E-Health-Gesetz

Zu viele Lücken im Medikationsplan

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Berlin -

Mit dem E-Health-Gesetz soll künftig jeder Patient, der mindestens drei Arzneimittel einnimmt, Anspruch auf einen individuellen Medikationsplan bekommen. Mit der Maßnahme will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) erhöhen. Dafür muss sich aber die Qualität der Medikationspläne deutlich verbessern, wie eine aktuelle Studie der Uni Münster zeigt.

Nur 6,5 Prozent der ärztlichen Medikationspläne korrespondiert mit der tatsächlichen Medikation der Patienten. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Universität Münster, deren Ergebnisse jetzt im „Journal of Evaluation in Clinical Practice“ veröffentlicht wurden.

Die Studienautoren Isabel Waltering, Dr. Oliver Schwalbe und Professor Dr. Georg Hempel haben die Arzneimitteleinnahmen von 500 Patienten untersucht, die im Zeitraum zwischen Februar 2013 und April 2014 von insgesamt 127 Apothekern begleitet wurden.

Die Studie zeigt, dass die Diskrepanzen zwischen Medikationsplan und tatsächlicher Medikamenteneinnahme höher sind als bisherige Untersuchungen nahe legten. „Unser Untersuchungsansatz berücksichtigt erstmals neben den von Allgemein- und Fachärzten verordneten verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch die Einnahme nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel“, erläutert Hempel.

Von den 500 begleiteten Patienten verfügten 80 Prozent über einen individuellen Medikationsplan. Entsprechend der Pläne nahmen die Patienten im Durchschnitt knapp neun verschreibungspflichtige Arzneimittel und ein rezeptfreies Arzneimittel ein. Im Bereich der Rx-Medikation lag die Bandbreite der Wirkstoffe zwischen 1 und 21, bei den OTC-Präparaten zwischen 0 und 6.

Bei der Aufnahme und Analyse aller tatsächlich eingenommenen Arzneimittel in den Apotheken stellten die Wissenschaftler 2021 Abweichungen fest – mehr als fünf pro Patient. 78 Prozent der Abweichungen betrafen die verschreibungspflichtigen Medikamente, 22 Prozent entfielen auf den rezeptfreien Bereich.

41 Prozent der Abweichungen betrafen den Austausch eines Arzneimittels durch ein Generikum. Der Austausch an sich sei nicht das Problem, da die Wirksamkeit dieselbe ist, kommentiert Hempel. Da aber auf dem Medikationsplan ein anderer Name stehe als auf dem ausgehändigten Medikament, könne es bei den Patienten zu Missverständnissen und Fehleinnahmen kommen, so Hempel.

In 30 Prozent der Fälle nahmen Patienten ein Arzneimittel ein, das nicht im Medikationsplan aufgeführt war. Auch eigenmächtige Absetzungen (18 Prozent) und Dosierungsänderungen (11 Prozent) wurden beobachtet. Die meisten Abweichungen betrafen Antihypertonika (494 Fälle), gefolgt von Analgetika (178) und Antidepressiva (105).

„Vollständige und aktuelle Informationen über die verordnete Medikation sind eine Grundvoraussetzung für eine sichere und optimale Therapie. Vor dem Aushändigen des Medikationsplanes ist eine Medikationsanalyse vorzunehmen“, schlussfolgern die Autoren. Aus ihrer Sicht sollten öffentliche Apotheken eine Schlüsselrolle bei der Erstellung und regelmäßigen Aktualisierung von Medikationsplänen spielen. „Gerade bei Patienten, die mehrere Medikamente einnehmen – und das sind in den meisten Fällen ältere Menschen – ist eine Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern besonders wichtig. Offensichtlich bestehen hier noch hohe Defizite“, betont Waltering.

Insofern sei es unverständlich, dass die Apotheken im ersten Entwurf des E-Health-Gesetzes der Bundesregierung keine Berücksichtigung gefunden haben. „Insbesondere die Medikationsanalyse als neue pharmazeutische Tätigkeit muss aus unserer Sicht systematisch in die Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans integriert werden“, betont Schwalbe, der bei der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) die Fortbildungen verantwortet.

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