Zusammenhalt in der Krise

Hagen: Brennerei schenkt Apotheke Alkohol

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Berlin -

Desinfektionsmittel sind Mangelware und Apotheken müssen in die Bresche springen, um die Versorgung zu gewährleisten – für viele Brennereien eröffnet sich da eine neue Einkommensquelle. In Hagen hat nun ein Spirituosenhersteller gezeigt, dass es ihm nicht nur ums Geld geht: Die Eversbusch-Brennerei hat der Rathaus-Apotheke 80 Liter 96-prozentiges Ethanol geschenkt, um damit Desinfektionsmittel herzustellen. Die verschenkt die Apotheke wiederum weiter – dabei hatte sie erst gar nicht mit dem uneigennützigen Angebot gerettet.

Krisen bringen fast immer zwei Archetypen hervor: einerseits die Helden des Alltags, andererseits die Krisengewinnler. Wie nah beide Gruppen oft beieinanderliegen, hat Inhaber Dr. Christian Fehske am Freitag erlebt. Denn seit es immer schwieriger wird, Desinfektionsmittel zu erhalten, und Apotheken von der Alkoholsteuer befreit wurden, versuchen manche Schnapsbrenner, einen Reibach zu machen. „Ich hatte in den letzten Tagen ein paarmal Anrufe von Brennern, die mir angeboten haben, Ethanol von ihnen zu kaufen“, erzählt Fehske. „Zuletzt fragte mich jemand und bot mir das Ethanol zum Achtfachen des normalen Preises an.“

Allzu hohe Erwartungen hatte er deshalb nicht, als sich am Freitagmorgen die traditionsreiche Eversbusch-Brennerei aus Hagen bei ihm meldete. „Ich war erst skeptisch, habe gesagt, ich sei schon bevorratet, und habe dankend abgelehnt“, erinnert er sich. Und das war nicht mal gelogen: Er habe Vorräte für sechs bis acht Wochen angelegt, allerdings nicht für den freien Verkauf. „Ein Verkauf an Privatpersonen kommt für uns in der momentanen Lage nicht infrage, oder nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen wie zum Beispiel bei der Pflege von Krebspatienten oder Immunschwachen“, erklärt der Inhaber. „Wir stellen inzwischen den von uns versorgten Ärzten und Pflegeheimen für das Desinfektionsmittel zwar wegen der Preissteigerung bei den Rohstoffen nur noch die Materialkosten in Rechnung, aber auch das ist wirtschaftlich immer schwerer zu stemmen.“

Mit Eversbuschs Antwort hatte er aber nicht gerechnet. „Darauf sagte er, das sei schade, er würde das Ethanol gern verschenken. Da bin ich fast vom Stuhl gefallen.“ Dieses Angebot konnte er natürlich nicht mehr ablehnen. Und so stand Peter Eversbusch, der die Brennerei gemeinsam mit seinem Bruder Christoph führt, kurz darauf mit dem Auto vor Fehskes Apotheke. „Für uns gibt es da gar keine Diskussion. Wir haben den nötigen reinen Alkohol in unserem Branntweinlager vorrätig. Und weil genau der gerade in Hagen gebraucht wird, geben wir den selbstverständlich raus“, zitiert die Westfalenpost Christoph Eversbusch. Normalerweise müssen die beiden pro Liter Ethanol 13,30 Euro an Branntweinsteuer abführen – doch das hat sich mit der Verfügung des Bundesfinanzministeriums in dem Falle vorerst erledigt. „Ich war völlig erstaunt, als ich beim Zoll anrief, gesagt habe, was wir vorhaben, und die Sache dann in zwei Minuten erledigt war“, so Eversbusch.

Als sie am Telefon gehört haben, was Fehske mit dem Ethanol vorhat, haben die Brüder sogar nochmal einen draufgelegt und die Menge von 60 auf 80 Liter erhöht: Die Desinfektionsmittel sollen nämlich an die Wohlbehagen-Pflegeheime gehen. „Das ist ein Hagener Familienunternehmen, das mehrere Pflegeheime betreibt. Die riefen mich letzte Woche an und sagten mir, dass ihr letzter Desinfektionsmittellieferant ausgefallen ist“, so Fehske, für den die Sache damit klar war. „Das ist der empfindlichste Teil der Gesellschaft, der jetzt geschützt werden muss und von allen, die ich kenne, die Stelle, wo es am dringendsten gebraucht wird. Die Arbeitszeit und das Material gebe ich dazu und wir machen das als gemeinnützige Sache.“

In den Wohlbehagen-Einrichtungen kommt die Offerte genau zur rechten Zeit. Rund eine Woche kommen die Heime mit ihren jetzigen Beständen noch hin. „Es profitieren unsere Kunden, alle Mitarbeiter und jeder Angehörige von dieser Aktion. Das ist so sinnvoll, was das Unternehmen Eversbusch da getan hat“, zitiert die WP Jann Scheibe, den Geschäftsführer des Pflegeunternehmens. Aus den 80 Litern Ethanol kann Fehske nun nach eigenen Angaben rund einen Hektoliter Desinfektionsmittel herstellen.

Der Apotheker und die Brenner hoffen aber neben der akuten Hilfe vor allem auf die Vorbildfunktion der Brennerei. „Wir hoffen aber auch, dass das ein Zeichen an andere Brennereien ist, den reinen Alkohol für diesen Zweck rauszugeben. Wir müssen jetzt zusammenhalten und tun, was wir können“, so Christoph Everbuschs. Mit leeren Händen gingen die beiden Brenner-Brüder trotzdem nicht vom Hof, wie Fehske erklärt: „Als kleines Dankeschön gab’s dafür umgekehrt eine Flasche einer anderen aus Ethanol hergestellten Apotheken-Hausspezialität, unseren traditionellen Rathausbitter. In dem Fall muss allerdings natürlich versteuerter Ethanol verwendet werden.“

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