EuGH

EU-Generalanwalt will Rx-Boni erlauben

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Berlin -

Ausländische Versandapotheken dürfen aus Sicht des Generalanwalts Maciej Szpunar beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht an die deutschen Preisvorschriften gebunden werden. Wie aus seinen Schlussanträgen hervorgeht, verstößt das allgemeine Rx-Boni-Verbot demnach gegen EU-Recht. Im Verfahren ist dies allerdings nur ein Fingerzeig, der EuGH ist nicht an das Votum des Generalanwalts gebunden.

Auslöser des EuGH-Verfahrens war die relativ bescheidene Frage, ob die niederländische Versandapotheke DocMorris Mitgliedern der Deutschen Parkinson Vereinigung (DPV) Rx-Boni gewähren darf. Die Wettbewerbszentrale hatte gegen das Bonusmodell geklagt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) hatte dem EuGH vor einem Jahr drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ob es sich beim Rx-Boni-Verbot um eine Maßnahme gleicher Wirkung handelt (Warenverkehrsfreiheit), wie diese zweitens zu rechtfertigen wäre und drittens, wie hoch die Anforderungen an eine solche Feststellung sein müssten.

Aus Sicht des polnischen Generalanwalts verstößt § 78 des Arzneimittelgesetzes (AMG) in Verbindung mit der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) gegen die Artikel 34 und 36 der EU-Verträge. Das Festpreissystem für verschreibungspflichtige Arzneimittel wäre damit unzulässig, sofern auch ausländische Apotheken betroffen sind.

Wenn ein Mitgliedstaat die Warenverkehrsfreiheit beschränken möchte, muss er dies begründen. Die Maßnahmen müssen geeignet und verhältnismäßig sein. Dies habe die deutsche Regierung nicht eindeutig belegt, so der Generalanwalt. Die Preisbindung sei kein geeignetes Mittel, um die öffentliche Gesundheit zu schützen. Ein Höchstpreissystem anstelle fixer Preise wäre laut Schlussanträgen das mildere Mittel gewesen. Es sei zwar nicht Sache des Gerichtshofs, sich in die nationale Gesetzgebung einzumischen, es genüge aber die Feststellung, dass es mildere Mittel gebe.

Die Bundesregierung hatte in der mündlichen Verhandlung die Preisbindung verteidigt. Der EuGH habe es Mitgliedstaaten erlaubt, den Versandhandel auf OTC-Arzneimittel zu beschränken. In Deutschland sei der Rx-Versand zulässig. Ein Festpreissystem als Alternative zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sei das mildere Mittel.

Der Generalanwalt ließ sich davon nicht überzeugen: Ob man gleichzeitig ein Rx-Versandverbot befürworten und das System der Preisbindung als das „kleinere Übel“ verbieten könne? „Die Antwort lautet: ja, man kann“, so der Generalanwalt. Habe sich ein Mitgliedstaat aus freien Stücken für die Zulassung des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entschieden, so unterliege diese Maßnahme als solche der Überprüfung auf Geeignetheit, Kohärenz und Stimmigkeit.

„Andernfalls hätte ein Mitgliedstaat, nur weil er derartige Verkäufe zugelassen hat, freie Hand, ohne dass die Möglichkeit der rechtlichen Überprüfung bestünde“, heißt es in den Schlussanträgen. Ausländische Wirtschaftsteilnehmer könnten aus ihren in den Grundfreiheiten verkörperten subjektiven Rechten dann „keinen vollen Nutzen ziehen“.

Die 1. Kammer des EuGH hatte die Prozessbeteiligten im Vorfeld aufgefordert, sich auf die Rechtfertigung der deutschen Rx-Preisbindung zu konzentrieren. Dass es sich bei der Preisbindung um eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit handelt, war auch für den Generalanwalt Schnell klar: „Preisbindung ist ein Dorn im Auge eines jeden Wirtschaftsteilnehmers, der nicht am Markt präsent ist, wird doch der Wettbewerb im Wesentlichen vom Preis bestimmt. Nimmt man einem Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit, einen bestimmten Preis zu unterbieten, nimmt man ihm einen Teil seiner Wettbewerbsfähigkeit.“ Die deutschen Bestimmungen seien geeignet, Einfuhren zu beschränken. Immerhin seien die Verkäufe von DocMorris nach den Rx-Boni-Verbot zurückgegangen.

