Pflege, Palliativ und Krebs

„Medikamente für Trauernde nicht lieferbar“

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Berlin -

Nicht nur Kinderarzneimittel wie antibiotische Säfte oder Fiebermittel sind von Lieferengpässen betroffen. Es fehlt auch an Medikamenten für die Palliativmedizin und Pflege. Man müsse den „Fokus auch auf Arzneimittel legen, die psychische Erkrankungen wie Depressionen therapieren“, so Daniela Hänel, Inhaberin der Linda Apotheke in Zwickau. Auch für den letzten Weg des Lebens seien Beruhigungs- und Schmerzmittel essentiell, so die Apothekerin. Diese seien aber aktuell schwer zu bekommen.

Momentan fehlen etliche Psychopharmaka, Beruhigungs- und Schlafmittel: „Ich kann weder Lorazepam 1mg bestellen, noch Diazepam in Tropfenform oder Alprazolam. Besonders gravierend ist auch der Engpass bei Tavor Expidet als Schmelztablette“, so Hänel. „Wenn beispielsweise Patient:innen mit Trauerfällen in die Apotheke kommen oder auch palliativ versorgende Angehörige, dann muss ich sagen, dass diese wichtigen Medikamente nicht lieferbar sind“, so die Apothekerin, die auch 1. Vorsitzende der Freien Apothekerschaft ist. Die darauf folgende Verzweiflung könne man sich gut vorstellen.

Engpässe in der Pflege

Auch die Situation in den Pflegeheimen sei mehr als prekär: „Ich denke da vor allem auch an das Personal. Mitunter bestreiten die Angestellten dort die Nachtschicht mit der alleinigen Verantwortung für etliche Patienten. Wenn es an wichtigen Psychopharmaka fehlt, ist die Therapie gefährdet. So werden dann gut eingestellte Menschen wieder auffällig“, so die Apothekerin.

Das zeige sich nun auch häufiger im Apothekenalltag. Es riefen ältere Patient:innen an und fragen nach altbewährten Beruhigungs- und Schlafmitteln: „Ich bin dann in Erklärungsnot und muss teils 80-Jährige vertrösten und sagen, dass ich beispielsweise Aponal-Tropfen nicht bestellen kann“, so Hänel. Teilweise wollen die Kund:innen die Gründe für die Nichtverfügbarkeit wissen: „Ich kann wenig dazu sagen, weil ich es ja auch nicht weiß. Das ist keine schöne Situation.“

Im Prinzip fehle es an allen Ecken, selbst einfache Augentropfen sind nicht bestellbar: „Erst kürzlich war eine Kundin fast zwei Wochen in Zwickau unterwegs, um die Apotheken abzuklappern, weil sie dringend Timolol-Augentropfen brauchte. Selbst die desinfizierende Augensalbe Posiformin ist immer wieder von Engpässen betroffen – und das seit Jahren“, so Hänel. Das sei gerade im Notdienst immer wieder sehr ärgerlich: „Um in der Bereitschaft versorgen zu können, muss ich mich immer wieder damit beschäftigen, was wo zu bekommen ist, dass kostet Zeit und Nerven“, so Hänel.

Bei Sterbefällen kein Medikament

Sie betont zudem: „Im Rahmen der Kinderarzneimittelversorgung konnten wir bisher einen Großteil der Patient:innen irgendwie immer versorgen. Das ist aber in der Palliativmedizin oder bei Psychopharmaka schon schwieriger. Es gibt einfach keine Alternative zu den Verordnungen. Üblicherweise verschreibt der Notarzt nach Sterbefällen meist eine kleine Packung Lorazepam für Hinterbliebene. Damit kann die Nacht erstmal überstanden werden. Ich muss in solchen Fällen dann aber den Trauernden erklären, dass es nicht lieferbar ist“, so die Apothekerin.

„In solchen Fällen kann ich demnach nicht helfen. Das heißt, die Menschen irren dann umher, um diese essentiellen Medikamente zu besorgen. Wo sind wir nur hingekommen?“ Man dürfe den Fokus zudem nicht nur auf Kinderarzneimittel legen, wenn es quasi überall fehle: „Ich will die Engpässe zu den Kinderarzneimitteln um Gottes willen nicht runterspielen, aber das ist eben nur die Spitze vom Eisberg“, so Hänel.

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