„Man muss Kunden auch mal anfassen dürfen“

Contra Plexiglas: Eine Scheibe schützt uns nicht

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Berlin -

In der Paradies-Apotheke in Köln sieht es fast wieder so aus wie vor der Pandemie. Die Glasscheiben am HV-Tisch wurden abgebaut – die Angestellten tragen jedoch weiter Mundschutz. Auf den „Spuckschutz“ zu verzichten ist für Inhaber Dirk Vongehr der richtige Schritt in die Zukunft. Der Kundschaft falle es kaum auf, sagt er.

Wie viele Betriebe installierte Vongehr gleich im März 2020 die Glasscheiben im HV-Bereich. „Wir waren die ersten hier in der Straße.“ Der Apotheker haderte mit den durchsichtigen Trennwänden. Während für viele andere Teams bereits im Juni 2020 laut einer aposcope-Befragung feststand, die Plexiglasscheiben vermutlich auch nach der Corona-Krise beizubehalten, las Vongehr verschiedene Studien dazu. „Eine Scheibe schützt uns nicht“, lautet sein Resümee.

Studien hinterfragen Plexiglas-Lösungen

Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass hohe Trennwände die Luftzirkulation in Innenräumen erschweren. Das Absinken der Partikel könnte verlangsamt werden, warnen die Wissenschaftler:innen – das Infektionsrisiko könnte damit sogar steigen. Dennoch setzen auch heute noch viele Teams auf den „Spuckschutz“ – gerade wenn man sehe, was abends an der Scheibe hängen bleibe. Laut einer aposcope-Befragung aus dem April hatten zuletzt 94 Prozent der Apotheken Plexiglasscheiben am HV-Tisch installiert. Eine Mehrheit von 83 Prozent will dies auch beibehalten.

Vongehr geht es auch um die Perspektive: „Für mich ist das Arbeiten hinter einer Glasscheibe keine Art, wie ich in Zukunft arbeiten möchte.“ Die Entscheidung gegen die Trennwand sei gemeinsam mit dem Team gefallen. „Es musste eine einstimmige Entscheidung sein, sonst hätten wir es gelassen.“ Nach zwei Wochen sei klar gewesen, dass die Scheiben verschwinden. „In einer geheimen Abstimmung haben sich alle dafür ausgesprochen.“ Gleichzeitig werde mit FFP2-Maske weitergearbeitet.

Schluss mit dem Verstecken

Der Apotheker will sich „nicht ewig hinter einer Glasscheibe verstecken – das können wir auch nicht“. Eine FFP2-Maske zu tragen, ist für ihn entscheidend. „Wenn ein Infizierter ohne Maske kommt, steckt er alle an. Das ist die größte Infektionsgefahr.“ Natürlich habe es auf den Scheiben Verschmutzungen gegeben. „Die hat es schon immer gegeben. Wir spucken uns nun mal an.“

In Apotheken fänden Gespräche mit Menschen statt, da gehöre der nahe Kontakt dazu. „Man muss den Kunden auch mal anfassen dürfen.“ Das Team und er fühlten sich ohne die Glasscheibe nicht unsicher. „Die FFP2-Maske schützt uns.“ Vorsichtshalber seien die Scheiben jedoch nicht entsorgt, sondern zunächst verstaut worden. Die Kundschaft hat sich in den vergangenen Jahren an die Scheiben gewöhnt. Sie registriere kaum, dass die Scheiben nicht mehr stünden. „Die Kunden sagen, dass irgendwas anders ist. Dann ist die Reaktion durchweg positiv.“

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