Krisenplan gegen Engpässe

Grüne: Rezeptur, Stückelung und Meldepflicht

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Berlin -

Wenige Tage bevor Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Eckpunkte für sein Generikagesetz vorstellen will, haben die Grünen eine „4-Punkte-Krisenplan zur Verbesserung der Akutversorgung von Kindern“ vorgelegt. Enthalten sind auch Maßnahmen für die Apotheken.

Zur „Bewältigung der aktuellen Krise und zur Sicherung der Versorgung von Kindern“ schlagen Gesundheitssprecher Dr. Janosch Dahmen, Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink sowie die Berichterstatter Johannes Wagner (Kinderheilkunde), Dr. Paula Piechotta (Arzneimittel und Apotheken) sowie Professor Dr. Armin Grau (Kliniken) in ihrem Papier Maßnahmen in vier Handlungsfeldern vor.

Apotheken/Arzneimittel

Ausweichen auf Rezepturen

„Kernaufgabe der Apotheken ist nicht nur die Abgabe industriell hergestellter Medikamente, sondern auch die Zubereitung von Arzneimitteln. Besteht für ein Medikament nachweislich ein Lieferengpass, sollten Apotheker:innen für einen befristeten Zeitraum – und auf Medikamente zur Behandlung akuter Atemwegserkrankungen begrenzt – eigenständig und ohne erneutes Rezept durch den behandelnden Arzt oder die Ärztin ein Medikament wie beispielsweise einen Fiebersaft herstellen können“, heißt es in dem Papier.

Kein neues Rezept

Außerdem sollten Apotheken für einen befristeten Zeitraum nach telefonischer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin Alternativprodukte ausgeben können, ohne dass dafür ein neues Rezept ausgestellt werden müsse. Voraussetzung sei, dass für ein Medikament nachweislich ein Lieferengpass besteht.

Stückelung ohne Zuzahlung

Da bei Lieferengpässen häufig gestückelt werden müsse, um den Patienten oder die Patient überhaupt versorgen zu können, schlagen die Grünen vor, dass bei nachweislichen Engpässen nicht für jede Kleinpackung erneut eine Zuzahlung geleistet werden muss.

Meldepflicht für Großhandel

Die Grünen wollen die Meldepflicht für absehbare Lieferengpässe gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die bislang nur für die Hersteller gelten, auf den Großhandel ausweiten. Außerdem sollten nicht nur versorgungsrelevante Medikamente umfasst sein, sondern sämtliche Arzneimittel. „Die zuständigen Aufsichtsbehörden sollten ferner ermächtigt werden, bei akutem Versorgungsmangel Vorgaben zur Ausgabe und Verteilung von Medikamenten an Großhandel und Apotheken auszusprechen und zu überwachen.“

Erweiterte Vorratshaltung

Der Großhandel soll verpflichtet werden, alle Medikamente, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel geführt werden, für einen Zeitraum zu bevorraten, mit dem das Abfedern von Liefer- und Nachfrageschwankungen ermöglicht wird.

Zuschläge für Ärzte

Die Kinderarztpraxen sollen von der Budgetierung ausgenommen, so wie von Lauterbach bereits angekündigt. Außerdem sollen Patient:innen in Krisenzeiten von ihren Haus- und Kinderärzten „unbegrenzt und bei vollständiger Vergütung auch telemedizinisch, beispielsweise im Rahmen einer Videosprechstunde behandelt“ werden können. „Dies entlastet Eltern und Praxen gleichermaßen und reduziert die Wahrscheinlichkeit von Ansteckung in vollen Wartezimmern.“

In von Unterversorgung betroffenen oder bedrohten Regionen sollten Kinder-/Jugend- sowie Hausarztpraxen „umgehend einen Vergütungsaufschlag erhalten, um die medizinische Versorgung zu sichern“. Wenn die Praxen überlastet sind, sollten Kassenpatient:innen sich auch ohne vorherige Genehmigung durch Privatärzt:innen behandeln lassen können – die Kassen sollen die Kosten in Höhe der Preise vergleichbarer Vertragsärzte erstatten.

Register für Kinderkliniken

Für Kinderkliniken soll es mehr Koordination und Steuerung geben, damit „jedes Kind, das ein Krankenhausbett braucht, schnell eines zu finden“. Auch Leasingfachkräfte sollen von den Kliniken vorübergehend einfacher herangezogen werden und aus dem Pflegebudget abgerechnet werden können. Zur Sicherstellung der Akutversorgung soll befristet auch eine extrabudgetäre Vergütung für telemedizinische Leistungen wie Videosprechstunden und Telekonsile eingeführt werden. Hier ist eine Zusammenarbeit mit den Kassenärztlichen Vereinigungen vorgesehen.

Attest erst ab Tag 4

Atteste für erkrankte Kinder sollen Eltern erst ab dem vierten Tag bei ihrem Arbeigeber vorlegen müssen. Die Erweiterung der Regelung zum Kinderkrankentage von 30 statt 20 Tagen soll bis Dezember 2023 verlängert werden. Die ab dem 1. Januar verpflichtend geltende elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sollte schnellstmöglich auch um die Attestierung von Kinderkrankentagen erweitert werden.

Eingeschränkte Versorgung

Laut den Grünen ist das Gesundheitssystem aufgrund der verschiedenen aktuell auftretenden Atemwegserkrankungen so stark belastet, dass „die bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung von Kindern in einem besorgniserregenden Maß eingeschränkt ist“. Das betreffe sowohl die Kinderarztpraxen und Kinderkliniken, als auch die Versorgung mit Kindermedikamenten wie etwa Fiebersäften und Antibiotika über die Apotheken: Jedes zweite Rezept sei derzeit von einem Lieferengpass betroffen.

„Es mehren sich Berichte, dass Kinder quer durchs Land verlegt werden müssen, um ein Bett in einer Klinik zu erhalten oder gar nur deshalb ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen, weil einfache Arzneimittel zur Fiebersenkung in den Apotheken nicht verfügbar waren oder der Kinderarzt keine Kinder mehr annehmen konnte“, heißt es in dem Papier. „Grund für den Engpass im Bereich fiebersenkender Kindermedikamente sind vor allem die stark gestiegene Nachfrage an Medikamenten, der Ausfall zugesagter Lieferungen und auch eine ungleiche regionale Verteilung im Bereich von Großhandel und Apotheken.“

Schnellwirksame Maßnahmen

Ursachen seien auch der jahrelange Reformstau im Gesundheitswesen und der sich immer weiter verschärfende Fachkräftemangel verursacht. „Es ist offensichtlich, dass es jetzt langfristig angelegte Strukturreformen braucht, insbesondere eine umfassende Krankenhausreform, eine Verbesserung der Primärversorgung und eine Neugestaltung der Arzneimittelgesetze, die die Versorgung im Sinne der Patientinnen und Patienten nachhaltig und verlässlich sicherstellt.“

Allerdings werde es dauern, bis bereits beschlossene Maßnahmen zu wirken beginnen. „Deshalb ist es erforderlich im Übergang weitere kurz- und mittelfristige Schritte zur Sicherstellung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen auf den Weg zu bringen.“

Lauterbach bezeichnete die Vorschläge ⁦als gut. „Wir werden in nächsten Tagen deutlich weiter gehendes Gesetz vorstellen. Das Problem gibt es schon lange, gründliche Lösung kommt. Das gilt für viele Reformen, die liegen geblieben sind.“

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