In einigen Regionen gibt es sie bereits: Gesundheitskioske, die Menschen bei gesundheitlichen und sozialen Fragen beraten sollen. Die kostspieligen Einrichtungen werden häufig von Krankenkassen finanziert, die dafür Versichertengelder einsetzen. Eine klare rechtliche Grundlage gibt es nicht – stattdessen berufen sich die Kassen auf die offenen Regelungen zur „Besonderen Versorgung“ nach § 140a Sozialgesetzbuch (SGB V). Und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) tappt im Dunkeln.
Ein Gesundheitskiosk soll als eine niedrigschwellige Beratungsstelle dienen, die Menschen zu Gesundheits- und Sozialthemen informiert und sie bei der Orientierung im Versorgungssystem unterstützt. Zudem soll der Kiosk eine Steuerungsfunktion übernehmen, indem er Patienten an die richtige Anlaufstelle im Gesundheitssystem weiterleitet.
Die Meinungen über diese Einrichtungen gehen auseinander. Die Krankenkassen sehen Gesundheitskioske als wichtigen Zugang zur medizinischen Grundversorgung: „Bedarf und Nutzen von leicht zugänglichen Einrichtungen zur Beratung sind aufgrund des evidenten Zusammenhangs zwischen sozialem Status, Gesundheitskompetenz und Gesunderhaltung unbestritten“, findet Matthias Mohrmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg.
Verbände warnen dagegen vor unnötigen und teuren Doppelstrukturen. Tatsächlich gebe es bereits eine niedrigschwellige Anlaufstelle für Gesundheitsfragen, „das sind wir, die Apotheken“, sagte etwa Daniela Hänel von der Freien Apothekerschaft (FA). Sie verweist auf aktuelle Erfahrungen aus ihrem Heimatort Zwickau, als sich am 20. Dezember mittags die letzte Praxis in die Weihnachtsferien verabschiedete und nur die Apotheken für die Bürgerinnen und Bürger noch erreichbar waren.
Auch bei der Anzahl der benötigten Einrichtungen gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Ärzteverbände halten etwa 50 Gesundheitskioske für sinnvoll, während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeitweise bis zu 1000 Standorte bundesweit plante.
Dabei sind die Kosten für die Einrichtungen mitunter beachtlich: Ein Beispiel dafür ist der Kiosk in Solingen, der maßgeblich von der AOK Rheinland/Hamburg finanziert wird. In den ersten 14 Monaten wurden dort gerade einmal rund 1800 Beratungen durchgeführt – bei Kosten von insgesamt etwa 400.000 Euro pro Jahr. Das entspricht rund 260 Euro pro Beratung.
Insgesamt betreibt die AOK Rheinland/Hamburg mit unterschiedlichen Partnern und teilweise mit Unterstützung der Kommunen, sieben Gesundheitskioske in Hamburg, Essen, Aachen, Köln und Solingen.
Betrieben werden die Gesundheitskioske durch privatwirtschaftliche Unternehmen: Ein Beispiel ist der Gesundheitskiosk in den Hamburger Stadtteilen Billstedt und Horn. Das Projekt hat die Unternehmensberatung OptiMedis gemeinsam mit weiteren Partnern ins Leben gerufen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat sich dafür ausgesprochen, Ansätze des Projekts in die Regelversorgung zu übernehmen.
Ein eigenes Gesetz zur Regelung von Gesundheitskiosken existiert bislang nicht. Stattdessen werden sie über verschiedene bestehende Regelungen finanziert und betrieben. Zum Beispiel die Regelungen zur „Besondere Versorgung“ nach § 140a SGB V, die alternative Versorgungsmodelle außerhalb der Regelversorgung ermöglicht und oft über Verträge mit Krankenkassen läuft. So hat die AOK in einigen Regionen entsprechende Vereinbarungen mit Trägern von Gesundheitskiosken geschlossen.
Zusätzlich erfolgt die Finanzierung häufig durch kommunale Mittel, Förderprogramme oder Modellprojekte, die von Krankenkassen und Kommunen gemeinsam getragen werden. In einem früheren Gesetzesentwurf der Ampel-Koalition war geplant, Gesundheitskioske als feste Anlaufstellen für Beratung, Prävention und Behandlung im SGB V zu verankern. Diese Regelung wurde jedoch gestrichen.
Sehr zum Ärger der AOK: „Wir werden Gesundheitskioske oder vergleichbare Einrichtungen zukunftssicher nur weiter betreiben können, wenn die von Minister Lauterbach befürworteten Angebote politisch gewollt sind und angemessen gefördert werden“, so Mohrmann. Er fordert von der nächsten Bundesregierung schnellstmöglich den Rahmen für eine nachhaltige Finanzierung zu schaffen.
Während die Leistungserbringer sonst streng kontrolliert und budgetiert werden, haben Kassen und Kioskbetreiber offensichtlich einen Freibrief. Das Ministerium kennt jedenfalls keine Zahlen dazu: „Eine Übersicht über bestehende Gesundheitskioske liegt dem BMG nicht vor. Die bestehenden Gesundheitskioske basieren auf freiwilliger Initiative von Krankenkassen. Das BMG kann und darf auf diese Projekte, die in der Autonomie der Selbstverwaltung liegen, keinen Einfluss nehmen.“