„Wir sind schon im Niedriglohnsektor“

Neuer Mindestlohn: Was kostet das die Apotheken?

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Berlin -

Die Zeichen stehen auf Erhöhung des Mindestlohns: Auf viele konkrete Punkte haben sich die voraussichtlichen neuen Koalitionäre im Bund noch nicht offiziell geeinigt. Dass der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben werden soll, scheint jedoch schon ausgemachte Sache. Was vielen Millionen Menschen in Deutschland zu einem faireren Gehalt verhelfen soll, könnte vielen Apothekeninhaber:innen aber große Probleme bereiten. Denn vor allem PKA-Einsteiger sind bereits an der Mindestlohnschwelle. Es könnte eine Kettenreaktion von Forderungen nach Lohnerhöhungen folgen – die Apotheken vor Steigerungen von bis zu 20 Prozent bei den Lohnkosten stellen, wie Inhaberin Antje Lorek warnt.

Acht Millionen Menschen sollen schon bald mehr Lohn erhalten: SPD, Grüne und FDP haben sich ausweislich ihres Sondierungspapiers bereits vor Beginn der Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, den Mindestlohn bereits im ersten Regierungsjahr von jetzt 9,60 Euro auf dann 12 Euro anzuheben. Unter jenen acht Millionen Menschen dürften dann nicht nur Beschäftigte in Bereichen wie der Gastronomie oder dem Friseurgewerbe sein, sondern auch solche in den Apotheken.

„Man muss es ganz klar sagen: In der Apotheke sind wir schon im Niedriglohnsektor“, erklärt Lorek, die mit ihrem Mann drei Apotheken in Kiel betreibt. Die offiziellen Zahlen stützen das: Eine PTA erhält momentan laut Adexa-Tariftabelle 2149 Euro Monatsbrutto in den ersten beiden Berufsjahren, eine PKA sogar nur 1868 Euro. Die PKA-Einsteigerin ist damit nach der geplanten Neuregelung mit ihren 10,90 Euro Stundenlohn unterhalb der neuen Mindestlohngrenze.

Noch krasser sieht es bei den Mitgliedern in Apothekenteams aus, die nicht als Fachkräfte angestellt sind, vor allem Boten und Reinigungskräfte. „Wenn der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben wird, verdient mein Fahrer als ungelernte Arbeitskraft mehr als heute eine ausgebildete PKA“, sagt Lorek. Die Folge: „Dann werden wir auch die anderen Löhne anheben müssen, um die Abstände zu wahren.“

Denn nach den PKA würden die PTA und schließlich auch die Approbierten folgen – Lorek erwartet einen Kaskadeneffekt. PTA würden mit ihren 12,53 Euro pro Stunde in den ersten beiden Berufsjahren nur knapp über dem neuen Mindestlohn liegen. „Die Adexa wird dann auch neue Forderungen aufstellen“, prophezeit sie. Und das könne dann auch die Approbierten betreffen. Denn Lorek macht keinen Hehl daraus, dass sie quer durch alle Berufsgruppen in der Apotheke eine akute Unterbezahlung sieht.

Approbierte steigen laut Tarif bei 3582 Euro ein und erhalten dann bis zum 5. Berufsjahr 3696 Euro brutto im Monat. „Eine Approbierte verdient so viel wie eine Intensivpflegerin, obwohl sie ein Studium abgeschlossen hat und die Pflegerin eine Ausbildung“, sagt Lorek. Und das Bundesgesundheitsministerium hat bereits das Ziel von 4000 Euro Einstiegsgehalt für Pflegekräfte ausgegeben – mehr als 11 Prozent über dem Approbiertengehalt.