Verhandelt wurde am 17. März. Mit Blick auf die Besetzung der Anwälte wurden in Luxemburg gefühlt nicht die Wettbewerbszentrale und DPV von den EU-Richtern befragt, sondern die ABDA und DocMorris. Im Mittelpunkt der Verhandlung standen aber die Vertreter der Bundesregierung sowie der EU-Kommission – ebenfalls als Antipoden.

Zwischen dem Interesse der Union an der Verkehrsfreiheit und den Interessen der Mitgliedstaaten bei der Verfolgung nicht wirtschaftlicher öffentlicher Ziele zu entscheiden, sei eine schwierige Aufgabe, die im Lauf der Zeit nicht einfacher geworden sei, so Szpunar zu Beginn seiner Ausführungen. Der aktuelle Fall zeige, dass die Vertragsbestimmungen über den Binnenmarkt noch immer den Kern des Rechtssystems der Union und ihrer Wirtschaftsverfassung seien. Deshalb sei es gut gewesen, dass das OLG Düsseldorf den EuGH angerufen habe, obwohl der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte das Rx-Boni-Verbot zuvor schon für mit EU-Recht vereinbar erklärt hatte.

Szpunar bemerkte „mit aller Deutlichkeit“, dass sich der EuGH jetzt bereits zum dritten Mal mit einem Fall befassen müsse, bei dem es um den Zugang von DocMorris zum deutschen Markt gehe. Im Streit über die Zulassung des Versandhandels habe der deutsche Gesetzgeber reagiert, beim Fremdbesitzverbot hielt die deutsche Regelung.

Jetzt ging es um die Preisbindung. Dem polnischen Generalanwalt zufolge sind ausländische Apotheken davon stärker betroffen als deutsche Apotheken. Der Hauptgrund sei das Fremdbesitzverbot. Damit bleibe DocMorris & Co. nur der Versandhandel, um auf dem Markt aktiv zu werden. Die Preisbindung sei dabei ein Handelshemmnis.

Die Regierung hatte die Preisbindung mit dem Argument verteidigt, dass es nicht zu einem ruinösen Preiswettbewerb kommen soll. Außerdem wird ein Qualitätsabfall bei der Versorgung befürchtet, wenn Apotheken nur noch über den Preis konkurrieren. „Es ist für mich schwer vorstellbar, warum bei einem stärkeren Wettbewerb die Apotheker die Qualität ihrer Dienstleistungen vermindern sollten. Ich würde erwarten, dass das Gegenteil eintritt“, kommentiert der Generalanwalt.

Die Verknüpfung zwischen Preisbindung und gleichmäßiger Versorgung sei ihm „zu lose“, so Szpunar. Man müsse eher die Zahl der Ärzte im Blick behalten: „Typischerweise gibt es dort, wo es keinen Arzt gibt, der Arzneimittel verschreibt, auch keine Apotheke.“ In entlegenen Gebieten seien Versandapotheken für die Bevölkerung sogar eine gute Alternative. Einen Pfleger, Nachbarn oder Enkel, der bei der online-Bestellung helfen könne, stehe den Patienten oft zur Seite.

Das Fremdbesitzverbot wurde unter anderem mit der Begründung als zulässig erklärt, dass nationale Gesetzgeber in Fragen der Gesundheit einen großen Handlungsspielraum hätten, um Gefahren abzuwenden. Szpunar weist aber darauf hin, dass der EuGH mittlerweile eine umfassendere Begründung solcher Maßnahmen mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit verlange. Die Beweislast liege bei den Mitgliedstaaten. In diesem Fall sei ein Nachweis nicht erbracht worden.

Zwei Stunden wurde Mitte März in Luxemburg verhandelt. Die Positionen der Beteiligten in Kurzform: Die Bundesregierung findet, dass Versandapotheken nachts versagen, DocMorris meint, ein kleiner Bonus täte nicht weh. Die EU-Kommission denkt, Versender seien auf Boni angewiesen und die Wettbewerbszentrale und die ABDA sind überzeugt, dass die Preisbindung Apotheken erhält.


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