Apotheker glaubt nicht Verteilungsproblem

Brandbrief: SPD soll bitte Ware schicken

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Berlin -

Die aktuellen Lieferengpässe seien auch ein Verteilungsproblem, diese These wurde zuletzt von Arzneimittelbehörde und Kassen in den Raum gestellt. Dass auch SPD-Gesundheitssprecherin Heike Baehrens die Apotheken aufgefordert hatte, keine Medikamente zu hamstern, war für viele Apothekerinnen und Apotheker aber zu viel. Auch Dr. Matthias Schneider ist der Kragen geplatzt. Er hat Baehrens am Freitag einen Brandbrief geschickt und sie aufgefordert, ihm doch bitte Ware für den Notdienst zur Verfügung zu stellen.

Schneider war entsetzt über die Aussage der Politikerin im ARD-Mittagsmagazin, Apotheken und Großhändler sollten keine Arzneimittel horten, sondern nur den Bedarf für eine Woche zu bevorraten. „Das ist nicht zu verantworten in einer solchen Situation, wo bundesweit im Grunde diese Medikamente verfügbar sein müssen.“

„In unserem hochregulierten Markt haben sich bereits berufene Menschen hierzu Gedanken gemacht“, so Schneider in seinem Brief an die SPD-Gesundheitsexpertin. So sei in § 15 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) festgeschrieben, dass zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung mindestens der durchschnittlichen Wochenbedarf vorrätig zu halten sei. „Dies ist eine Aufgabe, deren Umsetzung regelmäßig von den Aufsichtsbehörden kontrolliert wird. Es mag Ihnen fremd vorkommen, aber auch Apotheken unterliegen einer Überwachung.“

An Vorräte derzeit nicht zu denken

Bei den Arzneimitteln, bei denen es derzeit Engpässe gebe, sei von einem Vorrat für eine Woche aber „nicht im Traum“ zu denken. „Ich wäre tatsächlich froh, ich hätte genug Vorrat für einen Tag! Und sollte tatsächlich über die normalen Bezugswege Großhandel und Hersteller Ware zu bekommen sein, dann reicht die gelieferte Menge im Idealfall für drei Tage.“

Für den Inhaber der Schwaben-Apotheke in Dilligen ist die Schlussfolgerung klar: Handelt es sich wirklich nur ein Verteilungsproblem, müssten die Medikamente ja irgendwo vorrätig sein. Daher forderte er Baehrens auf, ihn für den Notdienst am Sonntag ausreichend Präparate zu schicken: „Penicillin-V-Tabletten und Saft (Stärke egal, ich kann umrechnen), Amoxicillin-Saft (Stärke egal, ich kann umrechnen), Cotrim 800/160 Tabletten, Cefaclor- Saft (Stärke egal, ich kann umrechnen), Ibuprofen Saft 4% sowie Paracetamol-Zäpfchen in den Stärken 75 und 125 mg“.

Aussagen sind schlichtweg falsch

Natürlich war die Aufforderung nicht ernst gemeint. Seine Botschaft aber durchaus: „Die von Ihrem Haus, Ihrer Partei, Ihrer Koalition und den von Ihnen eigentlich zu überwachenden Krankenkassen getätigten Aussagen sind schlichtweg falsch. Die Behauptung, Apotheken und Großhändler würden ‚hamstern‘, ist infam und unverschämt. Wir versuchen zusammen mit den ortsansässigen Ärzten einen Mangel zu verwalten, den Sie zu verantworten haben, indem Sie den gesetzlichen Krankenkassen beim Rennen um den niedrigst möglichen Preis keinen Riegel vorgeschoben haben, als die Situation, die wir jetzt haben, bereits lange absehbar war.“

Der Verweis auf den Mehrabsatz im Vergleich zu 2019 in Höhe von 18 Prozent sei fehl am Platz, so Schneider, der auch Aufsichtsratschef der Sanacorp ist: „Abgesehen davon, dass ein Vergleich mit Zahlen, die drei Jahre zurückliegen, hanebüchen ist, war die Situation, die wir jetzt erleben, bereits im Frühsommer absehbar. Diskussionen mit Kolleg:innen und Ärzt:innen vor Ort haben gezeigt, dass den meisten klar war, was auf uns zukommt. So viel konnten wir gar nicht ‚hamstern‘, um jetzt gerüstet zu sein. Ich wage die provokante Frage, ob dieses Thema schon bei Ihnen im Ausschuss diskutiert wurde, bevor die Laienpresse medialen Druck aufgebaut hat.“

Nicht BfArM oder Kassen glauben

Mit seinem Appell an die SPD-Politikerin dürfte Schneider vielen Kolleg:innen aus dem Herzen sprechen: „Für künftige Äußerungen aus Ihrem Ausschuss oder auch von Ihnen selbst: Bitte informieren Sie sich vorher eingehend über die Problematik vor Ort. Vertrauen Sie bitte nicht den Aussagen des BfArM oder der gesetzlichen Krankenkassen. Beide Institutionen neigen dazu, Worthülsen zu verbreiten, die vom Kernproblem und von ihrer eigenen Verantwortung ablenken. Fragen Sie in der Arztpraxis (derzeit bevorzugt Kinderarztpraxis) und in der Apotheke vor Ort. Leben und Wirklichkeit findet dort statt und nicht in Statistiken.“

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