Abschaffen der Maßnahmen

Plexiglasscheibe: Distanz ohne Schutz

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Berlin -

Wurden die Plexiglasscheiben am Anfang der Pandemie aufgrund der schlechteren Akustik im Beratungsgespräch noch von vielen Kolleg:innen verteufelt, sieht es heute anders aus. Zahlreiche Apothekenteams sind sich einig: Die Trennwände zwischen Kund:innen und Apothekenmitarbeiter:innen sollen bleiben. Das abendliche Putzen der Scheibe zeige, dass sich trotz eigentlicher Maskenpflicht Rückstände ablagern. Doch ist diese Maßnahme zur Vermeidung von Infektionen wirklich sinnvoll?

Plexiglasscheiben wurden als eine der ersten Maßnahmen zur Pandemieeindämmung in Apotheken, Arztpraxen und im Einzelhandel eingesetzt. Nun, zwei Jahre nach der Installation der Trennwände, könnten Apotheken die Maßnahme wieder abschaffen. Für einige Apotheker:innen und PTA sind die Scheiben eh störend, da man Schwierigkeiten hat, das Gegenüber zu verstehen. Die Beratung wird dadurch erschwert. Doch viele Teams wollen die Wände nicht abbauen.

Laut einer aktuellen Befragung von aposcope haben 94 Prozent der Apotheken aktuell Plexiglasscheiben am HV-Tisch installiert. Eine Mehrheit von 83 Prozent will dies auch beibehalten.

Eine Studie von Forschern der Johns-Hopkins-Universität konnte bereits im vergangenen Jahr zeigen, dass die Scheiben einen negativen Effekt auf die Aerosolverteilung haben können. Denn mehrere hohe Trennwände erschweren die Luftzirkulation in Innenräumen. Das Absinken der Partikel könnte verlangsamt werden, warnen die Wissenschaftler:innen – das Infektionsrisiko könnte damit sogar steigen. Darüber hinaus kritisieren die Autor:innen der Studie, dass die Trennwand ein falsches Gefühl von Sicherheit geben könnte.

Was können Plexiglasscheiben?

Die Scheiben schützen vor größeren Aerosolpartikeln aus der Ausatemluft, wenn die Person zwei Meter oder weniger entfernt steht. Bei größeren Entfernungen wäre die Trennung nicht nötig, da die Partikel aufgrund des Gewichtes vor dem Erreichen des Gegenübers auf den Boden sinken würden. Kleinere Partikel und Aerosole, die mit der normalen Atemluft abgegeben werden, werden von den Scheiben nicht „aufgehalten“. Aufgrund des geringen Gewichtes verbleiben sie längere Zeit in der Luft und können sich so vor der Scheibe (vor allem bei unzureichender Belüftung des Raumes) ansammeln. Da vor allem die kleinsten Aerosole an der Übertragung von Sars-CoV-2 beteiligt sind, stellen Plexiglasscheiben nur einen unzureichenden Infektionsschutz dar.

Risikofaktor: Es liegen Erkenntnisse aus epidemiologischen und mechanischen Studien, die nahelegen, „dass Trennscheiben das Risiko von Aerosol-Übertragungen erhöhen können, indem sie in Zonen schwacher Luftzirkulation hinter der Scheibe Muster der Luftzirkulation blockieren oder umleiten.

Bislang wurde in der Apotheke stets Maske getragen. Durch eine FFP2-Maske kommen generell kaum Partikel hindurch, sodass das Masketragen immer noch eine der effektivsten Schutzmaßnahmen ist. Mit Wegfall der Maskenpflicht könnten die Plexiglaswände zumindest vor Tröpfcheninfektionen schützen. Die Oberflächenbelastung der Umgebung könnte durch Plexiglasscheiben verringert werden. In der Praxis heißt das: Der HV-Tisch und damit beispielsweise die Tastatur oder ausliegende Broschüren, bleiben „sauberer“.

Laut Arbeitsschutzverordnung müssen Arbeitgeber:innen erforderliche Maßnahmen durch eine Gefährdungsbeurteilung ermitteln und in betrieblichen Hygienekonzepten festlegen. Da die alleinige Installation von Plexiglaswänden keinen nennenswerten Schutz vor Sars-CoV-2 bietet, kann das Behalten der Trennwände lediglich als besonderer Service oder als eine vom Team gewollte räumliche Distanz zum/r Kund:in beurteilt werden.

Lüften beibehalten

Der regelmäßige Austausch der Luft und eine gewisse Luftzirkulation können die Konzentration von Krankheitserregern in der Umgebungsluft verringern. Das vielerorts praktizierte Stoß- oder Dauerlüften sollte beibehalten werden, denn durch das Lüften gelangt Frischluft in den Raum, wodurch die Aerosolkonzentration gesenkt wird. Das mindert nicht nur die Konzentration eventueller Corona-, sondern auch eventueller Rhino- oder Influenzaviren in der Luft. Das Umweltbundesamt empfiehlt folgende Lüftungszeiten: Im Sommer sollte für ca. 20 Minuten stoßgelüftet werden. Im Winter reichen bei sehr niedrigen Temperaturen fünf Minuten aus. Als Faustregel sollte aber im Schnitt 10 bis 15 Minuten gelüftet werden.

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