Analyse

Rx-Boni ködern OTC-Kunden

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Berlin -

Vor einem Jahr hat der EuGH ausländischen Versandapotheken die Gewährung von Rx-Boni erlaubt. Sofort haben DocMorris und Europa Apotheek Bonusprogramme gestartet und ihre Marketing-Etats hochgefahren. In den TV-Spots werden Rx-Boni bis zu 30 Euro pro Rezept angepriesen. Die Umsätze der ausländischen Versender sind zwar gestiegen – allerdings auf überschaubarem Niveau. Hauptverlierer sind die inländischen OTC-Versender – doch auch hier gibt es markante Unterschiede.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) weist in seiner GKV-Ausgabenstatistik die Zahlen der ausländischen Versandapotheken aus. Danach wurden im ersten Halbjahr 2017 insgesamt verschreibungspflichtige Arzneimittel und Verbandmittel im Wert von 199,4 Millionen Euro von den Kassen gezahlt. Das ist ein Zuwachs von knapp 13,5 Prozent.

Platzhirsch beim Rx-Versand ist DocMorris. Nach eigenen Angaben hat die niederländische Versandapotheke von Januar bis September Rx-Arzneimittel im Wert von 177 Millionen Euro verkauft. Das entspricht einem Plus von 9,6 Prozent. Hochgerechnet käme DocMorris im Gesamtjahr auf einen Rx-Umsatz von rund 235 Millionen Euro – also mehr als die Hälfte des Gesamtmarktes im ausländischen Versandhandel.

Damit liegt der Zuwachs bei DocMorris allerdings unter dem vom BMG gemessenen Anstieg von 13,5 Prozent für das erste Halbjahr. Andere Anbieter wie die demnächst wieder zur Shop-Apotheke gehörende Europa Apotheek waren demnach erfolgreicher. Erheblich stärker zugelegt hat DocMorris dagegen beim OTC-Versand. Dort steigerte die Zur Rose-Tochter ihre Verkäufe um satte 41,4 Prozent – von 66 Millionen Euro auf 93 Millionen Euro. Der Verkauf von Kosmetik und anderen Produkten legte nur leicht um 2,6 Prozent auf 48 Millionen Euro zu.

Die Alarmrufe der ABDA vor einem existengefährdenden Rx-Erdrutsch zu Lasten der inländischen Vor-Ort-Apotheken bestätigt die Statistik derzeit nicht. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber die Klage der inländischen Versender über die Abwanderung ihres Geschäfts ins Ausland. Ein Anbieter beklagt hinter vorgehaltener Hand einen Einbruch des Rezeptgeschäfts um 50 Prozent.

Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) räumte unlängst ein: „Unsere Mitglieder stellen schon fest, dass sie in der Tat weniger verschreibungspflichtige Rezepte zugeschickt bekommen. Das Geschäft hat sich deutlich weg von deutschen Versandapotheken hin in die Niederlande verlagert“, so Geschäftsführer Udo Sonnenberg. Dabei ist die Situation nach eigenen Angaben der Versender nicht überall gleich schlimm: Während Karlheinz Ilius von Medikamente-per-Klick mit einem Umsatzrückgang von etwa 10 Prozent rechnet, geht man bei Sanicare von stabilen Zahlen aus.

Apotal will aufgrund steigender OTC-Umsätze insgesamt sogar zulegen. Allerdings stagniert der Rx-Umsatz hier ebenfalls seit Jahren, weshalb er prozentual immer weniger zum Gesamtergebnis beiträgt. Aktuell liegt der Umsatzanteil bei 14 Prozent. Dieser für einen deutschen Versender sehr hohe Wert begründet sich im Spezialgeschäft der Diabetikerversorgung. Da diese eng betreuten Kunden sehr loyal seien, wechselten nur wenige wegen ein paar Euro Bonus den Versender, heißt es bei Apotal.

Dennoch ist die Gesamtlage für die deutschen Versandapotheken laut BVDVA „höchst unbefriedigend“. Die Politik müsse dringend handeln, fordert der Verband. Das Hauptgeschäft der inländischen Versandapotheken ist zwar der OTC-Markt. Doch wie die DocMorris-Zahlen belegen, gab es dort erhebliche Verschiebungen. Das EuGH-Urteil hat also in geringerem Umfang als erwartet auf den Rx-Markt ausgestrahlt. Die massive Werbung für Rx-Boni hat offenbar vor allem OTC-Kunden geködert.

Trotzdem ist zu erwarten, dass auch der Rezeptanteil ausländischer Versender weiter steigt. Im Gesamtjahr 2016 wurden für 366 Millionen Euro Rx-Arzneimittel und Verbandmittel über ausländische Versandapotheken abgegeben. In diesem Jahr dürfte dieser Betrag mindestens auf 400 Millionen Euro steigen. Damit liegt der Anteil am Rx-Gesamtmarkt immer noch bei etwa 1,1 Prozent. Zu berücksichtigen ist bei diesen Zahlen zudem, dass der Rx-Ausgabenanstieg teilweise auf neue und teure Arzneimittel zurückgeht. Welchen Anteil die Versandapotheken an dieser Entwicklung haben, geht aus den BMG-Zahlen nicht hervor.

Am meisten Rx-Arzneimittel bei ausländischen Versendern beziehen übrigens Versicherte der Ersatzkassen: Im ersten Halbjahr überwiesen TK, DAK, Barmer & Co. zusammen 96 Millionen Euro ins Ausland. Mit knapp 42 Millionen Euro folgen die Betriebskrankenkassen (BKK) auf dem zweiten Platz noch vor der AOK mit 40 Millionen Euro. Mit 13 Millionen Euro liegen die Innungskrankenkassen (IKK) schon weit abgeschlagen.

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