Ärztetag

Ärzte fordern niedrigere Arzneimittelpreise

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Berlin -

Der Deutsche Ärztetag hat vor einer finanziellen Überforderung des Gesundheitssystems wegen ausufernder Arzneimittelpreise gewarnt. Dringend nötig seien neue gesetzliche Regelungen, sagte der Berliner Onkologe Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Vor allem bei der Behandlung von Krebserkrankungen komme es zu einer Ausgabenexplosion. Manche Medikamente führten zu jährlichen Kosten zwischen 50.000 und 100.000 Euro pro Patient. Dies könne sogar die notwendige Versorgung Krebskranker gefährden.

Der 119. Deutsche Ärztetag forderte deshalb den Gesetzgeber auf, die Regelungen für die Nutzenbewertung und die Preisfestlegung neuer Arzneimittel im Rahmen des sogenannten AMNOG-Verfahrens zu verbessern. Die von Krankenkassen übernommenen Kosten für neue Arzneimittel müssten sich am nachgewiesenen Nutzen für die Patienten orientieren. „Die derzeit freie, ausschließlich am Markt orientierte Preisfestlegung für Arzneimittel im ersten Jahr nach der Markteinführung durch den pharmazeutischen Unternehmer muss abgeschafft werden“, heißt es in einer Resolution des Ärzteparlaments.

Damit sind die Mediziner auf einer Linie mit den Kassen. Im Pharmadialog war dagegen bei hochpreisigen neuen Arzneimitteln eine Umsatzschwelle verabschiedet worden. Bei Überschreiten dieser Schwelle soll der Erstattungsbetrag bereits vor Ablauf der Jahresfrist gelten.

Zudem sollten die Ergebnisse der Nutzenbewertung den Ärzten schnell und in geeigneter Form zur Verfügung gestellt werden. Nur dadurch könne sichergestellt werden, dass der berechtigte Anspruch der Patienten auf eine dem Stand der aktuellen medizinischen Erkenntnisse entsprechende medikamentöse Versorgung berücksichtigt werde. Außerdem sollten Marktrücknahmen aufgrund zu niedriger Erstattungsbeträge erschwert werden. Der Preis solle sich am patientenrelevanten Nutzen orientieren.

Ludwig kritisierte, dass sich die Arzneimittelpreise daran orientierten, „was der Markt zu zahlen bereit ist“. Trotz der 2011 eingeführten frühen Nutzenbewertung seien die Ausgaben zu Lasten der GKV seit 2014 jährlich um rund 5 Prozent, in der Onkologie um 10 Prozent gestiegen. Mit Sorge sieht Ludwig, dass im vergangenen Jahr in den USA 25 der insgesamt 45 neu auf den Markt gekommenen Wirkstoffe beschleunigt zugelassen worden sind. Damit lägen bei der Zulassung nicht die Erkenntnisse vor, „die wir für eine rationale Pharmakotherapie brauchen“.

Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VFA), rechtfertigte die Preisbildung. Sie warf den Ärzten vor, die Debatte so zu führen, „als hätte es das AMNOG nie gegeben“. Mittlerweile lägen in Deutschland rund 70 Prozent der Preise für Arzneimittel „unter dem europäischen Durchschnitt“. Dem widersprach Ludwig heftig und warf Fischer „Legendenbildung“ vor.

Die VFA-Hauptgeschäftsführerin hingegen verwies darauf, dass der Anteil der GKV-Ausgaben für Arzneimittel seit 2009 von 18,8 auf zuletzt 17 Prozent gesunken sei. „Das AMNOG liefert“, so Fischer. Bereits im laufenden Jahr seien durch Erstattungsbeträge Einsparungen in Höhe von 1,34 Milliarden Euro zu erwarten, 2017 würden es knapp zwei Milliarden Euro sein.

Einzelne Delegierte reagierten laut „Ärzte Zeitung“ mit Unmut auf die Erläuterungen Fischers. Geworben wurde in der Diskussion dafür, sämtliche Verbindungen der Ärzteschaft zur Pharmaindustrie zu kappen – etwa mit Blick auf die Fortbildung. Dagegen schlug Fischer eine „Allianz für Gesundheit“ von Pharmaindustrie und Ärzten vor: „Wir sind wechselseitig aufeinander angewiesen“.

Diskutiert wurde zudem über anhaltende Lieferprobleme für wichtige Medikamente. Unter anderem der „Sparwahn“ durch Rabattverträge für Generika habe zu dieser Entwicklung beigetragen, so Ludwig. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission sprach sich dafür aus, Hersteller gesetzlich zu verpflichten, die Lieferfähigkeit für ihre Medikamente sicherzustellen.

Dem schloss sich der Ärztetag an. Er forderte den Gesetzgeber in einer Entschließung auf, in Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft eine Liste von wichtigen Medikamenten zu erstellen. „Diese müssten von der Pharmaindustrie ausreichend produziert und für die Therapie jederzeit zur Verfügung stehen“, heißt es.

Vor dem Hintergrund der Diskussion beim Ärztetag appellierte der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) an die Mediziner, sich für die Therapiefreiheit stark zu machen, statt die Industrie an den Pranger zu stellen: „Dabei liegt der Schwarze Peter woanders: Trotz vollmundiger Versprechen werden Ärzte in Deutschland immer noch mit Regress bedroht“, erklärte Dr. Martin Zentgraf, Vorstandsvorsitzender des BPI.

Der Nutzen von Arzneimitteln werde in einem aufwändigen Verfahren vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) – in dem auch die Ärzteschaft vertreten sei – ermittelt. Der BPI habe sich im Pharmadialog dafür stark gemacht, dass die verhandelten Preise für den gesamten Anwendungsbereich als wirtschaftlich gelten. Das müsse gesetzlich klargestellt werden, so Zentgraf.

Die Kassen hatten einen Preis je nach Indikation ins Gespräch gebracht: Wo ein Zusatznutzen nachgewiesen sei, könne man einen höheren Preis vereinbaren als in Anwendungsbereichen oder bei Patientengruppen, bei denen das Medikament keinen Zusatznutzen zeige.

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