gemäß Approbationsordnung für Apotheker wurden folgende Defizite festgestellt:

  • pharmazeutische/medizinische Chemie, insbesondere Arzneimittel- und Metabolitenanalytik auch in biologischen Materialien
  • pharmazeutisch-chemische Aspekte von Sera, Impfstoffen und der Immunologie
  • pharmazeutische Biologie, insbesondere Einsatz immunologischer und enzymatischer Methoden in Analytik und Diagnostik

Auch die Herstellung, Prüfung und Anwendung von Impfstoffen, Immunglobulinen und Immunsera wird genannt. „Ich weiß nicht so richtig, was genau in der Prüfung von unserer Kollegin abverlangt wird und wie wir ihr bei der Vorbereitung helfen können“, so die Apothekerin.

Selber Bücher kaufen

Die betreuende Apothekerin rief dazu bei der Kammer an: „Ich wollte wissen, ob es Bestrebungen gibt, die ganze Sache für ausländische Fachkräfte zu vereinfachen. Es hieß schlicht und einfach nein“, ärgert sie sich. Schlimmer noch: „Ich fragte nach Kursen, die angeboten werden, um Fachkräfte auf die anstehende Prüfung vorzubereiten. Da hieß es, es solle alles im autarken Stil stattfinden, die Betroffenen sollen Bücher kaufen und diese selbstständig studieren. Für Kurse bleibe schließlich keine Zeit neben der Tätigkeit in der Apotheke. Für meine Mitarbeiterin heißt das, sie muss ab sofort abends allein die Bücher wälzen.“

Man höre bei solchen Aussagen raus: „Wir nehmen nicht jeden.“ Und: „Tatsächlich hat mir die Mitarbeiterin am Telefon gesagt, man wolle eine gewisse Qualität sichern, und deshalb müssen ausländische Fachkräfte ein solches Prüfprozedere durchlaufen“, so die Apothekerin. Bei dem derzeitigen akuten Fachkräftemangel könne sie nicht verstehen, warum Menschen, die gut ausgebildet und fleißig sind, solche Steine in den Weg gelegt werden.

Inhaber:innen sollten mitentscheiden

Glück habe die Fachkraft, weil sie bereits Bekannte in Deutschland hat, die das Anerkennungsverfahren bestanden haben und ihr helfen: „Wir unterstützen sie auch innerhalb des Apothekenteams, wo wir können“, so die betreuende Apothekerin. Inhaber:innen sollten zudem mehr Mitspracherecht bekommen: „Ich denke, wir als Approbierte können sehr gut urteilen, inwieweit die Fachkräfte fähig sind, um die anfallenden Tätigkeiten in der Apotheke zu übernehmen.“

Ähnliche Erfahrungen habe sie bereits mit einem Praktikanten aus Syrien gemacht: „Ein sehr fleißiger Mitarbeiter, der ebenfalls das ganze Prozedere durchlaufen musste. Ich verstehe einfach nicht, warum man angesichts der brenzligen Situation die Dinge nicht vereinfacht und Menschen, die arbeiten wollen, nicht vergrault durch soviel Bürokratie“, so die Apothekerin. „Meine Hoffnung ist, dass sich genug Kollegen über den Status Quo aufregen und es irgendwann doch mal zu einer Veränderung kommen wird.“

Bürger sollen sich auf Anerkennung verlassen

Auf Nachfrage erklärt eine Sprecherin des Regierungspräsidiums Stuttgart: „Die Apothekerin beziehungsweise der Apotheker aus dem Ausland können mit der begleitend zum Anerkennungsverfahren erteilten Berufserlaubnis bereits unter Aufsicht fachlich arbeiten.“ Baden-Württemberg habe großes Interesse daran, qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und zu halten: „Daher sind uns die Anerkennungsverfahren in den Gesundheitsberufen und deren zügige Bearbeitung sehr wichtig – gerade auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels. Sowohl unserer zuständigen Abteilungs- und Referatsleitung als auch Regierungspräsidentin Susanne Bay sind das Thema sowie organisatorische und personelle Optimierungen ein großes Anliegen“, so die Sprecherin.

Die beiden Pole, denen „wir als landesweit zuständige Anerkennungsbehörde gerecht werden müssen und wollen“, lassen sich mit den Schlagworten „Anerkennung ausländischer Fachkräfte“ und „Gewährleistung der Patientensicherheit“ überschreiben. „Mit dem bundeseinheitlich vorgegebenen Verfahrensoll gewährleistet werden, dass die Bürgerinnen und Bürger eine qualifizierte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung bekommen“, so die Sprecherin. Es seien im Grunde die gleichen Regelungen wie auch für die inländische Ausbildung in allen Gesundheitsberufen, die ebenfalls staatlichen Prüfungen und Zulassungen unterliegen. „Wir prüfen sorgfältig, ob eine Anerkennung möglich ist. Darauf sollen sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen können.“

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