Lieferengpässe

BfArM: Indien und China liefern wieder

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Berlin -

Versorgungsengpässe bei Arzneimitteln sieht das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Zeit schwerpunktmäßig in der intensivmedizinischen Versorgung in Kliniken. In Apotheken habe sich die Lage entspannt, stellten die Teilnehmer des letzten Jour Fixe fest – auch weil die Wirkstoffe aus Indien wieder exportiert würden und die Produktion in China angelaufen sei. Trotzdem mehren sich die Forderungen, die Arzneimittelproduktion wieder nach Europa zu holen.

„Die Steigerung der globalen Nachfrage bei gleichzeitig angespannten Marktsituationen und beeinträchtigten Transportwegen stellt die pharmazeutische Industrie vor zunehmende Herausforderungen. Positiv ist, dass Ausgangsstoffe zur Arzneimittelherstellung aus Indien wieder grundsätzlich exportiert werden können und auch die Produktion in China wieder angelaufen ist“, heißt es im Protokoll der letzten telefonischen Sitzung des Jour Fixe und weiter: „Die Situation in Apotheken hat sich leicht entspannt. Gründe könnten u.a. die Kontaktbeschränkung, aber auch der Quartalswechsel sein.“

Mehr Probleme sehen die Jour Fixe-Teilnehmer in den Kliniken. Hier sei aktuell die größte Herausforderung, den zusätzlichen Bedarf aufgrund der Aufstockung von intensivmedizinischen Kapazitäten realistisch abzuschätzen. Eine höhere Nachfrage als der tatsächliche Bedarf spanne die Situation zusätzlich an. Versorgungsengpässe gebe es derzeit insbesondere bei Wirkstoffen, die in der intensivmedizinischen Versorgung benötigt würden, wie Propofol, Midazolam, Morphin, Meropenem, Norepinephrin und Atemkalk. Und dann heißt es im Protokoll weiter: „Beim BfArM werden aktuell viele neue Lieferengpässe gemeldet. Überwiegend wird als Grund die deutlich gestiegene Nachfrage angegeben.“

Ungeachtet dessen bereiten der Landesapothekerkammer und der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz die Lieferengpässe bei Arzneimitteln viele Sorgen. Beide Kammern verlangen, dass die Produktion von versorgungsrelevanten Medikamenten wieder nach Europa zurückverlegt wird. Die Produktion außerhalb von Europa „kann auch Qualitätsprobleme schaffen, weil in Schwellenländern außerhalb von Europa unter anderen Rahmenbedingungen als bei uns hergestellt wird“, kritisiert Dr. Günther Matheis, Präsident der Landesärztekammer in der aktuellen Ausgabe des „Ärzteblatt Rheinland-Pfalz“.

„In Apotheken müssen Mitarbeiter inzwischen rund 10 Prozent ihrer Arbeitszeit dafür aufwenden, Lieferengpässe zu bekämpfen“, berichtet Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz. Kritisiert wird auch die knappe Lagerhaltung der Industrie. „Wichtige Medikamente sind oft nicht verfügbar. Das ist unhaltbar und ein großes Ärgernis“, so die beiden Kammer-Präsidenten. Nötig sei daher: mehr Transparenz der Hersteller, keine Knebel-Rabattverträge der Krankenkassen und Anreize für die Produktion wichtiger Wirkstoffe in Europa.

Der Mehraufwand in den Apotheken „ist immens“, so Kiefer, der auch der Präsident der Bundesapothekerkammer ist. „Es sind einfach zu viele Präparate knapp geworden“, so Kiefer. Und es geschehe zulasten der pharmakotherapeutischen Begleitung. Das dürfe nicht sein. „Arzneimittel sind nun mal keine Brötchen, sondern ganz besondere Produkte", so Kiefer.

Auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Georg Nüßlein, hat erneut auf die anhaltenden Klagen über Lieferengpässe reagiert: „Die Corona-Krise hat viele Facetten. Eine davon ist, dass Medikamente knapp werden. Dies liegt daran, dass ein beträchtlicher Teil an Wirkstoffen und lebenswichtigen Arzneimitteln wie etwa Antibiotika in Asien produziert werden. Dort sind die Produktionsbedingungen vielfach schlecht und die Umweltverschmutzung hoch. Ideale Bedingungen für die Entstehung multiresistenter Keime“, so der CSU-Gesundheitspolitiker.

Nüßlein fordert, das „derzeitige System der Rabattverträge“ anzupassen. „Die aktuelle Praxis, einen Rabattvertrag für ein Arzneimittel ausschließlich mit einem Hersteller zu schließen, mündet in Lieferengpässen, wenn dieser Hersteller – aus welchem Grund auch immer – nicht liefern kann. Rabattverträge sollten daher mit mindestens zwei Herstellern geschlossen werden.“ Außerdem müsse in Zukunft mindestens ein Hersteller, der lückenlos eine europäische Lieferkette nachweisen könne, einen Zuschlag für einen Rabattvertrag erhalten. „Das wird mittelfristig zu einer Verlagerung der Produktion nach Deutschland und Europa führen. Wir haben es selbst in der Hand, Lieferengpässe bei Arzneimitteln vorzubeugen“, so Nüßlein.

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