„Ich könnte auch im Steinbruch arbeiten“

Apotheker schreibt Brandbrief an Scholz

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Berlin -

Mit einem Brandbrief richtet sich Dr. Wolfgang Scholz, Inhaber der Hirsch-Apotheke in Lüdenscheid, an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): „Es herrscht seit Jahren ein absoluter Stillstand in Bezug auf das Apothekenhonorar. Das gleicht meiner Meinung nach einem Sozialskandal“, so der Apotheker, der mit Kritik an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht spart.

Mittlerweile seien die Zustände in den Apotheken kafkaesk: „Wir könnten auch in einem Steinbruch arbeiten, so sinnlos ist die Arbeit bei der schlechten Vergütung“, so Scholz. Er habe einmal durchgerechnet, dass die Arbeit nur 10 Prozent Rohertrag bringe: „Was machen wir hier eigentlich?“ Der totale Stillstand bei Honoraranpassungen sei ein „Sozialskandal“: „Es kann nicht sein, dass sich alle Anderen die Taschen füllen und die Apotheke stets außen vor bleibt. Es muss sich dringend etwas ändern“, so der Inhaber.

Er appelliert an den Bundeskanzler und hat zur Verdeutlichung der Missstände einen Brandbrief verfasst: „Im Bundestagswahlkampf 2021 hatten Sie als SPD-Kanzlerkandidat für mehr Respekt gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und Soziale Gerechtigkeit für alle geworben. Dieses Credo ist offensichtlich bei Ihren Ministern nicht angekommen, insbesondere nicht beim Gesundheitsminister, der fortgesetzt eine große Respektlosigkeit gegenüber den Apotheken zeigt und für den Soziale Gerechtigkeit ein Gut ist, das nach Gutdünken angewendet wird“, schreibt der Inhaber.

Verzicht seit 20 Jahren

Vor allem eine Äußerung Lauterbachs zum Apothekenhonorar ärgert Scholz: „Für höhere Honorare der Apotheker gebe es keinen Raum“, habe er im Juni zu Protokoll gegeben. Dabei sei der Sachverhalt zu den Geldern klar: „Das Apothekerhonorar für die Dispensierung wurde 2003 in einer Revision der Arzneimittelpreisverordnung neu festgelegt, auf damals 8,10 Euro. Die Inflationsrate der letzten 20 Jahre bis 2023 beläuft sich auf 48 Prozent. Abgesehen von einer Drei-Prozent-Erhöhung im Jahr 2013 hat sich nichts getan, außer dass sich der Aufwand für die honorierte Apothekenleistung erheblich erhöht hat.“

Statt nun den berechtigten Honorarforderungen der Apotheken im Sinne des Inflationsausgleichs nachzukommen, habe der Gesundheitsminister Anfang des Jahres sogar noch eine Kürzung der Honorare durch Erhöhung der Krankenkassenrabatte verordnet, so der Apotheker. „Die Apotheken haben praktisch über 20 Jahre auf einen Inflationsausgleich verzichten müssen. Die über Jahrzehnte andauernde schlechte Behandlung des Apothekerstandes ist eine Diskriminierung sondergleichen. In keinem Zweig von Industrie und Handel hat es über 20 Jahre einen solchen Stillstand gegeben, schon gar nicht im öffentlichen Dienst und in den Regierungs- und Beamtenapparaten“, ärgert sich der Apotheker.

Vollen Inflationsausgleich

Weiter im Brief heißt es: „Verfolgt man die Entwicklung der Bundestagsdiäten und die Gehälter der Minister über die letzten 20 Jahre, so ist festzustellen, dass diese ohnehin mit einer Erhöhung um circa 48 Prozent das Inflationsgeschehen sehr exakt abbilden. Politiker und Beamte haben also im Gegensatz zu den Apotheken vollen Inflationsausgleich genossen.“

Dieser Entwicklung müsse endlich korrigiert werden: „Daher haben die Apotheken mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am 14. Juni 2023 bundesweit protestiert. Genützt hat das bis heute nichts“, so Scholz. Deshalb fordert er: „Herr Bundeskanzler, machen Sie bitte Ernst und setzen Sie mit Ihrer Richtlinienkompetenz durch, dass Ihr Credo von Respekt gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und Soziale Gerechtigkeit nicht nach Gutdünken und dem Gießkannenprinzip, sondern einfach für alle
wirksam durchgesetzt wird. Sorgen Sie dafür, dass die Apotheken von einem entwicklungsadäquaten Inflationsausgleich nicht ausgeschlossen werden.“ Wenn nicht kurzfristig etwas passiere, werde das System der öffentlichen Apotheken implodieren, wie aktuell anhand der vielen Apothekenschließungen schon deutlich sichtbar sei, so der Apotheker.

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