Jungen Inhabern gehe es dabei nicht viel anders, sagt Lorek. „Die meisten rechnen da mit 5000 Euro im Monat, aber wenn man die ganzen Abgaben von der Krankenversicherung bis zum Versorgungswerk abzieht, kommt das auch niemals hin“, sagt sie. Gleichzeitig könnten vor allem studierte Fachkräfte in der Industrie das Dreifache verdienen „und auch eine PTA verdient 50 Prozent mehr als in der Apotheke, wenn sie bei einer Kasse arbeitet“, so Lorek. „Man muss es so sagen: In jedem anderen Bereich des Gesundheitswesens verdient man mehr. Da ist es doch kein Wunder, dass die Personaldecke immer dünner wird.“

Geht man davon aus, dass auch bei anderen Berufsgruppen ein Lohnaufschlag gefordert wird, der in ungefähr der Steigerung am unteren Segment entspricht, kämen auf Apotheken spürbare Zusatzkosten zu. Bei einer jungen PKA käme es bei einer Steigerung des Stundenlohns von 10,90 Euro auf 12 Euro zu einem Anstieg beim Monatslohn von 1868 auf 2054 Euro – 10 Prozent mehr. Nach jetzigem Tarif würden PKA aber nicht nur als Berufseinsteiger, sondern bis zum 9. Berufsjahr unter dem neuen Mindestlohn liegen: Im 7. bis 9. Berufsjahr würde die Steigerung dank Mindestlohn einen Anstieg des Monatsbruttos um 200 Euro von jetzt 2010 auf dann 2211 Euro betragen.

Legt man die gleiche Steigerung bei den PTA zugrunde, würde das Einstiegsgehalt von 2149 auf 2364 Euro zunehmen, bei einer PTA mit 15 oder mehr Berufsjahren wäre es ein Anstieg von 2783 auf 3061 Euro. Noch größer wäre die Lohnsteigerung bei Approbierten: Sie läge im ersten Berufsjahr bei 340 Euro im Monat – von 3582 auf 3940 Euro. Eine Approbierte zwischen dem 6. und 10. Berufsjahr würde knapp 400 Euro mehr im Monat verdienen und 3940 verdienen.

Natürlich wäre ein solcher Kaskadeneffekt nicht verbindlich und würde auch nicht augenblicklich eintreten. Doch sowohl die Finanz- als auch die Personallage ist bereits in vielen Apotheken angespannt. „Viele zahlen ja jetzt schon über Tarif, weil kaum Personal zu finden ist. Was machen die dann?“, fragt Lorek.

Laut Abda lag der Personalkostenanteil 2020 im Durchschnitt bei knapp 45 Prozent des Rohgewinns – mit den veranschlagten Steigerungen würde er dann bei rund 50 Prozent liegen. Gemessen am Umsatz liegen die Kosten bei etwa 10 Prozent. Bei denjenigen Mitarbeiter:innen, auf die ein neuer Mindestlohn unmittelbare Auswirkungen hätte, handelt es sich in der Regel um Minijobs, die Beschäftigten sind auf 400-Euro-Basis angestellt. „Es wird dann darauf hinauslaufen, dass eine Reinigungskraft eine Stunde weniger die Woche kommt“, sagt eine Mitarbeiterin einer Berliner Steuerkanzlei für Apotheken.

Doch auch in der Gruppe der PKA liegt ein beträchtlicher Anteil unter dem neuen Mindestlohn: „Etwa 25 bis 30 Prozent der PKA unserer Mandanten wären davon betroffen.“ In dieser Berufsgruppe zeige sich jedoch, dass „die meisten alteingesessen sind“. Die Apotheken versuchten, das Personal zu halten. Eine mittelgroße Apotheke beschäftige in der Regel ein bis zwei PKA.

Lorek geht davon aus, dass das viele Betriebe, bei denen die Finanzen jetzt schon auf Kante genäht sind, in Schwierigkeiten bringen könnte. „Ich gehe davon aus, dass die Durchschnittsapotheke da nochmal ganz schön bluten muss. Und dann werden noch mehr schließen, denn irgendwann wird es unrentabel.“ Es sei eine klare Verfehlung der Standesvertretung, sich um solche existenziellen Fragen nicht noch mehr zu kümmern. „Frau Overwiening könnte sich ja mal mit solchen Themen beschäftigen, statt der Frage, ob wir impfen oder testen“, sagt sie. „Wir müssen aufgewertet werden für die Leistungen, die wir erbringen, statt immer neue Leistungen einzuführen, für die wir nicht ordentlich bezahlt werden.“

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